Ich bin gerade in Berlin auf der jährlichen Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Die ist mit 10-15.000 Teilnehmern immer eine der größten Physikerkonferenzen des Landes und damit auch eben eine riesige Ansammlung von Nerds.

Am Sonntagabend war die Eröffnungsveranstaltung mit Schnittchen und Bier gratis und wenn man mal ein paar echt feindselige Gesichter sehen möchte, dann braucht man nur mit einem Kumpel über den Innenhof des Hauptgebäudes zu gehen und ganz unschuldig zu fragen: “Was? Man kann auch von einer negativen Zahl eine Wurzel ziehen? Das glaube ich nicht.” Die Blicke, die dann von den Umherstehenden kommen, sind echt Gold wert.

Grundsätzlich sind hier vor allem Festkörperphysiker aller Couleur (von den experimentellen Materialwissenschaften bis zur Theorie) vertreten. Für die Kernphysiker und Didakten hat die DPG noch mal eine eigenständige Veranstaltung und die Astrophysiker sind generell ein wenig anders organisiert, soweit ich das weiß. Da es über die DPG ein Förderprogramm für junge Wissenschaftler gibt, das die Reise-, Hotel und Tagungskosten deutlich bezuschusst und die Tagung somit die Fakultäten relativ wenig kostet, ist die DPG-Frühjahrstagung oft eine der ersten Veranstaltungen, die man so in seiner wissenschaftlichen Karriere in meinem Bereich besucht.

Mein direktes Fachgebiet, die Neutronenphysik, ist hier rel. schwach vertreten, da sie klassisch immer zwischen den Stühlen der Kern- und Festkörperphysik sitzt, so dass ich die Vorträge, die fachlich direkt für mein Thema relevant sind, an einer Hand abzählen kann. Das macht die ganze Veranstaltung aber für mich nicht weniger interessant, denn sehr viele Arbeitskollegen, die ich so während der letzten Jahre kennen gelernt habe, sind ebenfalls hier und die Diskussionen beim Mittagessen oder Kaffeetrinken sind die Reise hierher allemal wert.

Am Sonntag- und Montagmorgen habe ich mich mit meinem alten Forschungsbereich aus Köln auseinandergesetzt und mir “Domain Wall Dynamics” und “Multiferroics Sessions” angehört. “Niemand hat die Absicht eine ferroische Domänenwand zu errichten” hat hier in Berlin eine ganz andere Qualität als daheim im Institut. Montagnachmittag gab es dann für mich ein paar entspannende Vorträge zur Kernfusion und am Abend gehe ich mal zum Science Slam in die Urania und gucke mir an, was die Konkurrenz so treibt *g*. (20:00 offen für alle)

Bei der Kernfusion fand ich vor allem den aktuellen Zeitplan zu Wendelstein 7X sehr interessant. Offensichtlich haben sie die supraleitenden Magneten gerade heruntergekühlt und beginnen damit, das Plasmagefäß abzupumpen und dort nach einem 1mm Loch zu suchen, was sich wohl eingeschlichen hat und noch zugeschweißt werden muss. In der zweiten Hälfte diesen Jahres soll dann das ersten Plasma produziert werden und 16/17 wird mit dem Leistungsbetrieb begonnen, so dass ab 2019 eine nennenswerte Leistung (10-20MW) abgeführt werden kann. Offensichtlich scheint es bei denen doch besser zu laufen als ich so gedacht hatte.

Bis Freitag bin ich noch hier und auch wenn ich noch einige feste Termine haben werde, mache ich sicher auch mal einen Abend frei. Das heißt, wenn hier jemand irgendwelche besonderen Insidertips für Berlin in dieser Woche zur Verfügung hat, bin ich sehr interessiert.

Kommentare (1)

  1. #1 MartinB
    17. März 2015

    “Niemand hat die Absicht eine ferroische Domänenwand zu errichten”
    voll ROFL