Bildergebnis für hagfish korea

Obviously not just another pretty face, the hagfish — also known as the slime eel (Seattle Times)

Südkorea ist eines der wenigen Länder der Welt, in denen Schleimaale heute als Delikatesse gelten.
Das Verzehren dieser Meerestiere geht auf die japanische Besatzungszeit zwischen 1910 und 1945 zurück. Die japanischen Besatzer fingen Schleimaale, um ihre Häute zu Schuhleder zu verarbeiten, das Fleisch warfen sie fort. Die koreanische Bevölkerung kam dann auf den Geschmack. Das Leder ist bis heute für Gürtel, Portemonnaies und andere Lederwaren im Handel unter dem Namen Hagfish-Leather oder Eel-Leather verbreitet.

Übrigens: In Europa war es in früheren Zeiten auch ganz üblich, Neunaugen zu essen. In Deutschland ist das heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Neunaugen-Pastete soll eine Delikatesse sein.
In den späten 80-er Jahren hatten die Koreaner und Japaner ihre Schleimaal-Bestände überfischt und suchten nach neuen ausbeutbaren Beständen. Das passte den nordamerikanischen Fischern sowohl der Ost- als auch der Westküste ausgezeichnet, waren doch ihre traditionellen Fischbestände ebenfalls überfischt und streng geschützt, mit geringen Fangquoten. So fischten die nordamerikanischen Fischer „down the food-chain“ und fingen vor allem Schleimaale und Dornhaie. In Neu-England sind die Schleimaal-Bestände bereits um das Jahr 2000 kollabiert. Fischerei-Wissenschaftler befürchten, dass auch weitere atlantische und pazifische amerikanische Schleimaal-Bestände zusammenbrechen könnten.

Auch die Bedeutung der Inger im marinen Ökosystem ist wenig erforscht. Fest steht, dass sie eine essentielle Rolle beim Abbau toter Tiere spielen. Das Liegenbleiben zu viele Kadaver am Meeresboden bedeutet einen starken Nährstoffeintrag, der wiederum zu Sauerstoffzehrung führen kann. Solche anoxischen Verhältnisse würden schwer wiegende Veränderungen in der Chemie und Biologie des Meeresbodens hervorrufen und können Ökosysteme sogar „kippen“ lassen.
Die Schleimaal-Fischerei bedeutet auch einen starken mechanischen Eingriff in das Ökosystem des Meeresbodens. Um die Tiere aus dem Sediment zu bekommen, wird das Sediment mit seiner vielfältigen Fauna regelrecht umgegraben. Aus der Fischerei auf Flunder und andere im Boden lebenden Fische wissen wir, dass die empfindlichen, oft sessilen Benthos-Gemeinschaften durch ein derartiges Umgraben schwer geschädigt, stellenweise zerstört werden. Schließlich können sie nicht einfach davonschwimmen oder –laufen.
Ein starker Rückgang der Schleimaale bedeutet auch, dass Seelöwen und andere Meeressäuger eine wichtige Nahrungsressource verlieren – sie stören sich nicht an dem Schleim und nehmen die Inger gern als nahrhafte Snacks.

Auch wenn zurzeit niemand genau sagen, wann der Schleimaal-Bestand gefährdet ist und welche ökologischen Folgen das haben wird, dürfen wir aus der Erfahrung anderer Überfischungs-Beispiele annehmen, dass es für die marinen Nahrungsnetze keine guten Folgen zu erwarten sind.
Als erste Reaktion haben einige US-Bundesstaaten begonnen, die bisher völlig unregulierte Schleimaal-Fischerei genauer in Augenschein zu nehmen und Monitorings zu initiieren, wie etwa Oregon. Sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.

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Kommentare (16)

  1. #1 RPGNo1
    24. Juli 2017

    Ihr wichtigstes Mundwerkzeug ist die Raspelzunge, eine zweiklappige, mit hornigen Zähnen besetzte Knorpelplatte.

    Warum nur erinnert mich das Foto an einen gewissen SciFi-Horrorfilm von Ridley Scott?

    Bashford Dean, ein Experte für mittelalterliche Rüstungen, der gleichzeitig auch Fische erforschte

    Also, das ist mal eine Kombination.

    Gerade in der derzeitigen Diskussion um die Plastikflut in den Meeren wären solche multifunktionalen Gewebe, die keine schädlichen Mikroplastik-Fasern produzieren, eine echte Innovation für den Umweltschutz.

    Ich drücke die Daumen, dass die weitere Erforschung Erfolg hat.

    Zum Abschluss: He slimed me! 🙂

  2. #2 meregalli
    24. Juli 2017

    -Erstmals konnte ich gleich am Anfang des Beitrages wählen, ob ich alles auf einer Seite lesen will und nicht erst am Ende der ersten Seite: Danke
    -Wachgerufen wurden bei mir Erinnerungen aus der Blechtrommel:

  3. #3 Bettina Wurche
    24. Juli 2017

    @RPGNo1: Gerade wegen dieser Faktenlage fand ich die 08/15-Presseartikel so überaus enttäuschend, da wäre mehr drin gewesen : )
    Zur Forschung an nachhaltigen Materialien: Ich habe leider den Eindruck, dass das bißchen Forshung eher in Richtung Feigenblatt geht. Ich bon völlig sicher, dass es Alternativen zu Plastik geben kann. Und die brauchen wir ganz dringend, denn im Meer läuft eine Katastrophe ab, die viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.

  4. #4 rolak
    24. Juli 2017

    Mir reichte ‘damals’ der Name als umfassende Beschreibung völlig aus, nur wirklich ganz ganz kurz gewikit…

    Ein schöner Aufhänger

    Allemal. Steilvorlage gut verwandelt, Bettina, inkluding Mahnruf.
    Obgleich, ‘189 erschienen’, scheint ein bißchen zu früh datiert.

  5. #5 Bettina Wurche
    24. Juli 2017

    @rolak: 🙂

  6. #6 Bettina Wurche
    24. Juli 2017

    @meregalli: Danke für den Blechtrommel-Ausschnitt. Das sind allerdings Aale : ) Es sieht mir nach Ostseestrand aus, ich glaube, in der Ostsee gibt es gar keine Inger, nur Neunaugen. Der Film ist traumhaft schön inszeniert, sehr gemäldeartig. Ich habe ihn nie geschaut, weil mir die Lektüre des Buches eigentlich gereicht hat.

  7. #7 meregalli
    24. Juli 2017

    @Bettina
    ” Oft flutschen sie durch Körperöffnungen wie Mund oder After in den toten Körper oder winden sich durch von anderen Beutegreifern hinterlassene Öffnungen hindurch. ”
    Ich weiß schon, dass Schleimaale keine Aale sind. Aber dein Text könnte Drehbuch für die Filmszene sein.

  8. #8 Roland B.
    24. Juli 2017

    Zu #4: Die Blechtrommel spielt anfangs in Danzig, also eindeutig Ostsee (wo der Film dann tatsächlich gedreht wurde, weiß ich allerdings nicht, es ist eine deutsch-französische Produktion von 1979).

  9. #9 Bettina Wurche
    25. Juli 2017

    @meregalli: Ja, die Lebensweise und der Körperbau sind schon sehr ähnlich.

  10. #10 Bettina Wurche
    25. Juli 2017

    @Roland B.: An genau diesen Küstenabschnitt fühlte ich mich erinnert. Die deutsche Ostseeküste hinter Stralsund und die polnische Küste. Das passte ziemlich genau von der Geomorphologie her.

  11. #11 RPGNo1
    25. Juli 2017

    Die Inger werden zusammen mit den Neunaugen auch kurz in Dawkins’ Buch “Geschichten vom Ursprung des Lebens” in Begegnung 22 vorgestellt.
    https://en.wikipedia.org/wiki/The_Ancestor%27s_Tale

  12. #12 Alisier
    25. Juli 2017

    Toller Post! Vielen Dank.
    Und ich dachte sofort an Neunaugen, deren Raspelzahnmund man auch nicht vergisst, wenn man ihn einmal gesehen hat.
    Der Export von europäischen Glasaalen war (ist?) auch so ein fragwürdiges Unterfangen…..
    Wie stehts eigentlich um die Bestandsentwicklung von Anguilla anguilla? Scheint sich ja wohl auf niedrigem Niveau stabilisiert zu haben.

  13. #13 Bettina Wurche
    25. Juli 2017

    @Alisier: Danke. Ja, die Neunaugen sind ganz nah an den Ingern ´dran. Export europäischer Glasaale wohin? Ich dahte, die würden schon in Spanien größtenteil aufgefressen? Neben der Überfischung der Glasaale plagt den Europäischen Aal auch noch ein Schwimmblasenparasit, um die Zukunft des Aal-Bestands steht es nicht gut
    https://scienceblogs.de/meertext/2015/01/29/aal-probleme-der-trojanische-parasit/

  14. #14 Alisier
    28. Juli 2017

    Die Exporte der Glasaale nach Asien war zeitweise das große Thema. Auch nachdem dem ein Riegel vorgeschoben wurde, werden nach wie vor sehr große Mengen insbesondere nach China geschmuggelt: es geht um 100-150 Millionen Glasaale im Jahr.
    Und der Parasit ist freilich ein Problem, aber es gibt so viele Faktoren für den Zusammenbruch des Bestandes, dass keiner so richtig weiß, wo man ansetzen soll.
    Ich sehe aber bei den Spezialisten leichte Hoffnung aufkeimen, dass es wieder besser werden könnte.

  15. #15 Alisier
    28. Juli 2017

    Nachtrag: es gibt genug Spezialitätenrestaurants in den Motropolen Chinas, wo man Glasaale zu horrenden Preisen essen kann. Eigene Erfahrung, auch wenn ich natürlich nie zugegriffen habe.