… steht in der TU-Dresden und produziert sagenhafte 2 Watt thermische Leistung. Ja genau, kein kilo-, kein Mega- einfach nur Watt. Man könnte also noch nicht mal eine Energiesparlampe damit betreiben, selbst wenn man es schaffen würde, die gesamte thermische Leistung in Elektrizität umzusetzen. Mein Chef meinte damals bei der Besichtigung liebevoll, “ein Mensch produziert so viel Leistung in einer Stunde, wie der Reaktor im ganzen Jahr”.

Naja, das soll er ja auch nicht, denn der AKR-2 (Ausbildungkernreaktor 2) (1) (2) wurde 1975 (damals die Vorgängerversion AKR-1) als Weiterentwicklung der Simens-Unterrichtsreaktoren (SUR) (3) (die ca. ein halbes Watt Leistung hatten) gebaut und dient grundsätzlich zu Ausbildungszwecken. Der Brennstoff besteht aus angereichertem, russischem Uran (das wahrscheinlich in Deutschland abgebaut und gefördert wurde). Es lagert, homogen mit Plastik (Polyethylen) gemischt, in zwei Stempeln, die vertikal zusammengefahren werden um Kritikalität zu erreichen und den Reaktor “anzuschalten”.

Es gibt Steuerstäbe aus Cadmium um den Neutronenfluss zu steuern, aber kein Reaktorbecken mit Wasser, da eine Kühlung bei der geringen Leistung nicht notwendig ist. Dadurch, dass das Uran homogen mit dem Polyethylenmoderator vermischt ist, kann selbst bei absoluten Bedienungsfehlern kein prompt-überkritischer Zustand erreicht werden. Der GAU beim AKR-2 wäre, wenn jemandem der Betonstopfen, der den Radialkanal verschließt, auf den Kopf fällt, während er darunter arbeitet.

Daher kann man auch getrost Japanologie-Studenten an den Reaktor dranlassen (wenn man ihnen vorher die Eidechsen abnimmt). Neben dem festen Platz in der Physikerausbildung wird nämlich auch in der institutsübergreifenden Ausbildung ein Kurs für Hörer aller Fakultäten angeboten, wo dann eben einmal Germanistik-Studenten einen Atomreaktor bedienen können. Diese Vorlesung ist zweimal hintereinander mit dem universitätsweiten Lehrpreis ausgezeichnet worden und daher existiert immer eine lange Warteliste für die neuen Kurse.

Ich habe mich ein bisschen dazwischengemogelt und darf bald ein paar Neutronenmessungen dort am offenen Reaktor vornehmen. Was ich da genau mache, werde ich sicher noch mal ausführlich erklären, aber bei der Messung war es halt wichtig, ein komplettes, echtes Spektrum an Neutronen zu bekommen, das aus einem Strahlrohr kommt, das direkt auf den Reaktorkern blickt und bei dem ich mir nicht direkt all meine Messelektronik aktiviere.

Moderne Forschungsreaktoren wie der FRM II oder das ILL haben keine radialen Strahlrohre mehr, so dass eigentlich nur noch ältere Modelle wie der TRIGA Mark II von Prof. Oberhummer an der TU Wien geblieben wären… oder eben Nulleistungsreaktoren wie der AKR-2.

Aufgrund der geringen Leistung ist natürlich auch die Neutronenausbeute am AKR-2 wesentlich geringer als bei Leistungsreaktoren (ca. 7 Größenordnungen) und insgesamt werden nur so viele Neutronen produziert, wie von modernen Kernfusionsneutronenquellen (von denen ich schon mal berichtet hatte ). Aber bei meinem speziellen Versuch scheint das voll und ganz ausreichend zu sein.

Ach ja, ich wollte natürlich noch berichten, warum der AKR-2 der modernste Atomreaktor Deutschlands ist. Nun, nach der Wiedervereinigung gab es eine Übergangzeit für alte Anlangen nach dem Atomgesetz, aber da man den damaligen AKR-1 für noch ganz brauchbar hielt, hat man ihn einfach renoviert und eine komplette, neue Zulassung beantragt, die dann auch 2004 durchgegangen ist, so dass er nun der modernste und wahrscheinlich auch letzte Atomreaktor ist, der in Deutschland zugelassen wurde.

Ich hatte beim Thema Uranmunition ja schon mal geschrieben, dass in Deutschland heutzutage für jede neu zugelassene Anlage auch ein Entsorgungskonzept existieren muss, wie man den Atommüll denn wieder loswerden will. Das Entsorgungskonzept des AKR-2 ist so genial wie einfach. Es heißt: “Unser Brennstoff ist nach der Benutzung noch neu und unverbraucht.” Denn während normale Atomkraftwerke 10-100 Tonnen Uran pro Jahr verbrauchen, verbrennt der AKR-2 ca. 2g U235 in 3000 Jahren.

 

(1) https://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_maschinenwesen/iet/wket/research/akr/index_html
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Ausbildungskernreaktor_Dresden
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Siemens-Unterrichtsreaktor

Kommentare (7)

  1. #1 Hans
    12. Februar 2015

    Interessanter Bericht. Kann man diesen Reaktor als Bausatz kaufen? Oder gibt es alternativ Bezugsadressen der benötigten Teile?

  2. #2 Tobias Cronert
    12. Februar 2015

    Also grundsätzlich ist schon viel Hirnschmalz da reingeflossen, den Reaktor so auszulegen, dass er nicht prompt-überkritisch werden kann. Nachbauen könnte man das natürlich relativ leicht, nur an das angereicherte Uran zu kommen könnte etwas schwierig werden. Da würdest du dann vor dem selben Problem stehen, wie dieser Mann hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Emmett_Brown

    Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass der AKR-2 der letzte Atomreaktor in Deutschland ist, der eine Genemigung bekommen hat. #Atomausstieg

  3. #3 schlappohr
    12. Februar 2015

    Also ich bin ganz froh, dass unsere AKW demnächst den Weg alles irdischen gehen. Aber wenn ich den Artikel so lese, ist es anscheinend doch möglich, einen Reaktor kleiner Leistung halbwegs sicher bauen zu können. Ungewollt kritisch kann er nicht werden, das Problem der Endlagerung existiert auch nicht. Wäre es dann nicht möglich, viele kleine Reaktoren mit geringem Wirkungsgrad anstatt weniger großer zu bauen? Könnte man damit nicht sogar die “Restbestände” aus den Zwischenlagern nutzbringend zu ende strahlen lassen? Ein 200W-Reaktor im Keller für Warmwasser-Grundbedarf hätte doch schon einen gewissen Charme. Und wenn ich sehe, dass moderne Heizungssystem sogar mit der Kristallisationsenergie des Wassers ein Haus heizen können, sollte das doch zumindest von der Energiebilanz her möglich sein. Kosten und Sicherheitsfragen mal außer acht gelassen. Was z.B.passiert, wenn das Haus bis auf die Grundmauern abbrennt, müsste man nochmal genauer durchdenken. Regenerativ ist das ganze auch nicht, aber wenn das Zeug ohnehin zerstrahlt, können wir es auch für uns arbeiten lassen.

  4. #4 Ludger
    12. Februar 2015

    @ schlappohr, #3
    Frag doch mal hier: https://www.gen4energy.com/

    The reactor, known as the Gen4 Module (G4M), designed to fill a previously unmet need for a transportable power source that is safe, clean, sustainable, and cost-efficient. The reactor has been designed to deliver 70 MW of heat (25 MW of electricity) for a 10-year lifetime, without refueling.

  5. #5 Hans
    12. Februar 2015

    Dass es keinen Bausatz gibt, bremst doch meinen Forschungsdrang etwas.

    ” … der AKR-2 der letzte Atomreaktor …”

    Der letzte der alten Generation kann schon sein. Aber die neue steht schon bereit: https://festkoerper-kernphysik.de/dfr

    Bei denen Frage ich einem Bausatz erst gar nicht an.

  6. #6 Dominik
    13. Februar 2015

    Ich muss gerade ein wenig an Loriot denken…

  7. #7 Horst
    13. Februar 2015

    Kannst Du deinem Chef ausrichten, dass er sich bei Gelegenheit nochmal mit dem Unterschied zwischen Leistung und Energie befassen könnte? 😉

    @mini-Reaktor im Keller: hat Bill Gates neulich jemanden gesponsert, der genau so etwas entwickeln wollte?