Als nächstes geht es um Blistering – also “Blasen werfen” – in/auf Beryllium-Metall, um Strahlungsschäden an anorganischer Materie zu verdeutlichen. Dies ist für mich wieder einmal ein Heimspiel, denn es beschreibt eines der großen Probleme bei der Produktion von Neutronen mit einem Teilchenbeschleuniger, woran ich ja gerade arbeite.

Also folgende Situation: Ich schieße mit einem Strahl aus Protonen auf einen Klotz Beryllium-Metall. Die Protonen werden in dem Metall gestoppt und schlagen dort Neutronen heraus, die weiterfliegen und am Ende z.B. als Mikroskop benutzt werden können.

Analog zu einer Röntgenquelle nennen wir den Be-Klotz “Target”. Beryllium ist erst mal nur ein normales Metall. Man kann es schmieden, verformen, fräsen usw. und auch wenn der Staub davon recht giftig ist, so unterscheidet es sich nicht wirklich von anderen Metallen, wenn man mal davon absieht, dass es sogar noch ca. 30% leichter ist als Aluminium. Was es für uns interessant macht ist seine geringe Kernladungszahl, denn es ist sehr leicht (sprich das Atom besteht nur aus wenigen Protonen und Neutronen). Die geringe Kernladungszahl macht es für Röntgen nahezu unsichtbar und für Neutronen ein gutes Ziel zur Moderation. Darüber hinaus hat es noch andere kernphysikalische Eigenschaften, die später noch wichtig werden. Der arme Berylliumklotz bekommt jetzt nicht nur durch den Protonenstrahl mehrere kW thermischer Leistung pro cm² verpasst, sondern auch noch drei verschiedene Arten von Strahlungsschäden:

  1. Wasserstoffdeposition: Die Protonen aus dem ankommenden Strahl bleiben im Be-Klotz hängen und ein einzelnes Proton ist nichts anderes, als ein Wasserstoff-Ion. Dieses formt zusammen mit einem anderen H+ Ion und zwei Elektronen dann ein Wasserstoffmolekül, welches als Gas mitten im Be-Klotz eingeschlossen ist. Einzelne Gasmoleküle sind jetzt erst mal nicht besonders schlimm, aber wir reden hier von ca. 10^17 Protonen pro Sekunde, so dass innerhalb von (Betriebs)Tagen durchaus Mengen von mehreren mol deponiert werden.

  2. Kernreaktion der Protonen: Die Protonen schlagen (je nach Energie) mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Neutronen oder Neutronen und Protonen aus dem Be-Kern heraus. Wenn ein Beryllium-Atom ein Proton verliert, dann ist es kein Beryllium mehr, sondern wird zu Lithium (einem anderen Material mit ganz anderen Eigenschaften). Dies ist der harmloseste Strahlenschaden, denn ein bischen Lithium im Be-Klotz funktioniert letztendlich nur wie bei einer metallischen Legierung und verändert die Materialeigenschaften ein wenig. Den umgekehrten Effekt gibt es auch und das Be kann ein Proton einfangen und wird damit zu Bor. Bor ist zwar kein (richtiges) Metall mehr, aber auch das ist nicht sooo schlimm.

  3. Kernreaktion der Neutronen: Nicht nur die Protonen können Kernreaktionen hervorrufen, sondern auch die Neutronen, die ich soeben produziert habe. Wenn die Energie gut gewählt sind und die Wahrscheinlichkeiten stimmen, dann kann ein Neutron durch die (n,2n)-Kernreaktion zwei weitere Neutronen herausschlagen. Dabei zerfällt das Be zu zwei Helium Atomen, die dann auch wieder in dem Klotz verbleiben. Gerade diese Reaktion wird nicht nur in Neutronenquellen genutzt, sondern soll vorallem in Fusionsreaktoren einen stabilen Neutronenfluss gewährleisten (und in Atombomben zur Senkung der kritischen Masse beitragen).

All diese Schäden sind in einem Be-Klotz verkraftbar, denn außer einer guten thermischen Leitfähigkeit um die Leistung loszuwerden brauche ich hier keine Materialeigenschaften. Trotzdem produziere ich Gase (Wasserstoff und Helium) in einem festen Metallobjekt und diese Gase wollen irgendwo hin, werfen Blasen und machen im Allgemeinen meinen schönen kompakten Klotz kaputt. All diese Sachen passieren (in einem kleineren Rahmen) aber auch in funktionellen Materialien, wie Stahl (sei es Feder- oder Edelstahl) oder Elektronik. Dort haben sie dann wesentlich stärkere Auswirkungen.

Kommentare (2)

  1. #1 hubert taber
    8. August 2015

    https://derstandard.at/userprofil/postings/84963

    es stellt sich die frage ob die in dem link erwähnten personen nicht auch eine grössere dosis erhielten.
    mfg.h.t.

  2. #2 JaJoHa
    18. August 2015

    Für Halbleiter gibts den Lazarus-Effekt, bei dem Effekte von Strahlenschäden bei tiefen Temperaturen unterdrückt werden. Elektronik ist ja heute praktisch immer mit Halbleitern 😉