Sea angels (Wikipedia)

Durchsichtig-opalisierend schimmernde Kreaturen fliegen mit eleganten Flügeln durch die Schwärze des Ozeans. Die durchsichtigen Flügelchen bewegen sich langsam, dabei windet sich auch der ganze Leib. Ihr ebenfalls fast transparenter Kopf trägt zwei kleine Hörnchen, die eher an eine Teufelchen, als an ein Engelchen erinnern.

Flügelschnecken!
Meeresschnecken, die auf den Schutz ihrer Außenschale verzichten und sich stattdessen, wie so viele Meeresschnecken für die Leichtigkeit der Fortbewegung im freien Ozean entschieden haben. Flügelschnecken sind sehr klein, sie gehören zum Plankton.
Ihre Flügel sind ein Teil des Fußes, also der ursprünglichen Kriechsohle der Schnecke, die sich dünn und verbreitert an den Körperseiten  befinden (Parapodien).Die allergrößten Exemplare bietet die Clione limacina, eine kapitale Clione kann bis zu 5 Zentimeter lang werden. Die meisten dieser planktischen Weichtiere bleiben aber unter 1 Zentimeter Körpergröße und sind eher Schneckchen als Schnecken.
Zugunsten der Schwimmfähigkeit – für Schnecken sind sie übrigens ziemlich schnell – ist ihre Schale nur noch winzig: ein winziger Kelch wie aus Kristall.
Ohne Versteckmöglichkeiten wie Steine oder Wasserpflanzen und mit einer winzigen, zerbrechlichen Schale, die keinen Schutz gegen Freßfeinde bietet,  verbergen sie sich in der Transparenz der Wassersäule. Allerdings produzieren sie auch noch eine chemische Abwehr: Der Antarktische See-Engel Clione antarctica produziert einen Abwehrstoff, ein erst kürzlich entdecktes Molekül namens Pteroenon.

Die Thecosomata (griech. „Schalenkörper“) habe ich während des Studiums noch als Pteropoda („Flügelfüßer“) kennengelernt, die Systematik der Schnecken unterliegt immer wieder Revisionen. Sie gehören zu den Hinterkiemerschnecken.
Im Englischen heißen sie “Sea Angels”, im Französischen “Anges de mer”, was bei ihrer Form und Fortbewegung wirklich naheliegt.
(Danke, Cara, für das Video!)

Trotz ihres engelsgleichen ätherischen Erscheinung sind sie Jäger, am liebsten fangen sie Seeschmetterlinge, ihre engen Verwandten.
Wenn eine Clione sich zum Jagen und Fressen entschliesst, durchläuft sie eine außergewöhnliche Veränderung: Am Kopf, vor der Mundöffnung, trägt die Schnecke 6 lange, hakenbesetzte Tentakel. Beim Annähern an die Beute bläst sie die Tentakel auf, bis sie fast die halbe Größe ihrer Körperlänge erreichen. Mit diesen Tentakeln fängt Clione dann die kleinere Limacina und verschlingt sie. In einer Saison kann Clione bis zu 500 Seeschmetterlinge fangen, sie legt davon Fettreserven an. Der Freßmechanismus und phantastische Bilder sind auf Aquatilis: “Angels and Butterflies of the North:A family story of deadly hunts and deep sea mystery” zu bewundern.
Sollten diese vegetarischen Meeresschnecken wie etwa Limacina nicht zur Verfügung stehen,
kann Clione bis zu einem Jahr lang hungern – sie schrumpft dann und reduziert ihren Stoffwechsel.

Sie selbst sind wiederum durch ihre Massenvorkommen in manchen Ozeanen “Walaat” – Walfutter und natürlich auch ein beliebter Snack für viele Fische und andere Meeresbewohner. Aufgrund ihrer großen Individuenzahl wird das die Schnecke nicht ausrotten.
Gefahr droht diesen Tieren nur aus Richtung der Menschen:
“Durch die global steigenden Kohlendioxidgehalte steigt auch der Säuregehalt der Meere. Schon in naher Zukunft wäre dadurch die Schalenbildung bei Limacina helicina verhindert. Mit dem Verschwinden ihrer einzigen Nahrung verliert auch Clione ihre Existenzgrundlage. Ein Aussterben beider Flügelschneckenarten würde Auswirkungen für das gesamte Nahrungsnetz haben, denn beide Arten sind wichtige Mitglieder der Nahrungskette im Polarmeer.”
Das von Menschen emittierte Kohlendioxid (CO2) erwärmt nicht nur die Atmosphäre, sondern  lässt auch die Weltmeere saurer werden; der hohe Säuregehalt löst Kalk auf, aus dem viele Tiere ihre Schalen bauen. Schnecken, Muscheln, Korallen und viele andere kalkschalenbauende Meeresbewohner werden dann sterben, ganze Gattungen und große Gruppen von Tieren werden aussterben.

Dann können wir sie immerhin noch im Heim-Aquarium züchten:

Was haben Clione-Schnecken mit der AfD zu tun?
Leider einiges.
Aus aktuellem Anlass möchte ich darauf hinweisen, dass die AfD im Bundestag nun versucht, ihre parlamentarische Arbeit aufzunehmen. Neben Pöbeleien, Beleidigt-Sein und Beleidigen gehört dazu auch die Mitarbeit bzw. sogar der Vorsitz in Fachausschüssen.
Und nun kommt der Bezug zu den Meeresengeln:
Das AfD-Wahlprogramm negiert den Klimawandel und die Ozeanversauerung. Stattdessen stellen sie fest, dass CO2 eine Gabe ist, deren Ausstoß keinesfalls reduziert werden solle und fordern weiterhin den Ausstieg aus der Energiewende. Die “IPCC und deutsche Regierung unterschlagen die positive Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung. Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus.”
Ja, CO2 ist sicherlich gut für Pflanzen. Menschen sind aber keine Pflanzen. Und die Erwärmung, die das CO2 nebenbei auch produziert, ist für viele Pflanzen auch problematisch, denn Trockenheit und hohe Temperaturen sind für Dattelpalmen sicherlich phantastisch, nicht aber für Apfelbäume.
Ich hoffe immer noch, dass viele AfD-Wähler nur aus Protest und ohne echte Hintergrundinformation diese Partei gewählt haben und vielleicht endlich mal wieder mit dem Nachdenken anfangen.
Verkürzt: Die AfD will Meeresengel töten!
Das ist fast so schlimm, wie Kätzchen zu schreddern. Oder?

Kommentare (20)

  1. #1 tomtoo
    19. Januar 2018

    @Bettina
    Ja da hat so ein AfD jünger mal an einem Incubator ein CO2 level Regler gesehen, und gelernt das CO2 wichtig und nützlich für Pflanzen ist, geradezu löblich. Gut er hat übersehen das es da auch einen Temperaturregler gibt. Und der Global halt so nicht existiert, sonder das schrauben am CO2 gehalt, leider halt auch gleichzeitig ein schrauben am Temperaturregler bedeutet. Tja, ist halt schlecht wenn die Pflänzlein jetzt zwar prima CO2 Anteil in der Luft haben, aber halt verbruzeln. Das dient dem Wachstum halt doch nicht so richtig. ; )
    Schöner Artikel, danke !

  2. #2 Bettina Wurche
    19. Januar 2018

    @tomtoo:Seufz. Es ist jedenfalls echt richtig, diese Schwachmaten aus möglichst vielen Fachausschüssen raus zu halten. Die Positionen sind echt unerträglich. Gerade wollen sie den Vorsitz im Kulturausschuß übernehmen – wenn ich da an “Entartete Kunst” und Bücherverbrennungen der Nazis denke, wird mir ganz flau. Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft sowie das Bekenntnis zur Aufklärung sind echt in Gefahr.
    Alternativ könnte man sie mit eienr Zeitmaschine in die Zeit zurück verfrachten, als die Pflanzen extrem viel CO2 zum Lutschen hatten – vielleicht geht so einem AfD-Anhänger dann kurz vor dem Griff zur Sauerstoffmaske auf, dass CO2 für O2-Atmer echt blöd ist.

  3. #3 RPGNo1
    19. Januar 2018

    Zunächst zur Schnecke:

    Im Englischen heißen sie “Sea Angels”, im Französischen “Anges de mer” […]
    Am Kopf, vor der Mundöffnung, trägt die Schnecke 6 lange, hakenbesetzte Tentakel. Beim Annähern an die Beute bläst sie die Tentakel auf, bis sie fast die halbe Größe ihrer Körperlänge erreichen. Mit diesen Tentakeln fängt Clione dann die kleinere Limacina und verschlingt sie.

    Noch nie hat das Sprichwort vom Wolfs im Schafspelz besser gepasst.

    Und nun (leider) das Thema AfD: Albrecht Glaser ist als Kandidat für das Amt des Bundestagsvizepräsidentem endgültig raus. Ebenso wurde Roman Reusch als Kandidat für den Geheimdienstausschuss abgelehnt.
    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-kandidat-albrecht-glaser-als-bundestagsvizepraesident-endgueltig-gescheitert-a-1188652.html
    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-kandidat-roman-reusch-zieht-nicht-ins-geheimdienst-gremium-a-1188600.html
    Die Reaktion der AfD darauf zeigt, dass ihnen nur an destruktivem Verhalten gelegen ist.
    Eine Sitzung des Bundestags musste am späten Donnerstagabend abgebrochen werden. Grund war ein AfD-Antrag. SPD und Grüne werfen den Rechtspopulisten Trickserei vor. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland teilte dazu mit: “Der aktuelle Hammelsprung ist die Revanche für die Nichtwahl von Roman Reusch. So lassen wir uns nicht behandeln! Das ist erst der Anfang.”
    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-erzwingt-abbruch-von-sitzung-im-bundestag-a-1188688.html

  4. #4 Dampier
    19. Januar 2018

    Is ja ‘n Ding. Gestern habe ich zum ersten Mal von Clionen gehört! (bzw. gesehen). Auf Arte lief Mare TV, über Hokkaido, da wurden die kleinen Tierchen gezeigt. Und ich dachte noch: Was für abgefahrene Viecher – das könnte ich Bettina mal als Thema vorschlagen …

    Leider bin ich grad unterwegs und habe diese & nächste Woche nur sehr eingeschränkt internet. Hab mir den Artikel abgespeichert und werde ihn heute abend offline lesen.

  5. #5 Bettina Wurche
    19. Januar 2018

    @Dampier: Lol – ja, in Japan scheinen sie regelrecht als Haustiere gehalten zu werden. Wie andere Meeresschnecken, die Seabunnies , auch. Das sind aber auch abgefahrene Viecher. Ich durfte Clione und Limacina aus Proben aus dem Roten Meer sortieren, das war phantastisch

  6. #6 Bettina Wurche
    19. Januar 2018

    @RPGNo1: Ja, das habe ich mitbekommen. Die Parteien haben auch sehr klar Glasers persönliche “Ausrutscher” als Grund genannt, ihn nicht wählen zu wollen. Er ist eben ein rassistisches Arschloch. Das Gepöbel und Gehabe der AfD muss für die anderen Politiker ziemlich übel sein und ja, es ist absolut destruktiv. Wie die Rechtspopulisten in anderen Ländern ja auch schön in ihrer Politik vorführen.
    Die Frage ist, ob und wann AfD-Wähler begreifen, was es mit dieser Partei auf sich hat und dass so einiges eben nicht mehr geht und auch absolut nicht durch Meinungsfreiheit gedeckt ist.

  7. #7 Gerhard
    19. Januar 2018

    Das mit der Zunahme der Versäuerung war mir schon anhand der Korallen bewusst.
    Unschöne Aussichten!

    Diese Tierchen bezaubern mich mit ihrem (eigenartigen) “Flügelschlag”, mit dem Vor-und Zurückschaufeln. Bettina, ich hatte das schon mal gefragt, aber gibt es einen Urahn, der sich dieser Art Fortbewegung bedient hat?

  8. #8 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    20. Januar 2018

    denn Trockenheit und hohe Temperaturen sind für Dattelpalmen sicherlich phantastisch, nicht aber für Apfelbäume.

    Das AfD-Programm in 3 Worten: Umtopfung statt Umvolkung

  9. #9 tomtoo
    20. Januar 2018

    @Bettina
    Nö ! Der wird dann sagen, es ist kein CO2 Problem, sondern nur ein Mangel an O2.
    ; )

  10. #10 rolak
    20. Januar 2018

    Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zur Schweizer Rockband siehe Plankton (Band). Zur Zeichentrickfigur Sheldon J. Plankton siehe SpongeBob Schwammkopf.

    Das bekommt man geschenkt, wenn äugleinreibend ‘plankton’ gewikit wird. Derart große Einzelwesen lagen nämlich weit jenseits der bisherigen, konkreten Denkgrenze ‘winziges Gegrissel’… Uuund wieder was gelernt, danke.
    Immerhin bei einer der drei Bedeutungen war ich auf dem Stand der Dinge ;·)

    Der Flügelschlag wirkt erstaunlich vogeengelig, wie mit EllenbogenGelenk und allem drum und dran. Daher erscheinen hier keine teuflischen Hörnchen, sondern wehende Frisuren.

    CO₂

    ..um das andere TLA zu meiden: Welche esoterische Energieform verhindert eigentlich das Vordringen des Wissens um längst bekannte Zusammenhänge in dumpfe Brägen?
    Hat ua das rhythmische Skandieren rechtester Parolen magische Wirkung?

  11. #11 Bettina Wurche
    20. Januar 2018

    @Gerhard: Solche Flossensaum-Bewegungen gibt es in verschiedenen Tiergruppen – dabei werden weiche Körperteile hydrodynamisch günstig verflacht und verbreitert, so dass sie Unterwasserflügel werden, etwa bei Mollusken oder Würmern. Aber auch Tiere mit innerem Skelett können ähnliche Flügel ausbilden, wie etwa der Rochen namens Meerengel.
    Leider werden Weichgewebe äußerst selten fossil erhalten, so dass es kaum aussagekräftige Fossilien dazu gibt. Da muss ich passen.

  12. #12 Bettina Wurche
    20. Januar 2018

    @Omnivor: Der ist gut, musste gerade herzlich darüber lachen!

  13. #13 tomtoo
    20. Januar 2018

    @rolak
    “”…Hat ua das rhythmische Skandieren rechtester Parolen magische Wirkung?…”

    Da sieht man wie effektiv so ein Mantra sein kann, um den Geist zu leeren.

    ; )

  14. #14 rolak
    20. Januar 2018

    Mantra

    Tja, da hast Du recht, tomtoo, von der Seite aus betrachtet ist es eine Binsenweisheit.

  15. #15 anderer Michael
    24. Januar 2018

    AfD + CO2 + positiver Einfluss auf Pflanzenwachstum:

    Der Fehlschluss könnte bestehen wie folgt:

    Die Photosynthese besteht aus Dunkel- und Lichtreaktion. Die bei der Lichtreaktion gebildeten Zwischenprodukte NAPDH und ATP sind die Energielieferanten für die Dunkelreaktion, bei der CO2 primär in Zucker umgewandelt wird.
    CO2 ist knapp. Deswegen haben einige Pflanzen CO2 Pumpen, um den Prozeß zu verbessern. Diese Pumpe ist energieaufwendig.

    Bei erhöhtem CO2 Gehalt der Atmosphäre werden Pflanzen ohne Pumpe genau so gut mit CO2 versorgt wie die mit Pumpe. Aber den Energieverbrauch für die Pumpe haben letztere Pflanzen trotzdem.
    D.h. , die Konkurrenzsituation für diese Pflanzen verschlechtert sich. In der Folge verändert sich das Artenspektrum , schon bevor Temperaturen drastisch ansteigen.

    P.S. das habe ich vereinfacht aus einem älterem mikrobiologischen Buch zusammengefasst, als es die AfD noch nicht gab und über Klima noch ohne Ideologie konvers diskutiert wurde. Ich hoffe , es stimmt, was ich geschrieben habe.

  16. #17 Bettina Wurche
    12. Februar 2018

    @RPGNo1: Auweia. Da ist die gesamte Blaue Flotte versammelt, über die seit mindestens 100 Jahren geschrieben wird. Und dann so was. O. k., ich stelle es wohl am besten mal schnell richtig.

  17. #18 Bettina Wurche
    12. Februar 2018

    @RPGNo1: Hab´ vielen Dank – jetzt habe ich die Monster entmystifiziert : )
    https://scienceblogs.de/meertext/2018/02/12/myterioese-kreaturen-an-australischen-straenden/

  18. #19 RPGNo1
    12. Februar 2018

    @Bettina Wurche
    Eine schnelle Reaktion. Sehr schön! 😉

  19. #20 Bettina Wurche
    12. Februar 2018

    @RPGNo1: Eigentlich hätte ich an einem Vortrag arbeiten müssen, aber die Monster konnte ich noch zwischenschieben.