Der Valentinstag feiert die Romantik. Ganz genau wird das Martyrium des St. Valentin gefeiert. Leider gibt es gleich eine ganze Menge Heiliger Märtyrer und bislang ist unbekannt, auf welchen die Huldigung der Romantik zurückgeht. Oder wie es überhaupt vom Märtyrertum zur Romantik kommen konnte. Angeblich geht die Verbindung romantischer Liebe mit dem Valentinstag auf Geoffrey Chaucers Gedicht “Parlement of Foules” (1382) zurück geht:

„For this was on seynt Volantynys day
Whan euery bryd comyth there to chese his make.“

„Es geschah am Valentinstag
Als jeder Vogel kam, um seinen Partner zu wählen.“

(Wikipedia: Valentinstag). Ein ganz schön sparsames Gedicht.
Richtig in Schwung kam der Valentinstag mit seinen romantischen Auswüchsen in der viktorianischen Zeit im anglikanischen und protestantischen Raum. Mit Beginn der Industrialisierung entdeckten Schokoladenhersteller in England den Valentinstag als absatzfördernd und seitdem begibt es sich jedes Jahr am 14. Januar, dass Männer sich entscheiden müssen, als galant oder geizig zu gelten. Ausreden wie, man(n) sei gegen die Verlockungen der Blumen- und Pralinenhändler gefeit, werden nicht von jeder Frau als rational oder angemessen akzeptiert.


Ocean Valentine
An dieser Stelle wollen wir die höfische Liebe etwas erweitern um die fleischliche Liebe – davon gibt es viele Beispiele aus den Ozeanen, von lauschigen Inselstränden bis in die tiefsten Tiefen. Die lebenslange Treue der Albatrosse und Pinguine erscheint uns romantisch – sie ist die Grundlage, dass diese großen Vögel in ihren abgelgenen, scheinbar lebensfeindlichen Habitaten ihren Nachwuchs aufziehen können. Beide Partner müssen sich darauf verlassen können, dass der Gatte und die Gattin nach wochen- oder monatelanger Abwesenheit auch wirklich wieder zurückkommt. Sonst würden der brütende Partner und der Nachwuchs sterben.

Zur jährlichen Bekräftigung ihrer Bindung gehört eine Balz mit einer außergewöhnlichen Choreographie:

Wer die Bewegungen der großen Vögel für albern hält, möge sich Balzrituale von Großstädtern oder LandbewohnerInnen ansehen. Auch dabei gibt es tänzerische Einlagen, die für Außenstehende mituntern albern aussehen können. Und noch ganz andere Verhaltensweisen.

Ganz anders der Paarungstanz der Meeresringelwürmer – sie werfen für die Fortpflanzung sogar ihren Hinterleib ab: “[…] die Palolo-Würmer, sorgen durch ihren mondsüchtig-orgiastischen Paarungstanz für Aufsehen. Unter dem Vollmond treffen sich Männchen und Weibchen im tropischen Meer und werfen ihre Hinterteile ab, die mit Fortpflanzungsprodukten gefüllt sind. Hier ein Video mit dem irren Tanz der Palolo-Würmer, die auf Samoa eine geschätzte Delikatesse sind:

Auch die Bobbitwurm-Männchen und -Weibchen treffen sich bei Vollmond zu einer Licht-synchronisierten ozeanischen Orgie und geben dann Wolken von Spermien und Eiern ab, allerdings etwas weniger spektakulär als die Palolo-Würmer. Schon ihr Trivialname “Bobbitwurm” ist anrüchig: Ein Unterwasserphotograph soll die bisher Riesen-Eunice genannten Tiere als Bobbit-Wurm bezeichnet haben, in Anlehnung an John Wayne Bobbit. Seine Ehefrau Lorena Bobbit hatte 1993 ihrem schlafenden Ehemann den Penis abgeschnitten. Aufgrund der Ähnlichkeit des Wurms mit einem erigierten Penis und der Wurm-Kiefer, die an eine Schere erinnern, kam es zu diesem Trivialnamen. Da fast keienr der vielen Meeresringelwürmer bisher jemals einen Trivialnamen hatte, wird Bobbitwurm mittlerweile auch auf viele verwandte Arten angewendet. ”

Die Tintenfische mit ihrem komplexen Sozialverhalten balzen sehr unterschiedlich: Riesenkalmare schießen anonym und schmerzhaft eine Spermatophore in einen Artgenossen. Tiefseevampire paaren sich mehrfach und in mehreren aufeinander folgenden Jahren, während viele Kraken und Kalmare sich nur einmal paaren, fortpflanzen und danach sterben.
Sepien legen sich ein Hochzeitskleid mit Zebrastreifen an und prügeln und paaren sich dann hingebungsvoll:

Im Rausch der Sinne werden die unachtsamen Sepien dann leicht eine Delphinmahlzeit.
Dieses Schicksal teilen die Sepien mit vielen anderen Meerestieren – von Hormonen geflutet und beflügelt wird die Fortpflanzung oft zum Schicksal, Haie, Fische und Tintenfische schnappen sich die im Fortpflanzungsrausch unaufmerksamen Meeresbewohner, gerade große Ansammlungen sind ein Buffet.
Ein ausführlicher Beitrag zur Kraken-Fortpflanzung ist auf meertext: “Sex, Brain und Unterwasserballett: Herr Precht und der postfaktische Krake”

Ein Tiefsee-Anglerfisch-Männchen findet in der lichtlosen und schwach besiedelten Tiefsee eine Partnerin über ihre Pheromonspuren. Hat „er“ erst einmal eine „sie“ gefunden, verbeißt er sich in ihren Bauch und hält solange fest, bis die beiden Körper miteinander verschmolzen sind. Schließlich sind die Haut und die Blutgefässe der beiden Geschlechtspartner untrennbar miteinander verwachsen. Die beiden Fische sind nun eine gemeinsame Lebensform.
Über den Blutkreislauf wird das Männchen vom Weibchen mit Nährstoffen versorgt. Nach dem Verwachsen reduziert das Männchen alle Körperteile, die es nicht mehr braucht, wie Flossen, Augen und einige innere Organe. Bis auf die Fortpflanzungsorgane! Ein männlicher Tiefseeangler ist ein kleiner Hautsack voller Geschlechtsorgane. Seine einzige Lebensaufgabe besteht darin, sowie seine Partnerin ablaicht, seine Spermien beizusteuern.
Mehr zu dieser faszinierenden Lebensgemeinschaft auf meertext “Parabiose: Die innige Vereinigung von Mr. und Mrs. Tiefsee-Anglerfisch”.
2018 gelang es erstmals, ihre Vereinigung zu filmen:

Über die angebliche Liebestollheit von Delphinen und größeren Waltieren ranken sich zahlreiche Legenden. Heißes Blut im kalten Ozean verspricht ganz große Gefühle in der uns fremden Welt des Meeres.
Eine Paarung mit innerer Befruchtung im dreidimensionalen Meer, ohne festen Haltepunkt und ohne Arme und Beine, mit schlüpfriger Haut ist schon eine Herausforderung der besonderen Art.
Eine Biologin hatte experimentell mit Geschlechtsorganen toter Delphine erkundet, wie eine innere Befruchtung erfolgreich sein kann, ohne dass Meerwasser die kostbaren Sperimen wieder ausschwemmt: meertext: “Was wir schon immer über Delphin-Sex wissen wollten….”. 
Delphine haben tatsächlich auch einfach so Geschlechtsverkehr, ohne das direkte Ziel der Fortpflanzung. Delphin-Männchen können dabei (und auch sonst) recht ruppig werden: meertext: Delphin-Verhaltensforschung (3): Sexuelle Gewalt – ein Mythos?

 

 

Kommentare (4)

  1. #1 Spritkopf
    14. Februar 2019

    Im Rausch der Sinne werden die unachtsamen Sepien dann leicht eine Delphinmahlzeit.

    *verschluckt blöde Witze, die die Worte “Coitus” und “interruptus” enthalten*

  2. #2 Bettina Wurche
    14. Februar 2019

    @Spritkopf: Ja, das Thema ist eine Steilvorlage für sehr viele blöde Witze : )

  3. #3 RPGNo1
    14. Februar 2019

    @Bettina Wurche
    Ich LIEBE diesen Text. Du schaffst es ganz wunderbar, Informationen humorvoll rüberzubringen und sie mit einer Prise Ironie und einem Schuss Süffisanz zu verbinden (Balzverhalten der Menschen, Verlockungen des man(n)s, Bobbitwurm[*]). 😀

    [*] Ich habe kürzlich eine Tiersendung gesehen, in welcher der Bobbitwurm eine angemessene Sendezeit bekam. Das ist schon ein unterschätztes Seeungeheuer, von nicht unbeträchtlicher Größe.

  4. #4 Bettina Wurche
    14. Februar 2019

    @RPGNo1: Danke : ) Ja, Süffizanz mag ich. Das ist im Alltag oft schwer unterzubringen