Endlich ereilt uns auch die neue Hysterie vor der neuen unbekannten und unerforschten Gefahr: NANO. – Ein Aufruf an die Forschung und zu mehr Gelassenheit.

Im aktuellen Spiegel (24/2008) wird schön und lange über potenzielle Risiken der Nanotechnologie, insbesondere in Lebensmitteln und Kosmetika berichtet. Tenor: GEFAHR.
Immerhin schreiben die Autoren aber auch:

“Eindeutig bewiesen ist davon bislang nichts, aber Monat für Monat tauchen neue Hinweise auf.”

Vermisst habe ich in dem Artikel allerdings den prominentesten Vertreter der Nanowarner, Prince Charles, der sich schon seit Jahren für eine zielgerichtete Erforschung potenzieller Nanorisiken stark macht. So äußerte er sich etwa im Jahr 2004 in einem Kommentar im Greenpeace-Magazin:

“Schon zu diesem frühen Zeitpunkt müssen wir die Frage aufwerfen, wie die Risikobewertung mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten kann. Es geht um ein sich rasant entwickelndes Forschungsgebiet, das viele Disziplinen umfasst.”

Tatsächlich, steht die Risikoforschung in diesem Bereich noch relativ jungfräulich da. Allerdings sehe ich wirklich keine Gefahren, wenn Oberflächen (Selbstreinigung, antibakterielle Silberpartikel im Kühlschrank) und Lacke (Farbglanz) mittels Nanoteilchen optimiert werden. Nanomedizin ist ebenso beliebt, lassen sich doch eventuell mittels Nanoverpackung kleinste Teilchen endlich dahin bringen, wo sie wirken sollen: So sollen sie etwa die sogenannte Blut-Hirn-Schranke überwinden helfen.
Und wenn die Lebensmittelindustrie nicht viel über Nano spricht, dann vielleicht, weil sie noch gar nicht so viel mit Nano macht? Na gut, ein wenig Nano-Kieselsäure (Nano-Siliziumoxid) könnte etwa die Fließeigenschaften von Ketchup verbessern (wie Marc beschrieben hat).

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hatte vor zwei Jahren eine Expertenrunde zur Nanotechnologie geladen. In der Zusammenfassung beruhigen mich deren Aussagen insbesondere auch zu Kosmetika und Sonnencremes – die im Spiegel-Artikel bildhaft das Risiko vermittelten. Dort heißt es zu den weiß schimmernden Nanopartikeln Titandioxid und Zinkoxid (die als Nichtnanos auch in der Mehrzahl aller Sonnencremes im Biomarkt stecken):

“Alle auf dem Expertentreffen vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass die Nanopartikel nicht in die gesunden Hautzellen eindringen. Hauptsächlich verteilen sie sich auf der Hautoberfläche. In tiefere Hautschichten gelangen sie über die Haarfollikel (Wurzelscheide), wo sie auch einige Zeit verbleiben. Das Haarwachstum befördert die Nanopartikel dann später wieder auf die Hautoberfläche. Ein tieferes Eindringen von Nanopigmenten wurde bei Mikroverletzungen der Haut beobachtet. Bei der Frage zum Risiko kamen die Experten zu dem Schluss, dass es für die Aufnahme über die Haut derzeit keine Hinweise auf eine spezielle „Nanotoxikologie” gibt.”

Es ist ein bisschen so wie mit Handystrahlen: Es könnte etwas sein. Doch Handystrahlen hat man wohl mittlerweile umfassend untersucht. Wichtig ist in jedem Fall ein Aufruf an die Industrie und auch die Gesetzgebung, sich Gedanken zu machen, Studien zu lancieren und in Zulassungsvorschriften einen deutlicheren Schwerpunkt auf die Risikobewertung zu legen. Aber ich fühle mich noch nicht hysterisch als Versuchskaninchen der Nanoindustrie.

Prince Charles
Bundesinstitut für Risikobewertung Expertenrunde Zusammenfassung 2006
BfR-Forschungsstrategie
BfR-Forschung
Die Welt: Nanotechnologie ist Experten nicht geheuer

mehr zur Nanotechnologie auf ScienceBlogs.de:
Wassertropfen mit Lotuseffekt auf der Wasseroberfläche
Riesenpotenzial der Nanozwerge
Wissenschaftskommunikation mit Nanofußball