Am besten suchst du natürlich da, wo du sie als letztes hingelegt hast.

Wenn man jetzt aber eine Atombombe finden will, die jemand anderem gehört und die dieser Jemand vielleicht sogar verstecken will, dann muss man schon etwas kreativer werden. Moderne Atomwaffen können mit so wenig U235 gebaut werden, dass die radioaktive Strahlung dieses Materials relativ leicht durch eine moderate Menge an Blei abgeschirmt werden kann. Daher reicht es nicht einfach, nur einen Ge-Detektor aufzustellen und die Gammastrahlung zu messen, da man die paar Ereignisse im Untergrund gar nicht sehen würde.

Die Lösung sind Neutronen. Im Gegensatz zu den elektromagnetischen Gammas, die im dicken Elektronenmantel des Metalls hängen bleiben, lassen sich die Neutronen kaum von ihrem Weg abbringen und gehen durch eine Bleiabschirmung durch wie ein heißes Messer durch Butter.

Nun hat normales U235 von Natur aus zwar schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu zerfallen und dabei Neutronen auszusenden, dies reicht bei bei einer normalgroßen Bombe allerdings ebenfalls nicht aus, um mit Neutronendetektoren mehr als das Rauschen des Untergrundes zu sehen. Daher müssen wir das Uran von draußen dazu anregen zu zerfallen und Kernspaltung induzieren. Dies passiert dadurch, dass ich von außen Neutronen in die Bombe schicke, sie dort auf das U235 treffen, dieses spaltet und jedes gespaltene U235-Atom wiederum drei Neutronen in alle Himmelsrichtungen aussendet. Diese Neutronen, die von der Bombe nach meiner Aktivierung in alle Himmelsrichtungen ausgesandt wurden, kann ich nun wiederum detektieren und somit festellen: “Oha, da ist eine Atombombe!”

MOMENT! Wenn ich jetzt von außen Kernspaltung induziere, dann setze ich doch eine Kettenreaktion in Gang (immerhin habe ich als Kind ja die Sendung mit der Maus gesehen) und die Atombombe explodiert. Das wäre doch eine reichlich blöde (wenn auch sichere) Art sie aufzuspüren.

Hm … Jein. Grundsätzlich können viele Neutronen eine Atombombe zünden, aber dazu muss genug Uran an einem Punkt vereint sein (kritische Masse) und/oder durch einen Reflektor müssen die Neutronen im Zentrum gehalten werden, so dass sichergestellt werden kann, dass auch jedes Neutron mehr als ein weiteres Neutron losschlägt.

Um eine Atombombe zu finden reicht es vollkommen, wenn ich 10 Millionen Neutronen pro Sekunde zum Suchen rausschicke. Das ist bei weitem nicht genug um sie ungewollt zum Detonieren zu bringen, reicht aber aus um sie zu finden.

Das Problem ist jetzt natürlich, wo bekomme ich die Neutronen her? Grundsätzlich kommen Neutronen nur aus Kernprozessen und ich kann ja schlecht an jede Grenzkontrolle einen Forschungsreaktor stellen, der mir die Neutronen produziert. Als Alternative könnte ich eine radioaktive Quelle benutzen, wie z.B. ein Americium/Beryllium Gemisch und auch wenn das sicherlich in der Vergangenheit schon des öfteren gemacht wurde, ist eine solche Quelle recht schwach und dauerhaft aktiv, was das Handling erschwert und natürlich auch Atommüll produziert. Die Antwort ist relativ simpel, aber trotzdem erstaunlich: Kernfusion!

Bei der handelsüblichen Kernfusion verschmelzen zwei Deuterium- oder Tritium-Kerne zu einem Helium-Atom und dabei wird nicht nur Energie, sondern auch noch ein Neutron (bei T-T zwei Neutronen) mit einer charakteristischen Energie frei.

WARTE MAL! Ist Kernfusion nicht das mit den großen Fusionskraftwerken, was seit Jahrzehnten als saubere Energie im Gespräch ist, aber nicht wirklich kommt?

Ja, aber … es gibt auch Kernfusion in klein. Dazu brauche ich nur ein extrem starkes elektrisches Feld, um z.B. mein Deuteron zu beschleunigen und durch die extreme Beschleunigung schafft es das Deuteron die Coulombbarriere zu überwinden und mit dem Target zu fusionieren. Die Lösung unserer Energieprobleme ist das zwar nicht, da es viel mehr Energie braucht, als dabei herauskommt … aber es produziert immerhin ein Neutron, dass ich dann weiter nutzen kann.

Solche Fusionsgeneratoren (wie z.B. ein Farnsworth-Hirsch-Fusor) sind ungefähr so groß wie ein Unterarm, kosten ca. 200.000 Euro und ich hab einen im Keller. Im Zuge des 11.September haben die Amerikaner sogar eine noch kleinere Variante mit weniger als 10Watt Leistung entwickeln lassen, die bequem in eine Handtasche passt(1). Kernfusion aus dem Rucksack quasi.

Ich produziere also meine Neutronen und schicke sie auf die Reise. Sie finden ein paar U235-Kerne, spalten diese und die Neutronen aus der Spaltreaktion kommen zu mir zurück. Die Rückkehrer kann ich messen und damit erkennen, ob in diesem Überseekontainer nicht doch eine Atombombe hinter ein paar dicken Bleiplatten verborgen liegt. Ein bischen wie Marco/Polo spielen. Wenn ich richtig gut bin, dann kann ich sogar durch das Energiespektrum der zurückkommenden Strahlung herausfinden um was für eine Art Atomwaffe es sich denn handelt und wieviel spaltbares Material sie besitzt.

Eine hübsche Anwendung dieser (oder einer recht ähnlichen Technik) wird übrigens in dem Buch “Bedingt dienstbereit” von einem ehemaligen BND-Agenten beschrieben, der mit CIA-Agenten nach der Wiedervereinigung russische Sprengköpfe gesucht hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dabei die deutschen Arbeitsschutzrichtlinien für Arbeiten mit ionisierender Strahlung nicht eingehalten wurden *g*.

(1) https://scitation.aip.org/content/aip/magazine/physicstoday/news/10.1063/PT.5.7123;jsessionid=3mnsku7p47f2j.x-aip-live-03

Kommentare (21)

  1. #1 rolak
    18. Januar 2015

    Kernfusion in klein

    Fusion an sich ist in einem weiten Größenordnungsbereich ja nicht so das Problem – daher wäre imho eher ‘in zu ineffektiv für Energiegewinnung’ bzw ‘in ausreichend kontrolliert’ ein WarumTrotzdem- bzw Alleinstellungs-Merkmal.

    Der direkt zur Quelle führende FußnotenIndex ist schick.

  2. #2 Strudel
    18. Januar 2015

    Sehr interessant! Kann man so tatsächlich auf eine Atombombe schließen oder “nur” auf eine entsprechende Menge U235?

  3. #3 Tobias Cronert
    18. Januar 2015

    Theoretisch kann man in begrenztem Maße auch etwa über die Geometrie und verwendeten Reflektormaterialien sagen. Wenn man das mit Nachrichtendienstlichen Erkenntnissen verbindet kann man auf die Art der Atombombe zurückschließen.

  4. #4 sax
    18. Januar 2015

    Funktioniert das oder was ähnliches auch für Bomben die Plutonium-239 als sprengstoff verwenden?

  5. #5 sax
    18. Januar 2015

    Noch mal ich um die Kommentarbenachrichtigung zu akrtivieren

  6. #6 krypto
    19. Januar 2015

    @Sax#4: Ja.

  7. #7 Daniel
    München
    19. Januar 2015

    Könnte man die Neutronen nicht durch Wasser um die bombe abfangen?

  8. #8 tobalt
    19. Januar 2015

    Sind den neutronenfangende materialien wie wasser so ineffizient dass sie eine praktische abschirmung der bombe verhindern? Ich meinte mal was gelesen zu haben dass wenige meter oder sigar cm (??) Dafür ausreichend wären.

  9. #9 Tobias Cronert
    19. Januar 2015

    @sax: Ja grundsätzlich funtioniert das mit Putonium mehr oder weniger auf die gleiche Weise. Wobei ich jetzt aus dem Stehgreif nicht weis, inwiefern sich das charakteristische Energiespektrum von U235 zund Pu 239 unterscheidet, sprich ob man die beiden unterscheiden kann.

    @Abschirmung: Ja grundsätzlich kann man auch Neutronen abschirmen, aber das wird vor allem für schnelle Neutronen (wie aus der Fusionquelle oder der Kernspaltung) wesentlich schwieriger, als nur reine Gammastrahlen. Außerdem produzieren schnelle Neutronen wenn sie absorbiert werden wiederum rel. harte Gammastrahlen, die dann wieder mit Blei abgeschirmt werden müssen. Eine effektive Abschirmung wäre z.B. ein Sandwitch aus Neutronenabsorbern und Blei mit mehreren Sandwitchschichten. Aber die wird dann wieder ziemlich dick und passt nicht in einen Überseecontainer.

  10. #10 rolak
    19. Januar 2015

    nicht in einen Überseecontainer

    Vor allem ist das Gesamtpaket keinesfalls mehr tragbar, was es für die so gefürchteten ‘RucksackBomben’ ausschließt

  11. #11 schlappohr37
    19. Januar 2015

    Wenn Dir die Frage nicht zu privat ist: Das Ding in Deinem Keller… hast Du das selbst gebaut? Ich habe mal irgendwo ein PDF gefunden, wo jemand beschreibt, wie man einen IEC-Reaktor selbst herstellen kann. Man braucht dazu halt Deuterium, eine Reaktorkammer, die ein Hochvakuum verträgt, eine Pumpe zu Erzeugen des selbigen und noch so ein paar Gadgets, die der durchschnittliche Bastler nicht direkt im Keller liegen hat.

  12. #12 Uli
    19. Januar 2015

    Wäre ich jetzt ein Böser Bube (TM), dann würde ich mir einen Detektor bauen, der diese Test-Neutronen erkennen kann.

    Wenn der dann tatsächlich welche entdeckt, dann weiß ich, daß ich gerade in einem US-Hafen bin, weil nur die USA solche High-Tech-Detektoren haben…

  13. #13 Tobias Cronert
    19. Januar 2015

    @Schlappohr37: Mit meinem Keller meine ich schon eher den Keller in “meinem” Institut. Da gibt es einen Sodern Genie 16GT https://www.sodern.com/sites/docs_wsw/RUB_79/Genie16GT.pdf
    der kostet auch die erwähnten 200k€, hat aber eine Menge Auflagen, weil man damit eben nicht nur Atombomben finden, sondern auch welche zünden kann. Es ist natürlich reizvoll sowas auch mal privat zu bauen, aber irgendwie sind die Einsatzmöglichkeiten da doch recht begrenzt *g*

  14. #14 schlappohr37
    19. Januar 2015

    Das finde ich cool, wenn im Prospekt einer Neutronenquelle etwas von ‘easy to use’ und ‘userfriendly software’ steht…. *g* Aber von Atombombendetektion steht da nichts. Habt ihr nicht Angst, dass die Garantie verlischt, wenn ihr das Gerät nicht bestimmungsgemäß benutzt?

  15. #15 Tobias Cronert
    19. Januar 2015

    Och das Ding ist schon recht Narrensicher … zumindest im Gegensatz zu den Dingen die da noch so in diesem Keller herumstehen *schauder*.
    Zur Atombombendetektion würde man ja auch die größere Variante nehmen, die 100mal mehr Neutronen produzieren kann und auch 10 mal so viel kostet.
    Erste Regel beim Ausgeben von öffentlichen Geldern: “Wiso eines kaufen, wenn man zum doppelten Preis auch zwei haben kann?” 😉
    Bei der bestimmungsgemäßen (hust ähem kreativen) Nutzung von DualUse Gütern ist EADS erstaunlich kulant *g*

  16. #16 wiener
    19. Januar 2015

    Cooler Artikel! Werden die Dinger standardmaessig in Frachthaefen genutzt oder nur auf Verdach?

  17. #17 Tobias Cronert
    19. Januar 2015

    Die Amerikaner haben solche Systeme nach dem 11.September viel genutzt. https://str.llnl.gov/str/May04/Slaughter.html
    In Deutschland sollte der Einsatz aus Strahlenschutztechnischen Gründen so gut wie unmöglich sein.

  18. #18 wahrheitsliebender
    19. Januar 2015

    Als purer Laie eine Frage – in welcher “Packungsgröße” und mit wieviel Gewicht sind heutzutage “Schmutzige- oder A-Bömbchen” eigentlich herstell- und transportfähig?

    Gruß!

  19. #19 Tobias Cronert
    19. Januar 2015
  20. #20 Tobias Cronert
    19. Januar 2015

    Sorry. Moderne Atombbomben werden wohl wenige Kilo Uran haben und dann von der Größe sowas in der Richtung von R2D2 sein. Schmutzige Bomben kann man mit beliebig kleinen Mengen Uran machen (da kommt es ja auf die psychologische Wirkung an), wobei da Uran def. nicht das Isotop der Wahl wäre, sondern andere Sachen geeigneter sind.

  21. […] insgesamt werden nur so viele Neutronen produziert, wie von modernen Kernfusionsneutronenquelle, von denen ich schon mal berichtet hatte. Aber bei meinem speziellen Versuch scheint das voll und ganz ausreichend zu […]