7. März, o2:49 Uhr MEZ. Auf dem europäischen Raketenbahnhof in Kourou/Französisch-Guayana laufen die letzten 10 Sekunden des Countdowns: Dix – neuf – huit – sept – six – cinq – quatre – trois – deux – un –  Décollage.
Dann röhrt die VEGA-Trägerrakete los und trägt den Satelliten Sentinel 2B mit einem Flammenschweif in den Himmel.

Hier der Liftoff von Sentinel 2B:

Sentinel 2A und B – Zwillinge im Dienst der Erde

Sentinel 2B ist der Zwilling von Sentinel 2A, der schon seit dem 23. Juni 2015 seine Bahnen zieht. Die beiden Sentinel-2-Raumgefährte tragen als einzige Payload je ein Multi-Spectral Instrument (MSI). Ihre optische Datenerfassung erfolgt auf 13 Spektralbändern im sichtbaren, nahen und kurzwelligen Bereich. Vom sichtbaren Blau  (440 Nanometer) bis zum langwelligen Infrarot (2190 Nanometer), mit einer Pixelauflösung von bis zu zehn Metern. „Drei Spektralkanäle davon sind primär für eine Atmosphärenkorrektur von Wolken-, Wasserdampf- und Aerosol-Einfluss ausgelegt und liefern Daten mit 60 m großen Pixeln.“

Das Hightech-Instrument liefert kontinuierlich Aufnahmen in einem 290 km breiten Abtaststreifen  – deutlich mehr als bei Landsat (185 Kilometer) oder SPOT (120 Kilometer). Die Kombination aus hochauflösenden Spektralkanälen, einem gigantischen Sichtfeld und einer regelmäßigen weltweiten Abdeckung alle  zehn (Sentinel-2A) beziehungsweise fünf Tage (Sentinel-2A/B) ermöglicht neue Anwendungsperspektiven für Landoberflächen und Vegetation. Nach seiner Inbetriebnahme ist Sentinel-2 die modernste Umweltmission für Daten im optischen und nahen Infrarotbereich.“
Jede Kamera erfasst systematisch einen Streifen von 290 km Breite zwischen 56° Süd (Isla Hornos, Kap Horn) bis zu 84° Nord, nördlich von Grönland.

Die Sentinel  2-Zwillinge liefern die Farben der Erde in hoher Auflösung und exzellenter Farbabstufung. Damit geben sie Antworten auf Fragen wie …

Welche Grünnuancen hat die Pflanzenbedeckung – wie geht es den Bäumen im Wald? Bekommen die Pflanzen auf einem Feld überall genügend Wasser und Nährstoffe? Wie viel Chlorophyll produzieren sie? Steht eine Algenblüte im überdüngten Küstengewässer an? Oder bedroht gar eine Giftalgenblüte (Red Tide) die Fischzuchten? Wie ist der Stand der Ernte? Droht vielleicht eine Hungersnot?
Welche Strukturen sind aus der Luft in abgelegenen Wüstengebieten zu sehen? Wo liegen noch unentdeckte archäologische Stätten? Hat sich ein Berghang bewegt? Drohen Erdrutsche? Über welche Wege können in einem Erdbebengebiet die Rettungskräfte eine abgelegene Gebirgsregion erreichen?
Wie ist der Füllstand der Binnengewässer? Wie groß sind die Seen, wie viel Wasser führt ein Fluss? Führen temporäre Gewässer Wasser? Wie steht es um die Wasserversorgung einer Region? Droht eine Trockenheit? Wie viele Swimming-Pools gibt es in einer Stadt?
Welche Farbe haben Flussdeltas und Küstengewässer? Hat ein Schiff verbotenerweise Öl abgelassen? Wie hoch ist die Last des Flusses an Nährstoffen? Wie viel Sediment sammelt sich im Flussdelta an?

…und noch viel mehr.

Mein Hauptinteresse lag natürlich mal wieder auf den Wasser-Themen.

Sentinel 2A und Bs Fokus liegt zwar auf dem Land, erfasst dabei auch

  • Inseln, die größer als 100 km2   sind
  • Inseln der Europäischen Union
  • alle anderen Inseln bis zu 20 km vor der Küste
  • das Mittelmeer
  • alle Binnenland-Wasserkörper
  • alle Binnen-Seen.

Auch wenn für die Überwachung der Meere vor allem Sentinel 3 zuständig ist, ergänzt Sentinel 2 diese Daten mit besonders hoch aufgelösten Bildern im Küstenbereich. Mehrere Wissenschaftler aus unterschiedlichen Projekten haben mir heute Nacht erklärt, wie wertvoll die kombinierten Datenströme aus den verschiedenen Satelliten sind. Auch wenn natürlich bereits vorher ähnliche Daten messbar waren, war die Präzision und Abdeckung immer deutlich geringer. Das hat die Bedeutung dieses großen und umfassenden Satellitennetzwerks noch einmal klar unterstrichen.

Zum Kalibrieren der Farbspektren der Bilder, als Kalibrierungs-Ort (calibration site) dient übrigens Dome C, eine Forschungsstation auf dem Hochplateau im Wilkesland, Ostantarktis. Dome C liegt 3233 Meter über dem Meeresspiegel hoch auf 123° östlicher Länge und 75°06′ südlicher Breite und ist ein Gemeinschaftsprojekt der französischen und italienischen Antarktisforschung. An diesem Ort sind Dauerfrost – und schnee garantiert, es gibt keine störende Vegetation oder jahreszeitlichen Wechsel. Einfach nur Eis in blendendem Weiß. Ideal zum Farbabgleich.

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Kommentare (4)

  1. #1 hubert taber
    7. März 2017

    pardon.
    IR (2190 nm) ist längerwelliger als blau.

    ein scharfes auge kann nicht schaden.
    da ich mit meinen 12 dioptrien eine leicht sehschwäche habe.
    mfg.

  2. #2 Bettina Wurche
    7. März 2017

    @hubert taber: yep, danke.

  3. #3 Laie
    7. März 2017

    Danke für den schönen Artikel!
    Ergänzend dazu hatte uns Envisat von 2002 bis 2012 auch schöne Umweltdaten geliefert, im Ausmaß von 280 GB pro tag. Leider fiel er ab April 2012 aus.

    Aus Wikipedia zu Envisat:
    An Bord befinden sich zehn hochentwickelte Instrumente zur Erdbeobachtung. Sie konnten die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, die Temperatur der Ozeane, Wellenhöhen und -richtungen, Windgeschwindigkeiten, Wachstumsphasen von Pflanzen messen und Waldbrände und Umweltverschmutzung aufspüren.

  4. #4 Draalo
    8. März 2017

    Beide Videos stehen auf autoplay.