„Besonders wichtig sind die N-terminalen Enden von Histonen: dort erfolgen die wesentlichen Modifikationen für die Genregulation. Eine Acetylierung blockiert die positive Ladung der Aminosäurekette und lockert so die Interaktion des Histons mit DNA. Daher erleichtert die Histon-Acetylierung die RNA-Transkription und ist ein fördernder Mechanismus der Genexpression.
Da die Methylierung – unser Forschungsgebiet – anders als die Acetylierung, die positive Ladung von Lysin und auch bei Arginin weniger stark beeinflusst, kann eine Histon-Methylierung die RNA-Transkription sowohl steigern als auch hemmen. Der letztliche Effekt ist eine Funktion des individuell modifizierten Aminosäurerestes in einem Histon. Er ist abhängig von der Zahl der Methylierungen an den entsprechenden Lysinen im Histon. Neben der einfachen finden sich auch zweifache und dreifache Methylierungen. So führt eine Histon 3 Di- und Trimethylierung an Position 4 (H3K4) zur Steigerung der Transkription, während eine Histon H3K9- und H3K27-Methylierung eher hemmend wirkt (Abb.1&2). Besonders die H3K4me3/2 Markierung ist häufig am Trankriptions-Startpunkt zu finden. Entsprechende Methylierungs-Änderungen werden dabei durch Histon-Methyltransferasen „Writer“ und Histon-Demethylasen „Eraser“ katalysiert. Andere Proteine, die sogenannte „Reader“, lesen und Interpretieren diese Markierungen. Solche epigenetischen Vorgänge führen zum kompakten Heterochromatin und der Genrepression. Oder zum offeneren Euchromatin und der Genexpression (Abb. 2).“
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Wie läuft solche Forschung ab?
Wir untersuchen Gene von Zellen des Gefäßsystems (Vaskuläres System), die epigenetisch kontrolliert werden. Das können Gene sein, die für die Stickstoffmonoxid-Synthase codieren, das Enzym produziert NO (Stickstoffmonoxid). Dies beeinflußt die glatte Muskulatur und führt zur Erweiterung von Gefäßen (=Gefäßdilatation). Ein Mangel an NO führt zur Verringerung des Gefäßlumens (=Gefäßkontraktion) und somit zu einer Hypertonie. Auch Gene, die für die Bildung von neuen Blutgefäßen sehr wichtig sind, interessieren uns. Ein Beispiel dafür ist der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor (VEGF).
„Zuerst führen wir Experimente mit Zellkulturen durch: Welche Auswirkungen hat es, wenn einzelne epigenetisch modifzierende Enzyme ein- oder ausgeschaltet werden? Wenn wir dann einen „Kandidaten“ identifiziert haben, der bestimmte Gene des vaskulären Bereichs epigenetisch kontrolliert, publizieren wir dieses Ergebnis. Dann können auf der Basis unserer Forschungsergebnisse zu dem spezifischen Protein neue Wirkstoffe oder Medikamente entwickelt werden.“
Angiogenese – Schlüssel zu Herzerkrankungen und Tumorbildung
„Angiogenese – die Gefäßneubildung durch Aussprossung von Endothelzellen aus bestehenden Blutgefäßen – ist ein Prozess von größter physiologischer Bedeutung!
Sie findet im Rahmen der Entwicklung eines Organismus und bei Heilungsprozessen nach Verletzungen statt. Sowohl eine zu geringe Angiogenese, als auch eine zu starke Gefäßneubildung spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Krankheiten.
Die Gefäßfunktion regelt unter anderem den Blutdruck. Eine Störung – also eine endotheliale Dysfunktion – führt oft zu vaskulären Erkrankungen wie Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Arteriosklerose.“
Bei Arteriosklerose kommt es durch die Verengung der Gefäße zu Sauerstoffmangel in verschiedenen Geweben des Körpers. Letztendlich drohen Herzinfarkt, Schlaganfall, Belastungsschmerzen wie Angina Pectoris oder Gehschmerzen durch einen arteriellen Verschluss am Bein.
Durch eine Steigerung der Angiogenese könnte die Sauerstoffversorgung im Zielgewebe wieder erhöht werden – die unmittelbare Gefahr wäre gebannt!
„Auf der anderen Seite ist die Angiogenese ein wichtiger permissiver (=durchlässiger) Faktor für Erkrankungen mit überschießender Zellneubildung. Dazu gehören etwa Tumorerkrankungen oder die Erblindung Retinopathie. In beiden Fällen kommt es aufgrund einer mangelnden Sauerstoffversorgung im Gewebe zur übersteigerten Gefäßneubildung. Diese verbessert die Ernährung des Tumors und ermöglicht darüber Tumorwachstum und Metastasenbildung. Und im Auge des Diabetikers werden Gefäße mit zu schwachen Wänden gebildet, die später platzen und schließlich zur Erblindung führen können. Darum wird seit Jahren intensiv an Therapien gearbeitet, die Angiogenese zu verstärken – z. B. bei KHK und diabetischem Fuß – bzw. zu hemmen – z. B. bei Tumorerkrankungen.
Diese Befunde belegen eindrucksvoll, dass die Angiogenese ein therapeutisches Ziel größter Wichtigkeit ist für eine Vielzahl an häufigen und medizinisch ausgesprochen bedeutsamen Erkrankungen.“
(Ein herzliches Dankeschön an Herrn Dr. Fork für das Interview direkt aus dem Herzen des Exzellenzclusters. Vor allem für seine geduldigen Erklärungen, was Epigenetik mit Angiogenese zu tun hat.
Dieses Interview ist schon 2017 entstanden, als ich am FB Medizin der Goethe-Universität den Fach-Blog “puls.” für die Medizinstudierenden und andere Fachbereichsmitglieder schrieb. Der Blog wurde eingestellt, die Texte sind auf meine domain meertext.puls umgezogen.)
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