Zoologen begeistern sich nicht nur für lebende Tiere, sondern auch für ihre Ausscheidungen aus allen Körperöffnungen. Auf Meertext hatten wir es schon mit Walkot, Vogelkot, Walrotz, Walurin und anderen flüssigen und halbflüssigen Exkretionen und Sekreten zu tun.
Die Exkremente von Tieren geben Aufschluß über ihre Nahrung: Im Kot von Raubtieren sind neben verdauten auch unverdauliche Reste ihrer Beute zu finden, etwa Knochen oder Krebspanzer. Außerdem geben diese Hinterlassenschaften auch Auskunft über den Zustand eines ganzen Ökosystems.

Hier ist ein Seebär zu sehen, der im Wasser Kot abgibt. Die festen Bestandteile sind deutlich erkennbar.
(Video: mzdkTV, Published on Jan 11, 2012: Video of a seal pooping while I was swimming behind it. – Dieses Video steht in keinem direkten Kontext mit der hier vorgestellten Forschungsarbeit)

Rund um die Antarktis und auch auf Südgeorgien (South Georgia) leben antarktische Seebären (Arctocephalus gazella) – Robben mit langem Pelz. Als sogenannte Pelzrobben sind sie einst zu Hunderttausenden von Robbenschlägern abgeschlachtet worden.
Wie so viele Tiere der Antarktis fressen diese Flossenfüßer Krill, Tintenfische, Fische und – jedenfalls die großen Exemplare – Pinguine.
Antarktischer Krill (Euphausia superba) ist eine Schlüsselspezies der antarktischen Nahrungskette, fast alle Vögel von der Seeschwalbe bis zum Pinguin, die meisten Robben, viele Fische und Tintenfische sowie andere Tiere nutzen diese massenhaft vorhandene, leicht erreichbare Nahrung. Der Krillbestand ist also für das ökologische Gefüge der Antarktis extrem wichtig. Darum untersuchen die Forscher den Seelöwen-Kot in der Kolonie auf den Krill-Anteil hin.

Das hört sich einfacher an, als es ist. Weibchen werden bis zu 1,30 Meter lang und wirken, wie auch die Jungtiere noch niedlich, die bis zu 1,90 Meter großen Bullen sind es eher nicht. Die Bullen hüten ihre Harems und verteidigen sie aggressiv. Wie alle Ohrenrobben können Seebären auch an Land ihre Körper auf alle viere hochwuchten und sind dann auf kurzen Strecken sehr schnell. Auch diese Robben haben scharfe Zähne und ihre Bisse sind extrem infektiös.
Robben legen keine Latrinen an, sondern setzen ihren Kot dort ab, wo sie gerade sind – auch mitten in ihrer Kolonie. Ein Kot-Sammler muss sich also in diese Kolonie hineinwagen und zwischen fauchenden und beißenden Seebären hindurchschlängeln.
Der Zoologe John Dickens vom British Antarctic Survey geht in der Forschungssaison jede Woche Seebären-Häufchen sammeln und kann dann fasziniert analysieren, wieweit sich Farbe und Zusammensetzung im Laufe der Zeit und je nach Nahrungsangebot ändern. Und, ob die Seelöwen genug von ihrem wichtigsten Fressen finden: Krill!
Die kleinen Krebse sind von ihrem Lieblingsessen, roten Algen, rötlich gefärbt, diese Farbe verleihen sie auch dem Robben-Kot. Außerdem sind ihre scharfkantigen Rostren, die Kopfpanzer der Krebse, deutlich erkennbar. Weiterhin sind im Seebären-Kot Otolithen zu finden, die Gehörsteine von Fischen. Diese Kalkstrukturen sind artspezifisch und tragen Jahresringe, man kann also genau bestimmen, welche Fischarten in welchen Altersklassen einem Seelöwen gut munden.

Beutegreifer am Ende der Nahrungskette wie die Seelöwen sind gute Indikatoren dafür, wie es dem gesamten Ökosystem geht. Aber auch auf so entlegenen Inseln wie South Georgia machen sich die Auswirkungen der menschlichen Umweltzerstörung bemerkbar – Klimawandel und Plastikmüll werden sichtbar. Der letzte Winter war offenbar ein sehr guter Krill-Jahrgang – der Kot ist pink gefärbt. Außerdem ist die gute Ernährungslage auch an der Anzahl der jungen Robben und der Eselspinguin-Küken zu erkennen. Manch anderer Winter war auch mal ein schlechter Jahrgang mit wenig Krill, das kann u. a. an El Nino-Jahren und anderen Wetter- und Klima-Parametern liegen.
Auch wenn der Kot der südgeorgischen Seebären die Farbe zarter Blumen hat…riechen tut er eher in fischigen Komponenten. Und damit ist die Duftnote Gammelfisch-meets-Pumakäfig gemeint. Die gute Nachricht für Polarforscher ist, dass Gerüche bei niedrigen Tempreaturen nicht ganz so schlimm sind.

Die BBC hat dazu ein wunderbares Interview mit dem John Dickens inmitten seiner Forschungspartner gedreht. Es ist ausgezeichnet verständlich und mit Untertiteln versehen. (Das BBC-Video durfte aus lizenrechtlichen Gründen leider nicht direkt eingebunden werden).
https://www.bbc.com/news/av/science-env

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Kommentare (18)

  1. #1 RPGNo1
    14. Mai 2019

    ihre Bisse sind extrem infektiös.

    Woher kommt das? Haben die Seebären entsprechende Bakterien in ihrem Gebiss und Speichel, so wie es z.B. auch bei einigen Waranen der Fall ist?

  2. #2 Bettina Wurche
    14. Mai 2019

    @RPGNo1: Zunächst mal: Bisse und Kratzer jedes Carnivoren sind stark infektiös, wegen der Fäulnisbakterien. Marine Säuger (Robben und Wale) haben dann aber noch besondere Bakterienkulturen, gegen die nur wenige Antibiotika wirksam sind. Auch eine Verletzung bei einer Wal- oder Robbensektion bringt Riesenprobleme. “Seehundsfinger” (Seal finger, Spekk finger) war eine typische Erkrankung von Robbenschlägern und wurde früher oft amputiert.
    Heute gibt es Diagnose und Heilung: “The causative microorganism was unknown until 1991, when Mycoplasma phocacerebrale was isolated from both the finger of a patient with seal finger and from the mouth of a seal that bit the patient. Although rare, the disease is not uncommon in marine workers, biologists and veterinarians. Prompt identification based on patient history and treatment with oral tetracycline is pendant to a favourable patient outcome.”
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2827281/

  3. #3 RPGNo1
    14. Mai 2019

    @Bettina Wurche
    Wieder was gelernt. Danke schön.

  4. #4 nihil jie
    14. Mai 2019

    In Extrementen lesen. Also so eine Art Verdauungsarchäologie 😉

  5. #5 Bettina Wurche
    14. Mai 2019

    @nihil jie: Ja klar! Jahrhunderte alte Kloaken bieten übrigens wirklich großartige Einblicke in das Leben zu früheren Zeiten
    https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/luebeck-archaeologen-rekonstruieren-mittelalter-reise-durch-klo-fund-a-1234559.html
    Und versteinerter Dino-Kot (Koprolith) hat gezeigt, dass Gräser viel älter sind, als vorher angenommen.
    Kot ist ein Tagebuch voller verschiedenster Kapitel.

  6. #6 Bettina Wurche
    14. Mai 2019

    @RPGNo1: : )

  7. #7 nihil jie
    15. Mai 2019

    @Bettina Wurche

    Da ich früher mal (30 Jahre her) in der Stadtarchäologie Göttingen gearbeitet habe, wussten wir alte Kloaken sehr zu schätzen 😉

  8. #8 Bettina Wurche
    15. Mai 2019

    @nihil jie: Dann weisst Du bestimmt mehr darüber als ich – hört sich spannend an. Falls Du irgendeine Story beisteuern möchtest, kannst Du gern hier einen Gastbeitrag beisteuern. Das würde sicherlich reiche Leserschaft finden : )

  9. #9 nihil jie
    15. Mai 2019

    Naja, so ein guter Schreiberling bin ich nun wirklich nicht um hier bei ScienceBlogs antreten zu können.

    Es war aber eine schöne Zeit. Ich habe damals einen Job gebraucht, weil ich als Punk nicht nur dauernd Schnorren wollte. Von “hast du eine Mark für mich” konnte ich nicht leben 😉 So wurde ich zum Grabungshelfer.

    Was die Kloaken anbetrifft. Ja, sie sind in der Tat eine kostbare Fundgrube. Nicht nur für Archäologen sondern auch für Biologen, Botaniker, Ernährungswissenschaftler usw. Beim Freilegen so einer Kloake, hat man manchmal das Gefühl, dass sie noch immer, sogar nach 800 Jahren, nach Fäkalien riecht, wenn sie gut erhalten wurde. Kein Witz 😉

  10. #10 Bettina Wurche
    15. Mai 2019

    @nihil jie: Das glaube ich sofort. Unter Luftabschluss halten sich diese organischen Verbindungen ausgezeichnet. Ist nicht die gesamte Archäologie (wie auch andere gute Forschungsprojekte) mittlerweile interdisziplinär? Das bringt doch erst diese phantastischen Rekonstruktionen längst vergangener Lebenswelten.

  11. #11 gedankenknick
    15. Mai 2019

    Die Diskussion hier erinnert mich so ein wenig an einen Teil der Musical-Folge von “Scrubs – Die Anfänger”. Nur für Nicht-Lächel-Resistente Mitmenschen:

  12. #12 RPGNo1
    16. Mai 2019

    Sorry für OT, aber ich kann ein gehöriges Maß an Schadenfreude nicht verbergen.
    https://www.youtube.com/watch?v=9qvl8HDO1Nc
    Go, Krake, go!

  13. #13 Bettina Wurche
    16. Mai 2019

    @gedankenknick: ich wisch mir gerade die Lachtränen weg – das ist ja großartig! Bist Du auf Twitter? Das werde ich sofort dort teilen – wir haben regelmäßig Austausch über anderer Viecher Stuhlgang LOL.

  14. #14 Bettina Wurche
    16. Mai 2019

    @RPGNo1: der ist wirklich köstlich, ich hatte mich schon darüber amüsiert. O. k., Ihr habt e snicht anders gewollt: Morgen gibt´s einen Cephalopod Friday!

  15. #15 tomtoo
    16. Mai 2019

    Mist jetzt wollte ich motzen das der Cephalopodfriday Link nicht funzt. Aber es ist ja erst Donnerstag. ; )

  16. #16 nihil jie
    16. Mai 2019

    @Bettina Wurche

    Ohne diesen Wissenstransfer wäre die heutige Wissenschaft irgendwie nicht funktionsfähig. Zumindest nicht in dem Masse wie sie heute funktioniert. So denke ich zumindest darüber.

    Schon damals hatten wir ziemlich viele Mitarbeiter die recht vielseitig begabt waren. Beispielsweise Zeichner oder Grafiker. Aber es gab auch Mitarbeiter die aus anderen Fächern kamen. Wie die, schon von mir erwähnten Botaniker.

    Wie auch immer. Es wäre eine Dummheit die Wissenschaft nicht interdisziplinär zu gestalten.

  17. #17 Bettina Wurche
    16. Mai 2019

    @tomtoo: Sorry, ich hatte versehentlich sofort freigeschaltet, so kam es zur Fehlermeldung. Morgen früh kannst Du es lesen : )

  18. #18 gedankenknick
    17. Mai 2019

    @Bettina Wurche #12
    In jener Scrubs-Folge wird die Patientin aufgrund eines trivialen Problems ambulant behandelt, als sich herausstellt, dass sie alle anderen Menschen ALLES singend und tanzend erlebt – sie lebt in einem Musical. Die Folge ist fast komplett “aus Sicht” der Patientin gedreht (abweichend zu “normalen” Folgen, die meist die Sicht EINES der verschiedenen Hauptdarsteller zeigen), es stellt sich heraus, dass sie einen Hirntumor hat, der dann operativ entfernt wird. Es endet damit, dass die geheilt erwacht, aber von der Eintönigkeit und Freudlosigkeit der “normalen Welt” irgendwie enttäuscht ist.

    Ich fand die Serie immer großartig. Sie stellt auf eine meist “nur” ironische Weise den Gesundheitssystemalltag ähnlich bloß wie “House of Gods” es sarkastisch macht. Naja, mit dem Stationsarzt “Dr. Percival Ulysses “Perry” Cox” ist genug Sarkasmus dabei. 😉 Auch nach Jahren immer noch sehenswert.