A rare grouping of Shepherd’s Beaked Whales has been spotted off the coast of Dunedin. Photos: Tom Brough

Neuseeländische Biologen haben bei einer Forschungsfahrt in den Gewässern vor der Stadt Dunedin (South Island) erstmals Tasmanische Schnabelwale gesichtet!

Der Tasmanische Schnabelwal oder Shepherds Wal (Tasmacetus shepherdi) ist unter den ohnehin selten gesichteten Schnabelwalen einer der am wenigsten bekannten. Weltweit gibt es bis heute nur 9 bestätigte Sichtungen lebender Tiere, das meiste von dem wenigen Wissen stammt von den 55 Strandungen toter Shepherds Wale. 24 davon waren auf den Chatham Inseln, 7 in Argentinien, 6 auf Tristan da Cunha, 6 in Australien und 2 auf den Juan Fernández Inseln gefunden worden. Sie scheinen also im gesamten südlichen Pazifik vorzukommen.

from the trip The Mysterious Shepherd’s Beaked Whale (uploaded by Brett J.’s Diary)

Dr. Will Rayment (Otago’s Department of Marine Science) leitete in der vergangenen Woche  einen Survey in den submarinen Canyons vor der Küste Otagos mit dem Forschungsschiff  „Polaris II“, und berichtete nun von gleich zwei Sichtungen: Am Dienstag, dem 28. Juni, entdeckte das Team 5 Schnabelwale im Taiaroa Canyon, 30 Kilometer östlich von Taiaroa Head. Dr. Trudi Webster konnte die Tiere sicher als Tasmacetus identifizieren, da sie kürzlich an einer Strandung auf den Chatham Inseln mitgearbeitet hat. Dadurch war sie mit den morphologischen Details der Tasmanischen Schnabelwale vertraut.
Am nächsten Tag sah das Team dann ein Wal-Trio im Saunders Canyon, ebenfalls vor der Küste Dunedins. Beide Sichtungen wurden im Nachhinein noch von Anton van Helden als Shepherd-Wale verifiziert, DEM neuseeländischen Schnabelwal-Experten.

Auch wenn die meisten Tasmacetus-Strandungen von neuseeländischen Küsten stammen, gab es bis jetzt keinen Nachweis einer Lebendsichtung für diese Gewässer.  “There have previously been no confirmed sightings in New Zealand waters, although New Zealand is the world’s stranding hotspot for the species,” erklärte Will Rayment. Neben der Sichtung vieler Meeresvögel und anderer mariner Säugetiere waren die Tasmacetus-Sichtungen auf jeden Fall das Highlight dieses Surveys. Natürlich hatten die Biologen im Hinterkopf, dass die Tiefseecanyons ein gutes Gebiet für tief tauchende Spezies wie Pott- und Schnabelwale sind, aber jetzt haben sie auch den Nachweis dafür. Die Küste vor Otago mit ihrer zerklüfteten tiefen submarinen Topographie ist also wirklich ein bedeutendes Habitat für tief tauchende Meeressäuger. Die Details werden natürlich noch wissenschaftlich publiziert, darauf bin ich schon gespannt (Quelle: Pressemitteilung der University of Otago).

Tiefseecanyons – der ideale Ort für Schnabelwale

Bis vor wenigen Jahrzehnten war so gut wie nichts über Schnabelwale bekannt, außer von Totstrandungen. Durch die immer bessere technische Ausrüstung der Walforscher sind sie mittlerweile per Sonar aufzuspüren und zu „beobachten“: Ihre artspezifischen Klicks verraten, dass sie da sind und wo und wie tief sie gerade tauchen. Nach einem solchen Sonarkontakt können Biologen auf See dann gezielt nach den Tieren and er Oberfläche suchen, dadurch haben die Sichtungen und Identifikationen jetzt zugenommen. Aber mysteriös sind die Wale immer noch. Nur Nördliche Entenwale kommen neugierig an Schiffe heran, alle anderen Arten sind nämlich „ship-avoiding“ und entziehen sich möglichen Interaktionen durch Abtauchen. Dabei gleiten sie ohne Fluke-up unspektakulär in tiefere Schichten.

Survey coverage (Tangaroa, 2012) of part of the Otago canyon complex offshore East Coast, South Island extending from Waitaki Canyon in the north to Hoopers Canyon in the south. Image is a sun-illuminated digital elevation model. Depth range 100m (red) to 2000m (purple). NIWA

Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass sie nicht so selten sind, sondern einfach nicht auffallend genug. Ihre Seltenheit ist eher ein Artefakt, als ein Fakt. Dazu kommt, dass sie für Laien kaum identifizierbar sind.
Die Beobachtung Tasmanischer Schnabelwale vor Neuseeland war nur eine Frage der Zeit und geschulter Beobachter. Die Strandungen weisen klar nach, dass die Tiere dort vor der Küste sind. Und Schnabelwale leben in tiefen Gewässern, Tiefseecanyons sind für sie ideale Habitate. Aber Schiffs-Surveys sind teuer und werden von Forschungsgruppen nur selten durchgeführt. Eine Extra-Tour für Ziphiiden ist in der Regel unbezahlbar, Schnabelwal-Sichtungen sind eher Nebenprodukte anderer Surveys oder regelmäßiger Whale-watchung-Touren. So blieben die ungewöhnlichen Meeressäuger auch dicht vor der neuseeländischen Küste eben lange unentdeckt. Oder viel mehr unerkannt.

Eine wesentliche Voraussetzung für eine gezieltere Suche nach extrem tief tauchenden Arten sind auch detaillierte Karten des Meeresbodens. Der Bereich, in dem der “Polaris II”-Survey jetzt stattgefunden hat, ist erst 2012 von dem NIWA-Forschungsschiff “Tangaroa” exakt kartiert worden (NIWA: National Institute of Water and Atmospheric Research). Dabei wurde deutlich, dass vor der Küste Otagos 9 submarine Canyons liegen.


Tasmacetus
– ein schwimmendes Mysterium?

Record Image

PHOTOGRAPH: George Shepherd measuring the skull of Shepherd’s Beaked Whale (Wanganui Regional Museum) […] https://collection.wrm.org.nz

Unter den ohnehin schon schrägen Schnabelwalen (Ziphiidae) ist der Tasmanische Schnabelwal der mysteriöseste. Eng verwandt mit den Pottwalen, sind diese kleineren Zahnwale auch extreme Tieftaucher und leben  im offenen Meer, meist fernab der Küsten. Nicht zuletzt wegen ihrer geringeren Größe und ihres unspektakuläreren Verhalten an der Oberfläche werden sie selten gesichtet. Ihr Kopf sieht aus wie der eines zu groß geratenen Delphins, sie sind schwierig zu erkennen und nur Experten können die einzelnen Arten identifizieren.
Sie sind zwar Zahnwale, aber ihr wichtigstes Merkmal ist, die Zähne möglichst weit reduziert zu haben. Die meisten Schnabelwal-Gattungen und -arten haben nur noch zwei Zähne im Unterkiefer und das auch nur als erwachsene Bullen.
Tasmacetus ist hier die große Ausnahme: Sein Schädel ist mir dem hoch aufragenden Scheitel zwar absolut ziphiidenhaft – aber er hat ein volles Gebiss aus 17 bis 27 kegelförmigen Zähnen im Ober- und Unterkiefer. Erwachsene Bullen haben zusätzlich ein paar „Stoßzähne“ (mit wenigen Zentimetern Länge eher Stoßzähnchen) an der Spitze des Unterkiefers. Die meisten Zähne sind 28 Millimeter lang, die männlichen Imponierorgane ragen dann spektakuläre 43 Millimeter empor. Mit dieser Bezahnung ist Tasmacetus systematisch betrachtet der ursprünglichste Schnabelwal, ein Relikt aus der frühen Entwicklung dieser Wal-Verwandtschaft. Warum nun ausgerechnet die Ziphiidae ihre Zähne so stark reduziert haben, ist nicht bekannt. Fest steht nur: Die zahnlosen oder zahnarmen Wale jagen trotzdem erfolgreich und saugen die Kalmare und Fische zahnarm ein. Wie Pottwale auch, die ja nur noch im Unterkiefer Zähne tragen.

Obwohl bis zu 7 Metern groß, ist dieser Wal erst 1937 von W. R. B. Oliver wissenschaftlich beschrieben worden. Tasmacetus shepherdi bedeutet „Shepherds Tasmanischer Wal“. Oliver hatte ihn nach George Shepherd, dem Kurator des Wanganui Museum benannt, der 1933 das Typus-Exemplar nahe Ōhawes an der Südküste von Taranaki, der neuseeländischen North Island gesammelt hatte.

Quelle:
James G. Mead: “Shepherd´s Beaked Whale Tasmacetus shepherdi Oliver, 1937”. in: Handbook of Marine Mammals, Vol. 4; edt: Ridgway, Harrison, 1989

Kommentare (6)

  1. #1 Dampier
    10. Juli 2016

    Wie Pottwale auch, die ja nur noch im Oberkiefer Zähne tragen.

    Müsste das nicht Unterkiefer heißen? (Lt. Wikipedia haben sie auch im Oberkiefer Zähne, die aber nicht durchbrechen).

    Die zahnlosen oder zahnarmen Wale jagen trotzdem erfolgreich und saugen die Kalmare und Fische zahnarm ein.

    Schön formuliert :))

  2. #2 RPGNo1
    10. Juli 2016

    Gibt es Informationen darüber, wie tief Tasmanische Schnabelwale tauchen können? Von Pottwalen ist bekannt, dass sie gelegentlich sogar in Tiefen bis zu 3000 m auf die Jagd gehen.

  3. #3 Bettina Wurche
    10. Juli 2016

    @Dampier: Danke, selbstverständlich! Die voll sichtbare Bezahnung von 52 gebogenen Zähnen ist im massiven Unterkiefer. Fast jeder Pottwale scheint dann noch verkümmerte Zähnchen auch im Oberkiefer zu tragen, die aber nicht durchbrechen und bei der Mazeration meist verloren gehen. Wir hatten in Gram/Dänemark einen Pottwal in einer Vitrine (etwa gegenüber des Schlosses) gesehen, bei dem diese Oberkiefer-Zähne weitgehend mit erhalten worden waren. Außerhalb von Gram gibt es dann dieses grandiose Museum mit dem fossilen Pottwal.
    https://scienceblogs.de/meertext/2015/09/21/leviathan-im-taschenformat-fossile-zwergpottwale-aus-panama/

  4. #4 Bettina Wurche
    10. Juli 2016

    @RPGNo1: Dafür müsste man einem der Tierchen mal einen time-depth-recorder mitgeben oder ihn per aktivem Sonar gezielt verfolgen. Aufgrund der extrem wenigen Sichtungen hat das bisher niemand gemacht. Aber jetzt, wo ihr Hbaitat bekannt ist und es auch für die Wal-Forscehr in erreichbarer Nähe liegt, werden sicherlich bereits die Projektanträge dafür formuliert.
    Grundsätzlich gilt: Schnabelwale tauchen ähnlich tief und lange wie Pottwale.
    Bisher ist der Cuvier-Wal da der Rekordhalter: https://scienceblogs.de/meertext/2014/03/28/cuviers-schnabelwal-der-neue-tieftauch-champion/

  5. #5 RPGNo1
    10. Juli 2016

    @Bettina: Danke, ich habe die Antwort beinahe erwartet (aufgrund der besagten Seltenheit der Wale).

  6. #6 Bettina Wurche
    10. Juli 2016

    PS: Einen herzlichen Dank an LeavingOrbit für den Hinweis auf die Tasmacetus-Sichtung!