Im Zuge des 11. September haben viele, teilweise recht merkwürdige, Sicherheitskonzepte das Licht der Welt erblickt. Da wollte die Physikalisch-Technische-Bundesanstalt (kurz PTB) wohl auch mitspielen und hat ein sehr effektives System zur Durchleuchtung von Flugzeugcontainern auf der Basis einer kompakten, beschleunigerbasierten Neutronenquelle (CANS) entwickelt.

Diese schießt einen Protonenstrahl auf ein Target und schlägt dort sowohl Neutronen (mit einem weißen Energiespektrum) als auch Gamma-Strahlen mit charakteristischen Wellenlängen heraus.

Die Gamma-Strahlen werden benutzt, um mittels Dual Discrete‐Energy Radiography (DDER) hauptsächlich sog. special nuclear materials (kurz SNM) aufzuspüren und die Neutronen werden verwendet, um mittels Fast Neutron Resonance Radiography (FNRR) Explosivstoffe aufzuspüren. Außerdem liefern beide Verfahren Transmissionsbilder mit verschiedenen Kontrasten, die sich gegenseitig ergänzen und so dazu benutzt werden können, Gegenstände noch präziser zuzuordnen und zu erkennen.

Buddha Statue mit Neutronen (mitte) und Röntgen (rechts) durchleuchtet. Quelle: Paul Scherrer Institut, Villigen, Schweiz. https://www.psi.ch/media/das-laecheln-des-buddha

Als Beispiel zeige ich immer gerne dieses Bild einer Buddha Statue, die am PSI sowohl mit Neutronen, als auch Röntgen durchleuchtet worden ist. Hierbei sieht man recht anschaulich, dass Neutronen und Röntgen auf die gleichen Materialien anders reagieren und so verschiedene Bilder erzeugen. Die Wechselwirkung bei Röntgen ist (in diesem Beispiel) rel. einfach. Da Röntgen eine elektromagnetische Welle und somit “geladen” ist, streut sie schon an der Elektronenwolke eines Atoms. Daher ist das Pixel auf dem Röntgenbild um so dunkler, je höher die Kernladungszahl (also die Anzahl der Elektronen) des Materials ist, das die Röntgenstrahlen durchdringen mussten. Wasserstoff hat nur ein Elektron, also gehen die Röntgenstrahlen da einfach durch, während es von Blei mit seinen 82 Elektronen sehr zuverlässig aufgehalten wird.

Neutronen sind ungeladen, gehen einfach durch die Elektronenwolke durch und streuen erst am Kern. Daher wird die Streu- und Absorbtionswahrscheinlichkeit von den Eigenschaften des Kerns bestimmt und ist für alle Isotope unterschiedlich. Während Elemente, die im Periodensystem nah beieinander liegen, für Röntgen fast gleich aussehen (wie z.B. Mangan, Eisen und Nickel) sehen die gleichen Elemente für Neutronen total unterschiedlich aus.

Wirkungsquerschnitt für Röntgen (links) und Neutronen (rechts) für verschiedene Elemente.

Wirkungsquerschnitt für Röntgen (links) und Neutronen (rechts) für verschiedene Elemente.

 

Die Methoden, um die durchleuchteten Gegenstände elementspezifisch aufzuschlüsseln, ist etwas komplizierter, so dass ich ihr in näherer Zukunft einmal einen ganzen Artikel widmen werde. Die PTB hat in der Entwicklung ihres Konzeptes unter anderem Milchflaschen und APEX-Sprengstoff durchleuchtet und den Sprengstoff nach seiner chemischen Zusammensetzung erkannt und eingefärbt, so dass diese als Falschfarben auf dem Radiographiebild zu erkennen waren. Dies funktioniert voll automatisch und erfordert nicht mehr die Interpretation von Bildern durch einen menschlichen Benutzer.

 

Das ACCIS (An Automated Cargo Container Inspection System) ist soweit fertig und könnte sofort in Produktion gehen und an deutschen Flughäfen eingesetzt werden und pro Gerät ca. 20 Container pro Stunde durchleuchten. Warum wird das ganze nicht gemacht? Die einfache Antwort ist: Geld. Flughafensicherheit ist zwar nicht mehr ganz Niedriglohnsektor, aber mit den 10-14€/h  haben sie in den lezten Jahren durchaus zurecht für mehr Geld gestreikt.

Ein solches System würde aber ca. 10 mal so viel kosten wie die gängigen Röntgengeräte, die aktuell im Einsatz sind und für solch unverhältnismäßige Ausgaben lassen sich nur die USA begeistern.

Die Strahlenbelastung durch die kombinierte Neutronen- und Gamma-Quelle hält sich ebenfalls in Grenzen, da immer nur kleine Nanosekunden-Pulse benutzt werden, um das Gepäck zu durchleuchten. Die Dosisleistung liegt unter 0.01µSv pro Stunde und Kilogramm, was gerade mal 1/10 Banane ist und somit getrost verkraftet werden kann. Die Aktivierung durch Neutronen ist schon ein Problem, denn sie kann mehrere tausend Bq pro Kilo betragen. Diese Aktivierung klingt allerdings eben so schnell wieder ab, wie sie gekommen ist, so dass sie wieder hinreichend abgenommen hat, wenn das Gepäck am Zielflughafen angekommen ist. Bis dahin allerdings gilt es (teilweise) nach dem deutschen Gesetz als radioaktiv, was den praktischen Einsatz am Flughafen (bei den aktuellen Gesetzen) extrem verkomplizieren würde.

Kommentare (5)

  1. #1 Fridolin
    1. Juli 2015

    Wieviel kostet sowas jetzt genau?

  2. #2 Tobias Cronert
    1. Juli 2015

    Das kommt ein bischen darauf an, wie man rechnet und welche Systeme man jetzt genau vergleichen will. Aber grundsätzlich kann man sagen ca. 500.000 für so eine Neutronenquellen und ca. ein Zehntel davon für ein aktuelles Röntgensystem.

  3. #3 Stefan
    1. Juli 2015

    Die Wirkungsquerschnittgrafik hat mir sehr gefallen und natürlich das Bananenäquivalent

  4. #4 MJ
    2. Juli 2015

    Statt Magnesium war wahrscheinlich Mangan gemeint, Magnesium liegt da etwas weiter weg im Periodensystem…
    Ansonsten sehr interessant.

  5. #5 Tobias Cronert
    2. Juli 2015

    @Stefan: Danke. Nächste Woche gibt es noch mehr Bananen *g*

    @MJ: Ja, du hast natürlich vollkommen recht. Vielen Dank, ich habe es geändert.