Ich würde übrigens zunächst damit beginnen, anhand gefangener Meerestiere herauszufinden, wer theoretisch welche Laute produzieren könnte. Knurrhähne, Preußenfische und viele andere Knochenfische trommeln mit speziellen Muskeln auf der Schwimmblase – dann knurren oder knattern sie. Clownsfische erzeugen knallende Laute mit spezialisierten Zähnen. Und Heringe drücken Luft aus der Schwimmblase in den Darm – sie können über drei Oktaven furzen. Über Lautproduktion bei Tiefseefischen habe ich noch nie etwas gelesen, das wäre sicherlich Neuland. Aber zumindest einige dieser Geräuschquellen am Fisch sind anatomisch nachweisbar und könnten erste Erklärungsansätze bieten.

Das Team um Dr. Simone Baumann-Pickering steht noch ganz am Anfang der akustischen Erkundung der mesopelagischen Community. Sie hatte bis jetzt überwiegend am anderen Ende der Nahrungskette geforscht und Wale – u. a auch die tief tauchenden Schnabelwale – abgehört. Nun ist die Beute der Schnabelwale an der Reihe. Wenn die Wale sich ein akustisches Bild ihrer ozeanischen Umgebung mit ihren Bewohnern machen, sollte es auch für Wissenschaftler möglich sein. Aber bis dahin wird es noch ein langer Weg sein. Schade, dass wir die Wale nicht einfach fragen können.

Tiefseebeile, Leuchtsardinen und Vampirtintenfische – die Mesopelagial-Community vor San Diego

Auch wenn die ersten Resultate des Lauschangriffs auf die DSL-Community noch mehr Fragen als Antworten geben, ist das Forschungsprojekt ein schöner Aufhänger, um einige Fische aus den Tiefen des Ozeans einmal näher vorzustellen.
Davison et al vom Farallon-Institut haben 2014 den Mesopelagial-Fischbestand im südkalifornischen Grabensystem sowohl mit dem Tiefseetrawl als auch mit dem Sonar untersucht und geben einen tiefen Einblick in diese lichtarme Welt: Hier lebt eine Community in Schwarz, Silber und Rot, mit Blinklichtern und sonderbaren Körperformen. Die meisten dieser Tiefenbewohner haben große Augen, um jedes erreichbare Lichtquäntchen auszunutzen. Viele Fische sind sehr klein, häufig wiegen sie weniger als 1 Gramm. Darum hatten die Fischereibiologen Murray und Hjort sie 1912 „Lilliput Fauna“ genannt. Trotz ihrer geringen Größe sind alle dieser Fische Jäger – wie ein Blick in ihre großen Mäuler mit den langen Zähnen schnell zeigt. Sie erbeuten noch kleinere Meerestiere wie Zooplankton.

Die Tiefe für die Trawls und den akustischen Survey hatte Davison auf durchschnittlich 523 Meter gelegt, weil in diesem Meeresareal in dieser Tiefe die unter DSL-Grenze liegt. Bei insgesamt 22 Trawls (21 tagsüber) in 438 bis 593 Metern Tiefe haben sie über 17 000 mesopelagische Fische gefangen. Die Fische leben also in großer Anzahl und Dichte: auf jeden Quadratmeter der Ozean-Oberfläche kommen 50 mesopelagische Fische. Die Biomasse beträgt in dieser Region schätzungsweise 25-37 g/m2.

An dieser Stelle möchte ich drei Fische mit kurzen Portraits vorstellen:

Laternenfische oder Leuchtsardinen (Myctophidae) beginnen bei Sonnenuntergang ihre Vertikalwanderung, sie folgen ihrer Nahrung, dem Zooplankton. Bei Tagesanbruch schwimmen sie zurück in die Tiefe. Die verschiedenen Arten halten sich in unterschiedlichen Tiefen auf.
Mit 250 Arten sind sie eine große Gattung und bilden einen großen Teil der Biomasse im Mesopelagial. Ihre Körper sind sardinenähnlich, über den Körper verteilt blinken Leuchtorgane. Ihre Eier werden durch Öltropfen im Plankton schwebend gehalten.
Laternenfische sind für Kalmare, andere Tiefseefische, große pelagische Fische wie Thunfisch und Haie, Seevögel, Pinguine, Wale eine wichtige Nahrungsquelle. In manchen Teilen der Welt werden sie kommerziell befischt. Vor Oman etwa sind Laternenfische eine bedeutende marine Ressource, sie werden zu Fischmehl verarbeitet. Der Iran importiert allein 130.000 Tonnen davon jährlich.

https://faralloninstitute2.files.wordpress.com/2014/12/diaphus_theta_68b.jpg?w=1000&h=

Tiefsee-Beilfische (Sternoptychidae) leben im Atlantik, Pazifik und Indik. Ihre Körper sind beilförmig mit stark abgesetztem Schwanzstiel, sie werden 2 bis 14 Zentimeter lang. Ihr Maul ist oberständig –nach oben gerichtet – wie auch die Augen. An der Unterseite des Körpers liegen große Leuchtorgane – sie lösen, von unten betrachtet, die Körpersilhouette auf. Die Eier sind planktisch und werden durch eingelagerte Öltropfen in der Schwebe gehalten.

https://slgo.ca/app-guidespeces/action/AffichageImage?typeImg=espece&id=119&h=700&l=700

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Kommentare (11)

  1. #1 rolak
    4. März 2016

    mesopelagisch

    Falls noch jemand außer mir diese Übersetzung als völlig sprachnatürlich akzeptiert hat und bei der Suche verärgert grummelt “no prob in EN“: Im Dwiki ist von Mesopelagial die Rede, also vom Ding an sich, nicht seiner Eigenschaft.
    Apropos EN: You pasted the english frequency ranges ;‑)

    Viele Fische sind sehr klein

    Das Aussehen und dann auch noch groß – im Falle des (für mich sicherlich nie stattfindenden) Direktkontaktes wohl nervenzerfetzend^^

  2. #2 Bettina Wurche
    4. März 2016

    @rolak: Ich hatte gehofft, durch die Beschreibung das “Mesopelagisch” etwas verständlich zu machen.
    “Apropos EN: You pasted the english frequency ranges ;‑)” – sorry, das verstehe ich inhaltlich nicht. Bitte um Erklärung.

  3. #3 Roland B.
    5. März 2016

    Sind bei der Dichte der Biomasse (direkt über den Fischporträts) tatsächlich Quadratmeter gemeint oder Kubikmeter?

  4. #4 rolak
    5. März 2016

    Ich hatte gehofft

    Das war ja auch zum Textverständnis völlig ausreichend beschrieben, Bettina, doch als alter Kontext- bzw ÜbersichtsFan schlag ich mir Unbekanntes typischerweise nach – selbst wenn ich es wg Nichtgebrauchs schon bald wieder vergessen haben sollte. Wie eben das “katabatisch” auch.

    Bitte um Erklärung

    Na selbstverständlich, wenn ich schon halbkodiert texte: Durch Dein (vermutetes) copy/paste sind im ansonsten deutschen Text drei englische Fragmente enthalten, deren letztes “zwischen 300 and 1000 Hz” ist

  5. #5 Bettina Wurche
    5. März 2016

    @rolak: Danke, jetzt hab´ ich´s begriffen : )
    Mesopelagial ist schon ein sperriger Begriff. Aber eine konstruierte Simplifizierung wie Noch-nicht-ganz-Tiefsee hat mir auch nicht gefallen.
    Man kann Texte auch tot-erklären : )

  6. #6 Bettina Wurche
    5. März 2016

    @Roland B.: Es ist die Wassersäule unterhalb des einen Quadratmeters gemeint. Ob es die gesamte Wassersäule ist oder nur der Abschnitt des Mesopelagials, hat er offen gelassen. Wenn ich von einer Tiefe von unter 200 Meter ausgehe, ist die Fischdichte nicht mehr sehr hoch.

  7. #7 Roland B.
    5. März 2016

    Das heißt, die Wassersäule oberhalb der Meßfläche bleibt unberücksichtigt, ebenso eventuelles Bodenleben?

  8. #8 Anderer Michael
    5. März 2016

    Wenn sich Predatoren an den Geräuschen der Leuchtsardinen orientieren, ist das doch ein evolutionärer Nachteil für diese.
    Anderseits verfügen Fische über das Seitenlinien- Organ und Knorpelfische über Lorenzinische Ampullen (nur in direkter Nähe) zur Aufspürung der Beute oder des Jägers. Säuger ebenso auch Raubfische dürften allein durch das Geräusch des großen aufsteigenden Schwarmes auf diesen aufmerksam werden.
    So betrachtet können die Geräusche dienen als Schwarm zusammenzubleiben, was auch ein Mechanismus ist, um sich zu verteidigen. Das ist nur Spekulation meinerseits.
    Insgesamt ein sehr interessanter Blogartikel, es lohnt sich nachzulesen, auch jenseits von Definitionen wie mesopelagisch. Danke.

  9. #9 Bettina Wurche
    5. März 2016

    @Roland B.: Es geht um einen Quadratmeter Meeresoberfläche und alles darunter. Wahrscheinlich ist das ein für diese Arbeitsgruppe wichtiger Vergleichswert, um die Produktivität eines Gewässers zu schätzen. Die Wassersäule endet auf dem Boden. Bodenleben (Benthos) auf dem Boden (Epibenthos) müsste eigentlich noch mitgezählt werden, alles im Boden fällt raus. Da gibt es sicherlich Definitionen, die bestimmt auch in der Arbeit genannt sind, habe ich aber nicht parat. Hier ist eine deutsche Arbeit zu Dichte/Wassersäule, die auch die Akustische Ortung der Fische erklärt (Hering und Blauer Wittling): https://literatur.ti.bund.de/digbib_extern/dk040680.pdf
    Davison hat ein MOCNESS eingesetzt, ein Multiple opening and closing net with environmental sensing system.
    https://www.whoi.edu/instruments/viewInstrument.do?id=10008
    Das ist eine Reihe von Netzen, die hintereinandergeschaltet sind. In eine spezifizierten Tiefe fällt jeweils ein Netzrahmen zu. So kann man bei einem Hol in verschiedenen Tiefen fischen und dann vergleichen. Sensing system sind Sensoren für Tempertaur, Wasserdichte, Salinität, die in verschiedenen Tiefen variieren. Um herauszufinden, welche Art wann wo steht und in welchen Umweltparametern ist gerade für die Erforschung vertikaler Wanderungen wichtig. So ein komplexes Netz ist nicht einfach zu handhaben.

  10. #10 Bettina Wurche
    5. März 2016

    @Anderer Michael: Danke! Ja, das ist die Frage bei allen Viechern, die laut sind. Es trifft auf Vögel genauso zu wie auf Meeressäuger. Manche Arten halten vorübergehend Funkstille: Spatzen, wenn ein Greifvogel über der Kolonie kreist. Delphine, wenn sie transient-Orcas hören. Resident-Orcas halten in Anwesenheit von Delphinen Funkstille, weil sie von denen oft genervt sind, durch Bugwellenreiten etc. Aber für die Fische muss wohl der Nutzen überwiegen, im Schwarm aufzusteigen. Das ist wohl der beste Schutz, wie Du auch sagst.
    Wer und was dort flüstert, steht aber noch völlig offen.

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