1957 schoss die UdSSR den ersten Satelliten in den Orbit: Sputnik umkreiste drei Wochen lang den blauen Planeten. Damals war der Weltraum unberührt und schien unendlich, seitdem nimmt die Zahl der künstlichen Erdtrabanten immer schneller zu.
Raumfahrt ist heute Alltagsgeschäft – Wettervorhersage, Telekommunikation, Navigation aller Vehikel vom Auto bis zum Mähdrescher oder Frachtschiff und noch viel mehr machen unseren Alltag schneller, sicherer, informierter und oft einfacher.

Image result for esa space debris

Near-Earth Object and Debris Detection – Exploiting Synergies (ESA)

Jahrzehnte der Raumfahrt haben viele inaktive Satelliten, Reste von Raketen und andere Trümmer in erdnahen Orbits hinterlassen, dieser Weltraumschrott (Space Debris) ist eine Gefahr für die Raumfahrt.
Aktuell ist eine mehrtägige Weltraumsicherheitskonferenz, die Asteroid and Space Debris Detection Conference, statt. im ESOC in Darmstadt, wo über 250 Experten aus 27 Nationen die verschiedenen Themenbereiche und Projekte in Fachvorträgen vorstellen und diskutieren (Hier geht es zum Programm).

Schrott im Orbit ist heute ein wichtiges Thema. Weitere Gefahren drohen der Erde etwa durch Meteoriteneinschläge oder Sonnenstürme. Um die Erde und die irdische Infrastruktur im All und auf dem Boden vor diese Bedrohungen zu schützen, hat die ESA 2009 das Programm zur Weltraumlage-Erfassung (SSA – Space Situational Awareness) begründet und seitdem stetig ausgebaut.

Weltraumschrott: Alltägliche Bedrohungen der bemannten und unbemannten Raumfahrt
Über 50 Staaten sind mittlerweile im Raumfahrtgeschäft, – 2017 umkreisten über 6600 intakte und ausgediente Satelliten die Erde, dazu kommen ausgebrannte Raketenoberstufen, verlorengegangene Teile sowie Trümmer in Millimeter- oder Metergröße, die sich durch erneute Kollisionen immer weiter vermehren. Die Satelliten fliegen auf bevorzugten Orbits, je nachdem, ob sie geostationär sind oder die Erde umrunden und überwachen sollen, wie etwa die Wettersatelliten. Manche Orbits sind besonders beliebt, so gibt es etwa in den geostationären Bahnen mittlerweile Gedränge: Dort, in 35 786 km Höhe über dem Äquator sind die Kommunikationssatelliten, Fernsehsatelliten und Wettersatelliten stationiert, die mit einer Geschwindigkeit von 3,07 km/s stets über dem gleichen Punkt auf der Erde schweben.

Dieser ESA-Film demonstriert den Zuwachs und heutigen Zustand: “Space debris 2017 – a journey to Earth”

Hier sind ausführliche Erläuterungen zur Graphik zu finden.

Lange Zeit sind ausgediente Satelliten bis zum dem letzten Tropfen Sprit im Betrieb gewesen und waren dann manövrierunfähig – sie sind Weltraumschrott. Aktive Satelliten müssen um solche Schrotthaufen herum manövrieren.
Mittlerweile hängt das tägliche Leben vieler Menschen von diesen künstlichen Erdtrabanten ab, die Weltrauminfrastruktur ermöglicht uns Wetter- und Klimavorhersagen, Navigation von Autos, Riesentankern oder Erntemaschinen, Telekommunikation und anderes. Die hoch sensiblen unbemannten Raumfahrzeuge haben keine Panzerung, dafür tragen sie fragile Antennen und Solarmodule (Solar Panels). Ein Schaden dieser Infrastruktur im All wäre verheerend und würde zu Unannehmlichkeiten und auch zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führen.

Darum sind große Raumfahrtagenturen wie die ESA heute sehr bedacht darauf

  • keinen weiteren Weltraummüll zu produzieren (z. B. durch Vermeidung von Kollisionen und die sichere Entsorgung alter Satelliten)
  • bestehenden Weltraummüll zu katalogisieren, um ihn vorhersagbar zu machen
  • bestehenden Weltraummüll einzusammeln oder unschädlich zu machen.
Related image

The Inter-Agency Space Debris Coordination Committee (IADC)

Heute müssen ESA-Satelliten zum Ende ihrer Lebensdauer mit dem letzten Treibstoffrest kontrolliert aus dem Verkehr gezogen werden. Dazu stürzen sie entweder kontrolliert ab und verglühen in der Atmosphäre (End-of-Life (EOL) compliance) oder sie werden auf Friedhofsorbits weit oberhalb der üblichen Orbits geparkt.
ESA ist zunehmend aktiv in der Space Debris-Problematik, immerhin sind Space Debris–Flyby-Warnungen heute schon an der Tagesordnung und ein Kostenfaktor. Die Kollisions-Vermeidung ist oberstes Gebot, so werden die kostbaren Raumfahrzeuge 24 Stunden täglich von Spacecraft Controllern („Spacons“) überwacht.
„Was wir jetzt tun, hat Auswirkungen auf die Zukunft!“ mahnt Holger Krag, der bei ESA für den Bereich Space Debris zuständig ist (Head of the Space Debris Office). In diesem Fall sind die Müll-Verursacher auch die Müll-Leidtragenden, schließlich ist der Zugang zum Weltraum begrenzt und Müll gefährdet ausnahmslos alle Raumfahrt-Projekte. Daher besteht zumindest grundsätzlich ein Interesse an der Müllvermeidung und -entsorgung. Allerdings, so Holger Krag, gibt es zurzeit keine internationale Norm für die Müllentsorgung, bestenfalls nationale Regeln.

Auch wenn ein bindendes internationales Gesetz zur Müllentsorgung oder –prävention im All noch fehlt, gibt es doch Richtlinien. Das Inter-Agency Space Debris Coordination Commitee (IADC), dem die 13 wichtigsten Raumfahrtnationen angeschlossen sind, hatte bereits 2002 Richtlinien zur Eindämmung von Weltraumschrott gegeben, erklärte mir Rüdiger Jehn (SSA-NEO Co-Manager). Seit 24 Jahren ist das Space Debris-Problem bekannt und man müsste nun mal mit dem Aufräumen beginnen. Schließlich verschärft sich die Situation mit jedem Jahr und weiteren Starts und Kollisionen. Dabei sind die russischen, US-amerikanischen und chinesischen Raumfahrtprojekte derzeit für etwa 80% des Mülls verantwortlich, die ESA nur für etwa 10%.

Space Debris: Schrottkartierung und Müllabfuhr
2017 waren 18 000 bis 20 000 Objekte bis zu 10 Zentimeter Größe bekannt, 5000 Trümmerteile waren sogar größer als ein Meter. Mehr als 750 000 Teile waren größer als einen Zentimeter sind.
Angesichts des starken Satellitenverkehrs in gewissen Kreisen ist es wenig überraschend, dass es immer wieder zu Zusammenstößen kommt. Dann werden aus einem großen Schrotthaufen viele kleine Schrottsplitter. Solche Schrottwolken können aktive Raumfahrzeuge wie Satelliten oder sogar die ISS treffen, die hohen Geschwindigkeiten machen sie so gefährlich wie Schrappnelle.

Sentinel-1A’s solar array before and after the impact of a millimetre-size particle on the second panel

Sentinel-1 impact (ESA)

Allein 2200 dieser Trümmerteile (größer als 10 cm) entstanden durch den Zusammenstoß des US-Satelliten Iridium 33 und die ausgemusterte russische Sonde Kosmos 2251 im Jahre 2009.
Eine weitere große Schrottquelle ist der chinesische Wettersatellit Fengyun-1C (FY-1C; chinesisch: Wind und Wolken), der nach seiner Dienstzeit am 11. Januar 2007 durch eine bodengestützte Rakete spektakulär direkt abgeschossen wurde. Er war dabei in über 2000 sichtbare Stückchen zerstört worden, deren Anzahl sich mittlerweile durch Kollisionen und Zerfall vervielfacht hat.

Solcher Schrott hat bereits mehrfach erhebliche Probleme verursacht: Am 23. August 2016 registrierte das Kontrollteam von Sentinel-1A, einem Erdbeobachtungssatelliten des Copernicus-Programms, eine plötzliche Lageabweichung und einen Energieabfall. Ein Defekt in einem Solar Panel! Die kleine Bordkamera des Satelliten zeigte den Grund: Ein Stückchen Weltraumschrott hatte eine 40 Zentimeter großen Schaden, verursacht. Der Schrottsplitter war weniger als einen Zentimeter groß  damit zu klein für eine Ortung. In diesem Fall konnte die Satelliten-Mission glücklicherweise fortgesetzt werden. Ein Einschlag im Hauptkörper des Satelliten hätte hingegen wesentlich mehr Schaden angerichtet.

Auch die große ISS ist durch Schrott gefährdet, hier sind dann sogar Menschenleben in Gefahr! Bislang musste die ISS schon in mehr als 25 Fällen Ausweichmanöver steuern. Dafür braucht es allerdings eine Vorwarnzeit: Werden Schrottteile auf Kollisionskurs nicht 24 Stunden vorher entdeckt, müssen sich die Astronauten trotz Spezialummantelung der ISS in eine Sojuzkapsel zum Schutz zurückziehen.

Teil 2 folgt ….

 

Kommentare (2)

  1. #1 Alderamin
    25. Januar 2019

    Manche alten Satelliten zerbersten auch einfach, wenn der Treibstoff zerfällt und der Druck in den Tanks nicht abgebaut werden kann.

    Es gibt ja (neben der wichtigen Vermeidung von Weltraumschrott) einige Ideen, wie man alte Satelliten einfangen und deorbiten könnte: mit Netz einfangen, großes Segel zur Erhöhung des Luftwiderstands anbringen, mit Laser- oder Plasmastrahl anpusten und dergleichen. Das ist alles furchtbar teuer, man muss jedes Objekt einzeln anfliegen, was viel Treibstoff benötigt.

    Aber viel problematischer scheinen mir die abertausenden kleinen Splitter zwischen wenigen mm und 10 cm zu sein, die das Radar nicht erfasst und die im Prinzip Gewehr- und Flak-Geschosse sind, nur viel, viel schneller. Wie man den Kleinkram wieder weg bekommt, darüber hört man nie etwas. Vermutlich, weil es gar nicht geht. Die Orbits zwischen 1000 km und der GEO-Bahn werden für sehr lange Zeiten Gegenden bleiben, wo man mit gefährlichem Querfeuer rechnen muss.

  2. #2 Bettina Wurche
    25. Januar 2019

    @Alderamin: Dazu steht einiges in Teil 2 (fast fertig), etwa das Netz. Darum habe ich die kleinen Teilchen ja auch als Schrapnelle bezeichnet. Sie sind so problematisch, weil sie nicht sichtbar sind.