Noch wenige Hundert Pottwale gibt es im Mittelmeer, so schätzen es die Walexperten wie Giuseppe Notarbartolo di Sciara. Die großen Zahnwale bilden im Mittelmeer seit langer Zeit eine eigenen Bestand (Subpopulation) und vermischen sich nicht mit ihren Verwandten im Atlantik. Darum stehen sie seit 2006 als vom Aussterben bedroht auf der Roten Liste.
Jetzt hat sich vor der italienischen Küste, vor Sizilien, wieder ein Pottwal in einem Treibnetz verheddert und konnte auch von Tauchern der Küstenwache und Biologen nicht befreit werden. Im Video der italienischen Küstenwache ist zu sehen, dass sich ein großes Netz mehrfach vor allem um Kopf und Unterkiefer  sowie um den Schwanz des Wals gewickelt hat, die typischen exponierten Körperstellen für “Entanglement” – “Verwicklung”. Die geringe Größe von ca 10 Metern und die schlanke Kopfform zeigen, dass es ein erwachsenes Weibchen oder ein junges Männchen ist. Der Meeressäuger lässt Kopf und Schwanz hängen, er ist sichtlich behindert durch die Enge und Last des unterreißbaren Kunststoffmülls. Die vorbeischwimmenden weißen Teile sind übrigens Plastikmüll – gleich nach dem Beifang die größte Bedrohung für die grauen Meeresriesen.

Taucher hatten zwar Teile des Treibnetzes entfernen können, aber dadurch bekam der gefangene Wal wieder so viel Bewegungsfreiheit, dass die Arbeit für die menschlichen Helfer zu gefährlich wurde – darum haben sie diesen Pottwal “Fury” getauft. Pottwale suchen niemals die Nähe von Menschen, wie etwa die neugierigen Buckelwale, sondern halten eher Abstand. Fühlen Sie sich in die Enge getrieben, tauchen sie einfach ab – sie sind Tieftaucher und können pro Minute Hundert Meter sinken oder steigen.  Sie lassen sich nur sehr schwierig oder auch gar nicht aus einem Netz befreien.
Auch in diesem Fall mussten die Taucher sich zurückziehen. “Diese verdammten Treibnetze richten so viel Schaden an. Ich habe seit 36 Stunden nicht geschlafen … die Taucher haben es geschafft, Teile des Netzes zu entfernen, aber dann bewegte sich der Wal wieder und es wurde zu gefährlich” erklärte die Biologin Monica Blasi gegenüber der Presse. Allerdings haben sie an Furys Schwanz noch ein Licht befestigt, um den Kontakt halten zu können und hoffentlich zu einem späteren Zeitpunkt auch noch den Rest des Netzes entfernen zu können.

Erst vor drei Wochen hatte die Küstenwache vor den Liparischen (Äolischen) Inseln im Tyrrhenischen Meer schon einem einen Pottwal aus einem Netz befreit. In diesem Jahr haben sie bereits illegale und aufgebene Netze von insgesamt mehr als 100 Kilometer Länge aus dem Meer gefischt und haben ihre Anstrengungen gegen illegale Fischerei verstärkt. Treibnetzfischerei ist seit 1992 per UN-Resolution für die Hochseefischerei verboten, die EU hatte das Verbot erst 2002 in ihren Gewässern durchgesetzt. Illegal läuft diese Form der Fischerei, die als Todeswand eine Schneise der Verwüstung zieht und vollkommen unselektiv alle Meeresbewohner abfischt aber weiterhin betrieben – auch in italienischen Gewässern. Außerdem sind Geisternetze ein großes Problem – aufgegebene, noch im Meer schwimmende Netze bleiben mit ihren stabilen Kunststoffgeweben noch lange als Stellwände des Todes im Meer, viele Tiere können sich noch darin verfangen. Die Zielart für diese Treibnetzfischerei ist vor allem Schwertfisch – mit dem Verzehr auf Mittelmeer-Schwertfisch schützt man auch Wale.

Mittelmeer-Pottwale sind anders

Pottwale haben ein hoch entwickeltes Sozialverhalten und kommunizieren in Dialekten. Anders als etwa die pfeifenden, schnatternden Delphine nutzen sie zur Kommunikation nur Clicks – wie zur Echoortung. Durch die bahnbrechenden Forschungsarbeiten Hal Whiteheads und seines Teams wissen wir heute, dass die Weibchen-Kind-Gruppen eine sehr rege Kommunikation haben. Wie auch andere Zahnwale klicken sie in Dialekten: Innerhalb einer Subpopulation unterscheiden sich die Dialekte in verschiedenen Untergrüppchen ein wenig. Die einzelnen Sub-Populationen allerdings “sprechen” dann sehr unterschiedlich – eine Kommunikation dürfte kaum noch möglich sein. Darum sie diese verschiedenen Bestände auch genetisch unterschiedlich.
Die Weibchen-Kind-Gruppen leben in wärmeren Gewässern nahe des Äquators, die Bullen ziehen im Sommer in die subpolaren Gewässer (z. B. vor Nord-Norwegen), im Winter sind sie nahe des Äquators bei den Familien. Die Bullengruppen sind recht wenig kommunikativ – sie wissen, dass ihre Kumpel nicht weit sind, schließlich können sie sie hören, allerdings zeigen höchstens jüngere Männchen die Neigung, sich dort in Gruppen aufzuhalten.

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