Kuschelige Kaninchen und Hasen sind ein elementarer Bestandteil unserer österlichen Bildsprache. Kaninchen sind klein, kuschelig, rundlich und sie haben große dunkle Augen. Hasen sind weniger klein und kuschelig und sehen mit ihren langen Beinen viel weniger kindchenschemamäßig kuschelig aus. Beide haben lange Löffel, damit sind sie unter den europäischen Säugetieren einzigartig.
Dass Rammler sich etwa in der Balzzeit regelmäßig kräftig durchprügeln, wissen aber fast nur Biologen. Schließlich sind Hasen bei uns eine bedrohte Art und nur noch wenige Menschen beobachten sie draußen, wie sie über die Felder rennen. Oder sich kloppen.
Hasen und auch Kaninchen können also schon recht meinungsstark auftreten, aber normalerweise greifen sie keine Menschen an. Oder gab es bisher einfach keine Überlebenden, die davon hätten berichten können?

killerrabbit hashtag on TwitterEine ganz andere Seite der Hasen zeigen uns nämlich mittelalterliche Gemälde. Menschengroße Hasen mit langen Beinen stehen aufrecht auf den langen Hinterbeinen und gebrauchen ihre Vorderbeine wie Hände. Sie fesseln und massakrieren Menschen. Mit langen Schwertern, Katapulten, Armbrust oder Bogen, Knüppel und Hackebeil. Einige Hasen können sogar einen Schild halten, andere tun sich zu zweit zusammen, um einen Menschen zu fesseln und fortzuschleppen. Andere Hasen tragen gefesselte Menschen an einem Stecken über die Schulter gehängt. Im direkten Kampf sind die Hasen siegreich gegen Menschen, selbst wenn es sich um Ritter in voller Rüstung handelt.
Waren Hasen im Mittelalter Killer?
Nein, keinesfalls.
Normalerweise wurden auch in mittelalterlicher Kunst die Kaninchen klein und bescheiden dargestellt.
Nur in einigen Fällen saß den Künstlern der Schalk im Nacken und sie produzierten einige humoristische Marginalien, sogenannte Drolerien. Drolerie bedeutet in der mittelalterlichen Kunst eine derb lustige, grotesk überzeichnete Darstellung von Menschen, Tieren und Fabelwesen. Wenn man ganz genau hinschaut, sieht man nicht nur blutrünstige Häschen, sondern auch Häschen in einer Schlacht gegen Hunde und andere seltsame Begebenheiten.  Nicht zu vergessen die gigantischen Schnecken.Dazu gibt es verschiedene Interpretationen, die mir allerdings alle sehr spekulativ erscheinen:

Claire Ben Lakhdar, chief curator at the Bibliotheque Verdun, says the rabbits and dogs in the “Breviaire de Renaud de Bar” (1302-1304) represent courtly love between women and men.”
Andere deuten die kriegerischen, reitenden, mordenden Häschen als  einen Ausdruck der “Verkehrten Welt” – ein mittelalterliches Konzept.
Solche Drolerien gibt es sowohl in der Buchmalerei als auch in der plastischen Kunst, sie waren eine Art mittelalterliche Karikaturen.
Sehr bekannt sind bis heute die grotesken Wasserspeier, die an gotischen Kirchen ihr Unwesen treiben.
Ob daher wohl auch Monty Pythons Killer-Kaninchen kommt?

Killer Rabbit of Caerbannog:

2015 ist eine solche, 400 Jahre alte Wandmalerei der “Verkehrten Welt” in einem historischen Gebäude in Pirna, Sachsen entdeckt und restauriert worden – eine absolute Rarität:

Kommentare (8)

  1. #1 Kerberos
    10. April 2020

    “”Hasen sind ….. und den kurzen Löffeln “”
    Soll das auch ein Betrag im Sinne von verkehrte Welt sein?

  2. #2 RPGNo1
    10. April 2020

    “Faszinierend!” würde jetzt Mr. Spock sagen. 🙂

  3. #3 Bettina Wurche
    10. April 2020

    @Kerberos: Nein. Das war in Relation zu den viel längeren Kaninchenlöffeln gemeint. Ich habe es unfomuliert, jetzt sollte es deutlich sein.

  4. #4 Bettina Wurche
    10. April 2020

    @RPGNo1: Hasenartige sind sogar überaus faszinierierend. Ich hätte auch noch über ihre Stiftzähne hinter den Schneidezähnen und ihren Kot schreiben können. Aber für diesmal sollte es ein Abstecher in die Kulturgeschichte bleiben : )

  5. #5 Werner Roepke
    Erkerode
    10. April 2020

    Im Mittelalter waren französische Begriffe verbreitet: drôle = lustig

  6. #6 Kerberos
    10. April 2020

    Also
    gemeinhin (auch Wikipedia) werde die Hasenohren
    als länger eingeschätzt.
    Im übrigen gehört ein Mordhase
    zur deutschen Kinderliteratur:

    Es zog der wilde Jägersmann
    Sein grasgrün neues Röcklein an;
    Nahm Ranzen, Pulverhorn und Flint’-
    Und lief hinaus in’s Feld geschwind.
    ……

  7. #7 Dampier
    10. April 2020

    verkehrte Welt

    Sehr schön, wieder was gelernt.

    Gewalttätige Leporidae findet man auch in diesem Kinderbuchklassiker (den ich nicht sehr kindgerecht finde. Fand das ganz schön übel damals):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Unten_am_Fluss

    Ich denke auch, die mit den langen Löffeln sind die Hasen. Quelle: eigene Anschauung (aus dem Fenster).

    Herzliche Ostergrüße, take care :]

  8. […] Frohe Ostern: Von Killer-Kaninchen und Mörder-Hasen […]