Die JCANS (Japan Collaboration of Accelerator driven Neutron sources) ist ein Netzwerk von größeren und kleineren japanischen Neutronenquellen, die sich zum Zwecke der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Austausches zusammen getan haben. Das ist jetzt auch erst mal nichts Besonderes, denn mit der KFN (dem Komitee zur Forschung mit Neutronen) gibt es in Deutschland etwas recht ähnliches, aber schon auf den zweiten Blick bemerkt man eine ganze Menge signifikante Unterschiede.

Zuerst einmal ist die JCANS auf beschleunigerbasierte Quellen (derzeit 9 Stück) und industrielle Partner beschränkt und fokussiert sich daher mehr auf die Quellen und deren Bedürfnisse im Gegensatz zu der Wissenschaft, die damit “produziert” wird, so wie es die KFN tut.

Zweitens – und das ist meiner Meinung nach noch wesentlich wichtiger – kommen die Mitglieder von einer sehr großen Bandbreite an Quellen. Von Quellen, die seit den 70gern in Betrieb sind, bis zu brandneuen, die 2018 an den Start gehen wollen. Von kleinen Quellen ohne größeres Budget mit gerade einmal 3 Mitarbeitern bis zu multinationalen Firmen wie Toyota Motor Corporation. Von Grundlagenforschung in der Astrophysik oder dem Standardmodell bis zu Stresstests in tiefgezogenem Metall in der Automobilindustrie. Diese große Bandbreite an verschiedenen Erfahrungen und Expertisen hilft ihnen extrem auf das gemeinsame Ziel hin zu arbeiten, der möglichst effektiven Nutzung von Neutronen als mikroskopische Untersuchungsmethode.

Gleichzeitig ist die JCANS natürlich in die internationale WIssenschaftslandschaft integriert. Hauptsächlich auf der Seite der UCANS (Union for Compact Accelerator driven Neutron Sources), da alle Mitglieder der JCANS – mit Ausnahme der J-Parc Spallationsquelle natürlich – eben kompakte Neutronenquellen sind, die sowieso mit der UCANS zusammenarbeiten würden.

Was hat das nun mit der deutschen Situation zu tun? In Deutschland sind alle Neutronenquellen (mit Ausnahme von FRANZ) Forschungsreaktoren (und keine Teilchenbeschleuniger) und werden in naher Zukunft abgeschaltet, wie ich ja vorher schon einmal berichtet hatte. Wir wollen nun diese Forschungsreaktoren mit Quellen auf der Basis von Teilchenbeschleunigern ersetzen (wie z.B. die HBS) und gleichzeitig noch kleinere Quellen bauen, die sogar in Universitäten Verwendung finden können. Das MLZ in Garching und der FRM II wird natürlich die große nationale Quelle in Deutschland bleiben, aber darüber hinaus gibt es ausreichend Bedarf und Nachfrage.

Also wenn wir nun diese Art Quellen in Europa etablieren wollen, dann sollten wir auch direkt von den Japanern lernen und von Anbeginn an eine europäische Version der JCANS auf die Beine stellen. Als Fundament können wir die Neutronenstreuer-Community benutzen, die schon lange über ein gutes Netzwerk zwischen den ganzen verschiedenen Naturwissenschaften (Physik, Biologie, Chemie, Kristallographie etc.) verfügt und dann weitere Wissenschaftler einladen, die mit Neutronen arbeiten. Derzeit treffen sich des öfteren einige europäische Partner in Unkel, in der Nähe von Bonn, um ein gemeinsames Konzept für hochbrillante Neutronenquellen zu entwickeln. Die könnten komplett übernommen werden und das Ergebnis würde in etwa wie in dieser Skizze aussehen.

eUCANS_OU

Da jetzt die JCANS eine nationale Kollaboration ist, könnte man auch darüber nachdenken, ob hier nicht auch ein nationaler Alleingang möglich wäre. Ich halte das aber für eine schlechte Idee: Erstens, weil es in den entsprechenden Ländern einfach nicht genug Neutronenquellen gibt und zweitens – meiner Meinung nach wesentlich wichtiger – sollten wir nach mehr Europa und mehr Zusammenarbeit (nicht nur in den Wissenschaften) streben, statt jeden für sich selber kämpfen zu lassen. Ich hoffe sehr, dass wir während dieses Entwicklungsprozesses uns eine Scheibe von dem abschneiden können, was die Japaner mit der JCANS sehr erfolgreich vorgemacht haben.


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Kommentare (4)

  1. #1 CM
    24. April 2017

    D’accord.

    Doch möchte fragen: Spallationsquellen sind tendenziell teuer (oder?) und Reaktoren bringen Entsorgungsprobleme mit sich. Hinzu kommen die nicht wegzudiskutierenden Konnotation, die sich in das Word Neutronenforschung (oftmals – fälschlicherweise – synonym mit Kern-/Atomforschung) gegraben hat.

    Wie also gedenkt die Community die daraus resultierenden Hürden zu addressieren?

  2. #2 Tobias Cronert
    24. April 2017

    Spallationsquellen sind zwar güstiger und leistungsfähiger, als Reaktoren aber halt immer noch recht teuer. Deswegen plädire ich persönlich (schon in eigenem Interesse *g*) für eine Kombination aus HBS-Neutronenquellen im Niederenergiebereich für den Großteil der Aufgaben und Spallationsquellen für die Spitzenforschung. Seitdem wir dieses Konzept der Neutronencommunity vor zwei Jahren vorgestellt hatten, haben wir auch weitgehend positive Resonanz für diese Idee bekommen.

    Wenn der Atomausstieg erst mal abgeschlossen ist, dann wird dadurch sicher auch großer Druck von der Neutronenforschung genommen. Zumindest ich spüre das hier bei Sb (und anderen Auftritten) recht deutlich, dass mich niemand (mehr) mit der “bösen Atomlobby” in einen Topf wirft, weil der Atomausstieg ja beschlossene Sache ist.

    Wenn man dazu noch die HBS-Neutronenquellen so sehr verkleinern kann, dass sie für Universitäten erschwinglich werden, dann bekommt die breite Forschungsgemeinschaft einen ganz neuen Zugang zur Neutronenforschung und allen Vorteilen, die damit verbunden sind.

    Wie also gedenkt die Community die daraus resultierenden Hürden zu addressieren?
    Die Community fokussiert sich ziemlich auf die ESS-Spallationsquelle, als Flagschiff mit “CERN-Niveau” und die Spitzenforschung, die mit diesem Großprojekt betrieben werden kann (wenn sie erst mal da ist). Das ist auch dank Patrik Stewart https://www.youtube.com/watch?v=KG3Upzc3NGY und anderen prominenten Fürsprechern in der breiten Bevölkerung leichter zu verkaufen, als kleine normale Quellen.

  3. #3 tomtoo
    27. April 2017

    Langsam werden mir die Neutronen symphatisch. Sozusagen die Anarchisten der Elementarteilchen. Die lassen sich nicht so einfach durch äussere Einflüsse ablenken.

  4. #4 Tobias Cronert
    28. April 2017

    *g* yay mehr Neutronenfans