Schwertwale (Orcinus orca) transient. Unimak Island, Ost-Aleuten, Alaska.

Schwertwale (Orcinus orca) transient. Unimak Island, Ost-Aleuten, Alaska. (Wikipedia: Robert Pittman – NOAA (https://www.afsc.noaa.gov/Quarterly/amj2005/divrptsNMML3.htm])) Dieser Orca ist ein Transient und nicht verwandt mit den im Text genannten Residents!

Orca-Großmütter leisten in der Menopause einen wichtigen Beitrag für das Überleben ihrer Enkel! Diesen neuen Einblick in das komplexe Familienleben der großen schwarz-weißen Zahnwale (Schwertwal, Orcinus orca, „Killerwal“) hat die Auswertung von Daten aus über 36 Jahren Orca-Forschung des Biologen Dan Franks (University York) und seines Teams ergeben.

Die Familien und Individuen dieser zwei nordpazifischen Orca-Bestände sind per Photo-ID erfasst, so können ihre sozialen Beziehungen erforscht werden. Diese Schwertwale gehören zu den küstennah und ortstreu lebenden Residents vor Alaska und British Columbia, die in stabilen Familiengruppen leben und auch zwischenfamiliäre Kontakte pflegen. Bei 378 in dieser Zeit geborenen Walen sind die Großmütter mütterlicherseits bekannt – dieser Nachwuchs hatte wesentlich bessere Überlebenschancen. Mit dem Tod einer Wal-Großmutter werden die Überlebenschancen ihrer Enkel nachweisbar niedriger. Die Resident-Orcas fressen vor allem Lachs; je knapper der Lachsbestand ist, desto wichtiger wird die Anwesenheit der Großmutter für das Überleben der Orca-Enkel in den ersten zwei Lebensjahren.
Die Familiengruppen werden jeweils von einem alten Weibchen geleitet, der Matriarchin. Ihre Töchter und deren Nachwuchs und Söhne bleiben bei ihr – die Gruppen sind also matrilinear organisiert. Die biologischen Väter der Kälber leben in anderen Pods, dafür kümmern sich die verwandten Männchen des eigenen Pods um ihre kleinen Brüder und Neffen.
Die Biologen haben klar nachgewiesen, dass Kälber von Großmüttern in der Menopause eine höhere Überlebensrate in ihren ersten zwei Lebensjahren haben als Kälber ohne Großmütter oder mit Großmüttern, die selbst noch Nachwuchs haben.
Eine Menopause-Matriarchin sorgt also nicht nur durch ihre Erfahrung, sondern auch mit einem höheren Zeitbudget für bessere Überlebenschancen ihrer Enkel.

Weibliche Schwertwale pflanzen sich bis zum 40. Lebensjahr fort, allerdings werden sie bis über 60 Jahre alt. Der Nachwuchs älterer Weibchen soll etwas geringere Überlebenschancen haben als der jüngerer Wale. Außerdem steht eine Großmutter mit eigenem Nachwuchs in Konkurrenz mit ihren Töchtern und deren Nachwuchs um Ressourcen wie Zeit oder Nahrung. Setzen sich die Matriarchin und ihre Tochter gemeinsam für die Versorgung eines Zöglings ein, überleben mehr Orca-Kälber.

Diese wichtige Aufgabe der Großmütter könnte die Erklärung dafür sein, dass weibliche Angehörige langlebiger Spezies wie Menschen oder Zahnwale nach der reproduktiven Phase noch lange und aktiv leben. Dieser positive Einfluß der Großmütter auf das Leben und Überleben ihrer Enkel war zunächst bei Menschen in dörflichen Communities als Großmutterhypothese beschrieben worden.
Auch Orcas haben sehr komplexe soziale Strukturen und Interaktionen, von einem eigenen Dialekt innerhalb der Sprache ihrer Population bis hin zu spezifischen Jagdstrategien, die der Nachwuchs erst einmal erlernen muss.
Um ein Orca-Kalb aufzuziehen und zu einem vollwertigen Mitglied der Orca-Community zu machen, braucht es offenbar eine ganze Gruppe. Das erinnert an das afrikanische Sprichwort, dass besagt, um ein Kind zu erziehen bräuchte es ein ganzes Dorf.

Die Southern Residents und der Lachs

Die Southern Residents ernähren sich zu 80% von Lachsen. Die pazifischen Lachse sind eine andere Gattung als die atlantischen. Unser atlantischer Lachs ist Salmo salar, im Pazifik hingegen leben Oncorhynchus-Arten, die meisten sehen mit ihren Buckeln und der tomatenroten Färbung schon äußerlich anders aus. Von den sieben pazifischen Arten –  Sockeye, Chinook, Coho, Pink und Chum-Lachs – ist der Chinook oder Königslachs der größte (Oncorhynchus tshawytscha), er wird bis zu 150 Zentimeter lang und 36 Kilogramm schwer.
Lachse ziehen zur Eiablage in saubere Gewässer. Der Schutz der Flüsse und unverbaute Küstenlinien sind also essentiell wichtig für das Überleben der Lachse. Mehr über die Lachs-lastige Nahrung der Orcas steht auf den Seiten des Center for Orca Research.

Die schnellen, aktiven Schwertwale brauchen fettreiche und viele Fische, um ihren hohen Energiebedarf zu decken. Die fetten und großen Lachse sind ideal, darum ist die Lachsjagd ein fester Kulturbestandteil der Southern Residents, wie der Orca-Papst John Ford weiß.
Allerdings verschmähen die Wale auch Heilbutt und Kohlenfisch (ein Barsch-Verwandter). Kohlenfische (Anoplopoma fimbria  (Sablefish, black cod) werden bis zu 1,20 Meter groß, sind Barschverwandte und haben einen besonders hohen Gehalt an langkettigen Omega-3-Fettsäuren.; Heilbutt ist ein extrem fetter Plattfisch, der bis zu 1,50 Meter lang und 45 Kilogramm schwer wird. Aber die sind leider nicht so häufig wie die Lachse. Um ihren Hunger zu stillen pflücken Schwertwale vor Alaska natürlich gern die Langleinen der Fischer ab, wie auch ihre großen Kumpel, die Pottwale.
Da die Lachsbestände vor den Küsten Alaska und British Columbias durch Befischung und Wasserverschmutzung weiter abnehmen, wird die Rolle der „Wal-Omas“ in Zukunft noch wichtiger!
So können die hungrigen Schwertwale die schwindenden Fischbestände am effektivsten nutzen und vielleicht sogar neue Strategien entwickeln, um andere Nahrung zu erschließen: Heilbutt und Kohlenfisch leben in tieferem Wasser und Orcas tauchen nicht gern so tief. Kleinere Lachsarten als Chinook sind agiler und wendiger, was ebenfalls eine andere Jagstrategie der Wale erfordern würde. John Ford ist sich sicher, dass die Orcas bei Bedarf neue Jagdstrategien für andere Beute entwickeln werden.
Der kanadische Biologe John Ford hat mit seiner Forschung unser Bild der Schwertwale vor British Columbia maßgeblich verändert, er hat die matrilineare Familienorganisation und die einzelnen Populationen erstmals beschrieben. Aus dem Killerwal ist damit der sympathische familiäre Wal geworden.

1 / 2 / Auf einer Seite lesen

Kommentare (7)

  1. #1 Aginor
    17. Dezember 2019

    Killer-Omas!! 😀

    Danke für den Artikel, das ist wirklich faszinierend!
    Frage mich gerade bei welchen anderen Tierarten so eine zwei- oder Mehrgenerationenstruktur existiert. So auf Anhieb fällt mir nichts ein, außer vielleicht Primaten oder Elefanten.

    Meistens ist es ja doch die Elterngeneration die sich um den Nachwuchs kümmert, schätze ich.

    Gruß
    Aginor

  2. #2 Bettina Wurche
    17. Dezember 2019

    @Aginor: Garantiert bei Pottwalen, vielleicht noch bei Grindwalen. Über große Menschenaffen weiß ich zu wenig. Grundsätzlich sind langlebige Säuger mit hoher Sozialentwicklung dafür prädestiniert, bei anderen Tiergruppen würde es mich überraschen.
    Bei Menschen waren die Großeltern in Großfamilien wichtig für ihre Enkel, heute sind sie es ja oft wieder. In traditionellen Stammesgesellschaften sind die Großeltern vermutlich seit der Steinzeit alt genug geworden, um sich um die Enkel zu kümmern:
    https://www.spektrum.de/news/kultursprung-durch-grosseltern/1147977

  3. #3 RPGNo1
    17. Dezember 2019

    Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, musste ich spontan an Elefantenherden und die Matriarchinnen, die sie leiten, denken.

  4. #4 Bettina Wurche
    17. Dezember 2019

    @RPGNo1: Ja, Pottwale, Orcas und Elefanten haben so einige Gemeinsamkeiten : )

  5. #5 RPGNo1
    24. Dezember 2019

    Alle Mitlesenden, Kommentatoren und SB-Bloggern wünsche ich frohe Weihnachten. 🙂

  6. #6 Bettina Wurche
    24. Dezember 2019

    @RPGNo1: Danke, Dir auch alles Liebe und Gute!

  7. […] Kommunikation. Je nach ihrer Kultur ernähren sich manche von verschiedenen Fischarten wie etwa Lachs, Hering oder Antarktischem Seehecht, andere reißen kleine und große  Meeressäuger, vom Seehund […]