Was machen Physiker? Sie messen…
.. auch schonmal um der Messung selbst willen, wie es scheint.

Die amerikanische Bundesbehörde NIST in Boulder / Colorado, eine Art DIN-Amt für Technik, ist recht stolz: Seit drei Wochen nennt sie die genaueste Uhr der Welt ihr eigen.
Mit verschiedenen “optischen” Atomuhren, die selbst die Genauigkeit herkömmlicher Cäsium-Atomuhren um einige Nachkommastellen überbieten, sind den Physikern des NIST die genauesten Zeitmessungen aller Zeiten gelungen.

Ein löbliches Ansinnen, wenn Forscher versuchen, die Akkuratesse ins Unermessliche zu steigern.. aber wozu nochmal genau?

Wie am Samstag auf SpOn zu lesen war, wollen sich die amerikanischen Forscher mit ihrer Hitech-Uhr an einen richtig großen Brocken heranmachen:

Die Werte fundamentaler Naturkonstanten sollen nochmal genauer nachgeprüft werden, genauer gesagt die Feinstrukturkonstante α — die im Prinzip das uns bekannte Universum zusammenhält (bzw. wäre der Wert ein anderer, wäre das Universum vermutlich überhaupt nicht so, wie wir es kennen…)

Der von der NIST selbst angeratene Wert für die Konstante α ist 7.297 352 5376 x 10 ^-3.
Da sollte also noch ein bisschen mehr Präzision drin sein…
Offenbar haben die Forscher — mit Wilhelm Busch gesprochen — die sogenannten Konstanten “ein wenig im Verdacht der Unbeständigkeit”.

Soll meinen, sie würden liebend gern Minimalabweichungen in ihren eigenen “Richtwerten” entdecken.

Für meine Begriffe ein verdrehtes und wenig aussichtsreiches Unterfangen:
Von klassischen Problemen wie Beobachter-Bias und Messgenauigkeit abgesehen, ist die Feinstrukturkonstante lediglich der winzige, aber entscheidende Bestandteil einer der vier physikalischen Grundkräfte, der elektromagnetischen Wechselwirkung.

Zudem haben Konstanten die für diesen Versuchsaufbau eher störende Tendenz, konstant zu sein.

Stringtheorie hin oder her — selbst wenn die Gültigkeit der Grundkräfte jeweils auf bestimmte Bereiche beschränkt ist, bis es eine wirkliche Alternative à la “grand unification” gibt, nehme ich mir heraus, weiterhin an die Gültigkeit der Elektrodynamik zu “glauben”. Vielleicht ist das irrational, vielleicht aber auch eine Art zeitgebundener Occam-Rasierer — bis mir jemand was besseres vorschlägt.

Doch das NIST wird es wohl nicht sein:
Wohl nicht ganz ironiefrei hat SpOn die bislang mäßigen Erfolge zusammengefasst:

“Bislang brachten die mit den beiden Uhren durchgeführten Vergleichsmessungen keinen Beweis für eine veränderliche Feinstrukturkonstante.”

Surprise, suprise.

Kommentare (1)

  1. #1 florian
    März 10, 2008

    “Bislang brachten die mit den beiden Uhren durchgeführten Vergleichsmessungen keinen Beweis für eine veränderliche Feinstrukturkonstante.”

    Auch negative Ergebnisse sind Ergebnisse. In diesem Fall war die Chance auf ein anderes Ergebnis wohl nicht ganz so groß – aber zu wissen, das mit den aktuellen, sehr exakten, guten Methoden keine Änderung festgestellt werden konnte, ist auch schon eine interessante (und nicht unwichtige) Information. Leider machen sich die meisten Wissenschaftler meistens nicht mehr die Mühe, negative Ergebnisse zu veröffentlichen (auch, weil heute leider doch meist das Spektakuläre zählt…). Das ist aber durchaus nötig. In Brainlogs|Grenzen hat Vinzenz Schönfelder über die Antrittsrede von Richard Feynmann und zitiert u.a. folgenden Ratschlag: “Ob ein Experiment veröffentlich wird oder nicht, muss entschieden sein, bevor die Ergebnisse auf dem Tisch liegen.”.
    Ich würde daher diese bisherigen Ergebnisse ganz ohne Ironie als das ansehen, was sie sind: nicht unwichtige Ergebnisse wissenschaftlicher Experimente (wenn auch nicht so sspektakulär, wie manche Massenmedien es sich wünschen würden 😉 )