Grindwale sind bis über fünf Meter große Delphine mit stark vorgewölbter Stirn und kurzem Schnabel. Sie kommen in zwei Arten vor: Langflossen-Grindwale (Globicephala melas) leben in eher kühleren Gewässern, während Indische Kurzflossen-Grindwale (Globicephala macrorhynchus) in tropischen und subtropischen Meeren leben. Ihren englischen Namen Pilotwal haben sie bekommen, weil sie oft Schiffe begleiten, der deutsche Name Grindwal kommt von dem färingischen Grind, dem Massenschlachten dieser Wale.

Sie sind eng verwandt mit Orcas und füllen teilweise ähnliche ökologische Nischen aus (Abbildungen beider Unterarten s. hier).
Jetzt hat ein Molekularbiologen-Team um Amy Van Cise (Woods Hole Institute) zwei Unterarten der Kurzflossen-Grindwale beschrieben („Oceanographic barriers, divergence, and admixture: Phylogeography and taxonomy of two putative subspecies of short‐finned pilot whale“ Amy M. Van Cise, Robin W. Baird, Charles Scott Baker, Salvatore Cerchio, Diane Claridge, Russell Fielding, Brittany Hancock‐Hanser, Jacobo Marrero, Karen K. Martien, et al; 03.06.2019; Molecular Ecology; https://doi.org/10.1111/mec.15107 ).

Japanische Walfänger, die auch regelmäßig Kurzflossen-Grindwale schlachten, hatten es zuerst bemerkt: In japanischen Gewässern gibt es zwei verschiedene Grindwal-Formen. Im Süden Japans kommt die ‘Naisa’-Form vor, die Tiere haben einen eher eckigen Kopf. Die ‘Shiho’-Form im Norden hat einen besonders rundlicheren Kopf. Walfänger sehen regelmäßig viele Tiere und haben daher einen scharfen Blick für Unterschiede. Schon mehrfach kamen von ihnen Hinweise auf morphologische Unterschiede (Morphologie= äußere Gestalt) innerhalb einer vermeintlichen homogenen Wal-Art (s. auch „Raven“: Mysteriöser Wal aus Alaska gehört zu neuer Schnabelwal-Art! ).
Amy Van Cise und ihre Kollegen haben sich nun die molekularen Informationen dieser großen Delphinartigen näher angeschaut. Dazu haben sie genetische Proben von 735 Kurzflossen-Grindwalen, die aus dem gesamten Verbreitungsgebiet stammen, untersucht und dabei die mitochondriale DNA (mtDNA) und Einzelnukleotid-Polymorphismmen (nuclear SNP loci) verglichen.

Ihr Ergebnis: Es gibt insgesamt drei Globicephala-Typen:
– einen Atlantik-Typus (gehört zu Naisa)
– einen Zentral-/West-Pazifik-Typus (Naisa)
– einen Ost-Pazifik/Nord-Japan-Typus (Shiho)

Die Analyse der mtDNA ist ein Standardverfahren für zur Untersuchung von Verwandtschaftsverhältnissen. Sie ist leicht zu gewinnen, so dass es große Datenbanken dazu gibt. Mit diesem Verfahren sind schon mehrfach neue Wal-Unterarten und sogar Arten bestätigt worden, die äußerlich nicht so einfach zu unterscheiden waren.
Ungewöhnliche Verbreitung
Dass es mehrere Unterarten von Kurzflossen-Grindwale gibt, ist nicht überraschend. Im Zeitalter der genetischen Verwandtschaftsanalyse werden bei vielen Tierarten verschiedene Unterarten und Populationenen identifiziert. Da sie genetisch voneinander getrennt sind, ist diese Erkenntnis sehr wichtig für ihr Management und ihren Schutz – unterschiedliche genetische Typen pflanzen sich nicht miteinander fort, auch wenn sie im gleichen Gebiet oder aneinandergrenzenden Arealen leben. Oft sind sie zusätzlich getrennt durch verhaltensbiologische Eigenheiten.
Walspezies und -populationen sind oft durch ozeanische Becken, also geographisch voneinander getrennt. In diesem Falle wären unterschiedliche Formen für den Atlantik, Indik und Pazifik zu erwarten gewesen.

Stattdessen gibt es Gruppen der Shiho entlang der amerikanischen Ost-Pazifik-Küste und im nördlichen Westpazifik vor Japan. Ein ausgedehntes Vorkommen der Naisa-Grindwale trennt sie voneinander.
Ungewöhnlich ist, dass die atlantischen Grindwale auch zur Naisa-Form gehören. Schließlich sind sie durch kalte Ozeane, den Benguelastrom vor Südafrika und Kontinente von ihren Verwandten im Indik und Pazifik getrennt. Aber diese kalten Gewässer sind offenbar eine weniger starke Barriere für unternehmungslustige Wale, als die Nahrungsarmut des zentralen Pazifiks.
Diese ozeanische Einöde ist also evolutiv wesentlich bedeutender, als bislang angenommen, meint Amy Van Cise dazu.

Eine ausgezeichnete Karte der Verbreitung dieser Unterarten ist hier.

Implikationen für den Artenschutz

Insgesamt haben die Naisa-Grindwale mit den eckigen Köpfen ein wesentlich größeres Verbreitungsgebiet als ihre rundköpfigen Shiho-Vettern.
Ein wichtiges Resümee ist auch: Die Jagd auf die wenig verbreiteten Shiho-Wale in nordjapanischen Gewässern könnte kritisch für diese kleine, eigene Population werden. Eine exakte Überwachung dieser Walgruppe, der Geburtenrate, der getöteten Tiere und des Populationsstatus wäre ein absolutes Minimum an Artenschutz. Aus artenschutzrechtlichen Erwägungen müsste sie unter Schutz gestellt werden.
Ich wage kaum darauf zu hoffen, dass die japanische Regierung sich zu einem solchen Schritt durchringen kann – zu viele Betonköpfe und Walfangbefürworter sind dabei, die sich gegen jede Form der Restriktion lautstark ereifern. Für den färingischen Grindwalfange gilt das gleiche. Dieses Verhalten ist gegen jede Vernunft – schließlich ist der Verzehr von Walfleisch mittlerweile ein erhebliches Gesundheitsrisiko. Als langlebige Endglieder Nahrungskette tragen Meeressäuger eine schockierende Last an Umweltgiften, darunter Quecksilber, PCBs und DDT. Von ihrer Parasitenlast ganz zu schweigen, dabei ist das gerade für den rohen Verzehr ein ernstes Thema.

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Kommentare (2)

  1. #1 RPGNo1
    6. Juni 2019

    Die moderne Genetik macht es möglich: Unterarten bei Grindwalen, Unterarten (möglicherweise) bei Orcas. Vermeintlich unverrückbare Erkenntnisse werden erschüttert.

    Ich denke, dass bei den vielversprechenden Entwicklungen in der genetischen Analytik in nächsten Jahren noch einige weitere Überraschungen in der Tierwelt anstehen werden und so noch weitere unbekannte Unterarten oder sogar Arten beschrieben werden.

  2. #2 Bettina Wurche
    6. Juni 2019

    @RPGNo1: Ja. Allerdings braucht es dann wieder Taxonomen, um die Beschreibung der Gestalt und des Skeletts durchzuführen : ) Ich warte ja schon lange auf jemanden, der genetisch und taxonomisch Ordnung in die Großen Tümmler und in andere Delphine bringt. Bei den Großen Tümmlern (Tursiops truncatus) ist das im leben nicht eine Art, die Tiere etwa im Nord-Ost-Atantik (um UK) sind viel größer und räuberischer als ihre Verwandten weiter im Süden und die vor Florida. Immerhin ist ja schon eine Australische Art abgespalten worden:
    https://blog.meertext.eu/2011/09/23/neue-delphin-art-vor-australien-entdeckt/