„Apollo 11-Besucherzentrum! Wir wünschen einen angenehmen Aufenthalt! […] Willkommen in der Tranquility-Base.“ […] Wir […] reihten uns vor den riesigen Fenstern ein. Das Landemodul stand schon seit einem Jahrhundert dort draußen neben den Kästen, mit den Experimenten, die die Astronauten damals aufgebaut hatten.
„Warum bilden sie (die Fenster) nicht einfach einen Halbkreis oder folgen einer geraden Linie? Nun, es gibt hier eine Regel, wonach sich absolut nichts näher als zehn Meter an irgendeinem Teil des Apollo 11-Landeplatzes befinden darf. Diese Definition schließt das Landefahrzeug selbst, aber auch Geräte, Werkzeuge, die Gedenkplakette, und sogar die Fußabdrücke ein, die die Astronauten hinterlassen haben. […] Jede Apollo-Mission stellte eine amerikanische Flagge auf.“
Eine Führung auf dem Mond an der Landestelle der Apollo 11-Mission – der ersten Landung von Menschen auf dem Mond. So geschildert von Andy Weir in seinem SF-Roman „Artemis“ auf S. 115 – 117 der deutschen Ausgabe von 2017. Artemis ist die erste Stadt auf dem Mond, Weir lässt dort in der nahen Zukunft seine kleinkriminelle Heldin Jazz bei geringer Schwerkraft einige Abenteuer erleben. Es geht um den Kampf um die wirtschaftliche Vorherrschaft auf dem Mond. Die Story ist nicht sooo ungewöhnlich, der Background ist allerdings wirklich spannend. Das alltägliche Leben bei geringer Schwerkraft, EVA-Ausflüge durch die Regolith-Wüste, die Kostbarkeit knapper Ressourcen wie Nahrung, Wasser, Sauerstoff und Wohnraum im Stadt-Habitat der fünf Kuppeln und eine gewisse Düsterkeit machen „Artemis“ aus.
Das Konzept der Stadt, ihre politische Entstehung und Infrastruktur erinnern streckenweise an die Moon Village-Ideen des ESA-Direktors Jan Wörner.
Der Denkmalschutz für die Apollo-Landestelle(n) ist jedenfalls ein gerade topaktuelles Thema!
Schutz und Erhaltung der Landestellen und Artefakte der Apollo-Missionen auf dem Mond
Der Mond war das erste Ziel menschlicher Astronauten, dort wagten Menschen die ersten vorsichtigen Schritte auf einem anderen Himmelskörper. Where no man has gone before. Der Wettlauf zum Mond stachelte den Space Race zwischen den USA und der UdSSR bis zum Exzess an, immer auf dem Sprung zum nächsten Zwischenziel. Eine intensivere, finanzielle besser ausgestattete und politisch stärker forcierte Raumfahrt-Zeit hat es nie gegeben. Sicherlich auch keine wagemutigere, schließlich wusste zu dem Zeitpunkt niemand, was die Astronauten außerhalb der Erdatmosphäre oder gar auf dem Mond erwarten würde. Oder ob sie auch wirklich heil ankommen und zurückkehren würden. „The success of the Apollo missions still represent a profound human technological achievement almost 50 years later and continue to symbolize the pride of the only nation to send humans to an extraterrestrial body. […]”
Zwischen 1969 und 1972 landeten insgesamt 12 Astronauten aus 6 Apollo-Missionen auf dem Mond und stapften durch den grauen Regolith – Apollo 11, 12, 14, 15, 16 und 17.
Seitdem hat nie wieder ein Mensch diesen der Erde nächsten fremden Himmelskörper betreten. Zwischenzeitlich war der Mond geradewegs aus der Mode gekommen. Erst Jahrzehnte später ist der Erdtrabant wieder in den Fokus nun gleich mehrerer Raumfahrtagenturen geraten.
In jüngster Zeit erreicht die Welle der Privatisierung auch die Raumfahrt – 2007 hatten die USA den Google Lunar XPRIZE ausgelobt. In diesem Kontext kam die Frage der privaten Mondflug-Unternehmen auf, ob es Richtlinien im Umgang mit den Landestellen und Artefakten gäbe. Die gab es bis zu dem Zeitpunkt nicht. So stellten die US-Behörden 2010 dann ein Team für die Entwicklung solcher Richtlinien zusammen: Das Lunar Historic Site (LHS) Team. Dazu gehören NASA-Angestellte aller Fachrichtungen – Flugbetrieb, Ingenieure, Wissenschaftler, Materialkundler, Öffentlichkeitsarbeit und andere – sowie Vertreter der Denkmalpflege aus der öffentlichen Verwaltung, der Wissenschaft und Museen. Daneben befragte die NASA die privaten Raumfahrtunternehmen nach ihren Plänen.
Das LHS-Team erfasste dann in einer umfassenden Bestandsaufnahme die Spuren lunarer Aktivitäten und die lunaren Artefakte und diskutierte ihre Bedeutung und Erhaltung aus historischer und naturwissenschaftlicher Sicht: Die Überreste der Mondfähren selbst, unbenannte Mondsonden, die Flaggen, die Fußabdrücke und andere Spuren im Regolith, wissenschaftliche Experimente und Geräte, persönliche Ausrüstungsgegenstände und viele andere Hinterlassenschaften.
Als besonders bedeutsam stellte die Arbeitsgruppe die Landestellen von Apollo 11 und 17 heraus, der ersten und letzten Mondlandung.
Im Dezember 2017 unterzeichnete der derzeit regierende POTUS die White House Space Policy Directive 1 – unter der Führung der USA soll mit privaten Investoren ein Programm aufgelegt werden, um wieder Menschen zum Mond zu bringen, „[…] to bring back to earth new knowledge and opportunities.“
Nun, im März 2018, hat The White House Office of Science and Technology Policy (OSTP) einen neuen Bericht dazu publiziert: Protecting & Preserving Apollo Program Lunar Landing Sites & Artifacts.
Wissenschaftliche Bedeutung der lunaren Stätten und Artefakte
Die historische Bedeutung der lunaren Stätten und Artefakte steht außer Frage. Die Raumfahrt mit ihren komplexen technologischen und logistischen Abläufen in großen, internationalen Arbeitsgruppen mit ihrer ausgeklügelten Kommunikation und Interaktion ist zweifelsohne eine außergewöhnliche kulturelle Leistung der Menschen.
Daneben haben diese Hinterlassenschaften auch noch genauso große naturwissenschaftliche Bedeutung: Die zurückgelassenen Spuren, Vehikel und Gegenstände aus verschiedenen Materialien sind das beste Langzeitexperiment, wie das Mondklima sich auf diese Materialien auswirkt: „Three Apollo sites remain scientifically active and all the landing sites provide the opportunity to learn about the changes associated with long-term exposure of human-created systems in the harsh lunar environment. These sites offer rich opportunities for biological, physical and material sciences.”
Es geht um ein einzigartiges Langzeit-Experiment außerhalb der Erde – der Mond hat keine Atmosphäre, weniger Schwerkraft, kein Klima mit wechselhafter Witterung wie Regen, Wind und Eis. Stattdessen gibt es Regolith, dessen kantige, nicht rund geschliffene Körner vollständig andere Materialeigenschaften und abrasive Wirkung haben als irdischer Sand. Extreme Temperaturgänge zwischen 130 (Tagseite) und – 160 (Nachtseite) ° C. Keine Atmosphäre filtert und mildert die Sonnenstrahlen, so dass ungehemmtes Licht aller Spektren das menschengemachte Material ausbleichen und zermürben kann.
Auf dem Mond liegen irdische Materialien und Verbundstoffe, die in den 60-er und 70-er Jahren topaktuell waren, teils extra für den Mondflug entwickelt – Metalle, Gummi, Nylon, Farben. Welche Metalle, welche Kunststoffe, welche Verbundstoffe haben sich bewährt? Wie haben sich Temperaturunterschiede, Strahlung und Meteoritenbeschuss auf die Alterung und den Zerfall der Stoffe ausgewirkt?
Dieses Life-Experiment enthält wirklich wertvolle Erkenntnisse nicht nur für die Raumfahrt, allein deswegen sollten die Areale unbedingt geschützt werden.
Das nächste Raumschiff, bemannt oder unbemannt, könnte zu dicht an den Landestellen landen und so Regolith aufwirbeln, der die Spuren zerstört oder Artefakte abschmirgelt. Welche weiteren Auswirkungen wären möglich und wie kann einen Impact möglichst vermeiden? Darüber gilt es noch intensiv zu diskutieren.
NASA-Empfehlungen, freiwillige Selbstverpflichtungen und Weltraumrecht
Das Weltraumrecht bietet bereits einige internationale juristische Vorgaben für den Schutz lunarer Stätten und Artefakte. Mehrere Artikel des Outer Space Treaty (OST) von 1967 ergeben die Grundlage für die Verpflichtung eines Staates, sowohl die eigenen (staatlichen) Aktivitäten als auch die Aktivitäten privater Akteure zu kontrollieren.
Das NASA-Team hatte auf der Basis einer Bestandsaufnahme einen Katalog von Empfehlungen an raumfahrende Institutionen erarbeitet und 2011 veröffentlicht: „NASA Recommendations to Space-Faring entities: How to protect and preserve the historic and scientific value of U.S. Government Lunar Artifacts“. Eine unverbindliche Interims-Empfehlung als Überbrückung bis zur Erarbeitung einer detaillierten, möglicherweise sogar multilateralen Empfehlung.
Die US-amerikanischen Firmen Moon Express und Astrobiotic sowie das deutsche Unternehmen PTScientists hatten bereits signalisiert, dass sie sich an diese NASA-Richtlinie halten werden.
Die Mondlandestelle – ein extraterritoriales Nationalheiligtum der USA?
Dieser Vorstoß zum Schutz der Mondlandstellen ist sicherlich eine wichtige und richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt.
2010/2011 von Obama in die Wege geleitet, hat Trump nun im Dezember 2017 mit seiner Unterzeichnung der White House Space Policy Directive 1 einen entscheidenden weiteren Schritt gemacht.
Dass ausgerechnet Trump den lunaren Denkmalschutz vorantreibt, ist schon etwas verwunderlich. Schließlich hat doch gerade die Trump-Clique dafür gesorgt, das Erbe der Nation, nämlich die zahlreichen Nationalparks mit ihren vielfältigen und kostbaren Natur- und Kulturerbestätten zu zerstören, ihr öffentliches Land an private Interessenten zu verkaufen und den Schutzstatus zu lockern, um die Ausbeutung dieser Ländereien zu erleichtern. Jagdlizenzen und Jagdmethoden, die jeglichem Anspruch auf Hege, Pflege und Waidgerechtigkeit höhnisch ins Gesicht lachen. Ob es um die Bärenjagd per Helikopter oder die Vergasung von Wolfsjungen im Bau geht. Die Aufhebung von schützenden Gesetzen und Verordnungen, um selbst in empfindlichen arktischen Regionen mehr Bohrlizenzen zu erteilen.
Stattdessen soll nun also die Apollo-Landestelle geschützt und erhalten werden.
Ganz klar geht es wieder nicht um Wissenschaft. Ich persönlich frage mich dabei schon, was die treibenden Kräfte hinter diesem Projekt dem derzeit regierenden Präsidenten versprochen haben mögen. Ein Hotel-Monopol für den Mond? Einen florierenden H 3-Abbau als Lösung der irdischen Energie-Probleme? Einen Aufenthaltsort mit geringer Schwerkraft und ohne störende Intellektuelle, fern der kritischen Medien und ohne Opposition?
Wahrscheinlich ist sie für US-amerikanische Ölkonzerne und Jäger einfach unattraktiv. Was für ein Glück für den Mond.
Ein sinnvoller Schutzstatus von hohem internationalen Rang wäre ein UNESCO-Welterbe-Status, Weltnaturerbe und Weltkulturerbe gleichermaßen. Gerade für den Erdtrabanten wäre das ein sinnvoller Weg, schließlich ist der Mond bislang extraterritorial und ein UNESCO-Status wäre international verbindlich.
Ob so eine internationale Konsens-Lösung bei der derzeitigen politischen Stimmung in den USA realistisch ist? Schließlich gilt zurzeit die Maxime „America first“.
De facto sind bislang nur US-amerikanische Astronauten auf dem Mond gelandet. Die russische Raumfahrt hat ein paar wunderbare Artefakte wie den Lunochod hinterlassen. Von Roskosmos ist allerdings nichts zum Schutz ihrer Artefakte zu hören. Die Chinesen haben ihren Jadehasen gelandet, auch von dort ist nichts zu hören. Und die Europäische Raumfahrt hat bislang lediglich einen Krater produziert, Äußerungen zum Schutz dieser harten Landung gibt es zurzeit nicht.
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