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GrosseFragenLogoDie Frage nach der Herkunft des Lebens ist eine der ganz großen Fragen der Biologie. Sie ist Diskussionspunkt sowhl in der Evolution – und zwar der allerfrühesten Phase der Evolution, schätzungsweise um 3,5 bis 3 Milliarden Jahre vor unserer Zeit – und der Astrobiologie/Exobiologie.

Eines der grundsätzlichen Probleme dabei ist, dass die Definition von “Leben” nicht einfach ist.

Hier ist eine Auswahl von Definitionen:

“Life is defined as a material system that can acquire, store, process und use information to organize its activities.” Der Astrophysiker Freeman Dyson zielt damit auf die Bewahrung und Weitergabe von Information ab. (Freeman Dyson ist der Erdenker der Dyson-Sphäre, beschäftigt sich also mit groß angelegten theoretischen Gedankengebäuden).

“Life is defined as a system of nucleic acid and protein polymerases with a constant supply of monomers, energy and protection.” Victor Kunin fokussiert auf die Nukleinsäuren, die die Erbinformation beinhalten und den Energieumsatz.

“Life is defined as a system capable of 1. self-organization, 2. self-replication, 3. evolution through mutation, 4. metabolism and 5. concentrative encapsulation.” Gustav Arrhenius beschreibt Leben am umfassendsten mit den Prozessen, die aus biologischer Sicht Leben ausmachen.

“Life is simply a particular state of organized instability” Remy Hennet zielt mit seiner Definition auf den thermodynamischen Aspekt von Leben ab.

Grundsätzlich besteht Lebens aus chemischen Verbindungen, die sich zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr einfach wie chemische Verbindungen verhalten. Dann wird aus Chemie Biologie. Wie, warum und unter welchen Umständen ganz genau aus chemischen Verbindungen auf einmal Lebensformen werden, ist bisher nicht ganz geklärt.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Kein Naturwissenschaftler zweifelt daran, DASS Leben sich aus chemischen Verbindungen entwickelt hat, die der Evolution unterliegen. Nur beim WIE sind noch viele Fragen nicht vollständig beantwortet.

Addy Pross beschäftigt sich in seinem Buch “What is Life? How chemistry becomes biology” mit dieser Grauzone, daraus stammen auch die o. g. Definitionen für Leben. Einen wichtigen Punkt lassen die meisten Definitionen von “Leben” bisher außer Acht, meint Pross und zitiert zwei Kollegen:
Carol Cleland und Christofer Chyba haben den Kern des Probems damit beschrieben, dass wir versuchen, “Leben” zu definieren, bevor wir verstanden haben, was “Leben” ist. Wir bräuchten also erst einmal eine Theorie von Leben.
Diese Frage habe ich noch nicht befriedigend beantworten können.

Pross stellt noch einige grundsätzliche Merkmale heraus, die biologische Prozesse von chemischen Prozessen unterscheiden:
Chemische Reaktionen unterliegen dem 2. Hauptsazu der Thermodynamik: Weniger stabile chemische Verbindungen  haben die Tendenz, sich in  stabilere Verbindungen zu verlagern. Dabei wird i. d. R. Energie frei. Unsere Atemkette verläuft  nach diesem Muster. Reaktionen verlaufen also nach entlang eines energetischen Gefälles.
Obwohl all diese Reaktionen entlang des energetischen Gefälles in einem Lebewesen unentwegt ablaufen, ist das Lebewesen als Ganzes über einen begrnezten Zeitraum hinweg stabil. Populationen von Lebewesen sind über lange Zeiträume hinweg stabil, allerdings unterliegen sie dabei evolutiven Veränderungen.

Meine persönliche Lieblingsdefinition ist die sehr rudimentäre Aussage: Leben besteht aus chemischen Verbindungen, die in der Lage sind, ihre molekularen Informationen zu transferieren (Fortpflanzung) und sich weiterzuentwickeln (Evolution).

 

Kommentare (15)

  1. #1 rolak
    17. Oktober 2017

    persönliche Lieblingsdefinition

    Klingt ausnehmend gut – und wird daher geräubert werden. Schärfer formuliert als meine bisherige…

  2. #2 meregalli
    17. Oktober 2017

    2. Hauptsatz der Biofundamentologie:
    Gäbe es kein intelligentes Leben, könnte “Leben” nicht definiert werden!

  3. #3 Gerhard
    Deutschland
    18. Oktober 2017

    Ein wirklich mächtige Frage.

    Schon vor vielleicht 20, 30 Jahren hörte ich im TV die Aussage, daß sich Leben notwendigerweise entwickeln musste, so wie die Dinge nun mal waren.
    Ich verstand das für mich als blutigster Laie so, daß die besondere Zusammensetzung der Chemie im Weltall /auf Der Erde gar keine andere Entwicklung zulies.
    Ich phantastierte für mich damals von einer innewohnenden Intelligenz der Materie.

    Jetzt wo ich geringfügig besser eingelesen bin, sehe ich das als ein rein chemisches Problem – so ungefähr: Zutaten stimmen, Bedingungen auch: Es kann losgehen.

    Was für mich spannender ist als der Beginn: Wieso wurde das alles komplexer, wieso wurde etwa irgendwann der Sex erfunden? Schon allein die Zellorganisation mit Einverleibungen von Bakterien zur Energiegewinnung – man fragt sich wirklich: Gab es da eine innere Notwendigkeit, diesen fortschreitenden Weg zu gehen?.
    Ich glaube sehr an die Evolution, doch ist alles komplex und irgendwie Magie.

  4. #4 anderer Michael
    19. Oktober 2017

    “Dyson” kannte ich bislang nur als innovativen beutellosen Staubsauger ( persönlich fand ich diesen Staubsauger in erster Linie teuer und wenig aufregend).
    Warum Leben existiert, werden Menschen nie verstehen und erklären

  5. #5 RPGNo1
    19. Oktober 2017

    @Gerhard
    Wenn du mit Sex die geschlechtliche Fortpflanzung meinst, dann gibt es dazu bereits eine Erklärung:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gamet
    https://de.wikipedia.org/wiki/Geschlechtliche_Fortpflanzung

  6. #6 Dampier
    19. Oktober 2017

    In den kommenden Stunden versuche ich darauf mit (…) der Planetenforscherin Ludmila Carone und der Zoologin Bettina Wurche Antworten zu finden. Ich freue mich, dass die SciLogs-Bloggerinnen die Herausforderung angenommen haben.

    Was ich nicht verstehe: es werden lauter Blogger/innen von scienceblogs.de eingeladen, das wird aber bei Zeit online nie erwähnt, sondern es wird immer so getan, als wäret ihr alle SciLogs-Blogger/innen.

    Mir ist die Plattform eher egal aber ich finde es einfach merkwürdig und habe das Gefühl, ihr werdet da vereinnahmt.

    Selbst ein Link von dir in dem Chat wird als SciLogs-Link bezeichnet, geht aber zu deinem Blog hier auf scienceblogs.
    WTF??

  7. #7 Bettina Wurche
    19. Oktober 2017

    @Dampier: Ja, es war zum Jubiläum der SciLogs eine gemischte Veranstaltung aus SciLogs und ScienceBlogs. Ich bin von Spektrum (SciLogs) dazu eingeladen worden und fühle mich dadurch wirklich geehrt. Dort ist klar, dass ich für ScienceBlogs blogge. Vielleicht ist es bei ZeitOnline nicht so bekannt gewesen. Für mich persönlich ist es kein Problem.
    Da ich in letzter Zeit ohnehin ab und an mal für Spektrum geschrieben habe, stört es mich nicht so sehr.
    Dieser Chat war für mich ein Novum und ich habe anfangs ganz schöne Anlaufschwierigkeiten bei der Bewältigung der Technik und war auch super aufgeregt, wie wir das inhaltlich hinbekommen würden. Es waren harte 4 Stunden, weil wir live den Chat geschrieben, nebenbei in einem Workspace die Regieanweisungen besprochen haben und ich dann noch “nebenbei” meertext im Auge behalten und etwas getwittert habe. Für die Moderatorin Alina war es sicherlich noch härter, die musste den thematischen und zeitlichen Überblick behalten, Überleitungen u Einleitungen schreiben, den Textfluß glätten etc. Anstrengend wird es immer dadurch, das wir alle in dieser Konstellation so noch nicht zusammengearbeitet hatten.
    Insofern lege ich solche Sachen wie die falsche Zuordnung jetzt nicht auf die Goldwaage.
    Es war einfach ein neues und komplexes Format, dass mir nach längerer Blog-Abstinenz einen furiosen Wiedereinstieg mit meertext ermöglicht hat.
    Danke für Deine Frage, jetzt konnte ich diesen Teil der Geschichte auch mal loswerden : )

  8. #8 Bettina Wurche
    19. Oktober 2017

    @Gerhard: Die Entwicklung der sexuellen Fortpflanzung ist wichtig, weil so nicht fitte Mutationen und Degeneration desr Gene besser eliminiert werden können.
    https://www.scinexx.de/wissen-aktuell-4370-2006-03-02.html
    Die genannten Wiki-Artikel sind gut.
    Unbenommen gibt es vor allem unter besonderen Umweltbedingungen asexuelle Fortpflanzung. Daneben existiert auch ein Generationswechsel, in dem sich sexuelle und asexuelle Fortpflanzung abwechseln (z. B. bei Medusen).

  9. #9 Bettina Wurche
    19. Oktober 2017

    @Gerhard: Der biologischen Evolution voraus geht die chmemische Evolution. Und in deren Übergangsfeld sind noch viele Fragen völlig offen. Z. B. warum sich manche Verbindungen bevorzugt bilden. Über die äußeren Bedingungen wissen wir auch noch zu wenig. Lars Fischer hatte kürzlich auf der Starkenburg-Sternwarte zu genau diesen ungeklärten Fragen einen Vortrag gehalten, er ist ja Chemiker. Und er hatte dabei fokussiert auf das, was wir noch nicht wissen.
    Außerdem hatte ich letztes Jahr das Buch “What is life” von Addy Pross gefunden, das genau diesen Übergangsbereich sehr kritisch hinterfragt.
    https://www.amazon.de/What-Life-Chemistry-Becomes-Landmark/dp/0198784791
    Der Ablauf von den chemischen Voraussetzung bis zur Entwicklung des Lebens scheint nicht ganz so zwangsläufig zu sein.

  10. #10 Alderamin
    20. Oktober 2017

    @Bettina

    Habe den Zeit-Blog hinterher gelesen, auf Deinen Hinweis hin. Sehr interessant, vielen Dank für Deine Beteiligung daran und den Link. Wie auch die anderen Blogthemen. Den Bewusstseins-Blog finde ich auch ungemein spannend.

  11. #11 Gerhard
    20. Oktober 2017

    @Bettina, RPGNo1 : Vielen Dank für Eure Antworten.
    Mir ging es um das Wie des Wechsels hin zu geschlechtl. Fortpflanzung.
    Vielleicht finde ich in Euren angeführten Links etwas mehr dazu.

  12. #12 Bettina Wurche
    22. Oktober 2017

    @Alderamin: Danke : )

  13. #13 Bettina Wurche
    22. Oktober 2017

    @Gerhard: Danke : )

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