Genau das, was ich haben wollte. Bei der Beweisanordnung im letzten Beitrag habe ich mich mich ja noch sehr skeptisch darüber geäußert, dass ein Arbeitsmediziner und eben kein Physiker vom Sozialgericht als Sachverständiger bestimmt worden war. MMn ist die medizinische Seite der Medaille ja eigentlich ausreichend ausgeleuchtet und bedarf keiner weiteren Begutachtung mehr, während die wahre Kontroverse eben darin liegt, wie hoch die Exposition mit ionisierender Strahlung jetzt tatsächlich gewesen war.

Nun haben sich die beauftragten Arbeitsmediziner nach erster Sichtung der Unterlagen zurück an das Sozialgericht gewandt und ein Strahlenexpositionsgutachten nachbestellt … und zwar ziemlich genau in der Form, in der ich es mir gewünscht hätte und für notwendig erachte. Sie eröffnen sogar mit dem Statement es habe “keine eindeutig nachvollziehbare vollständige Expositionsermittlung und Dosisberechnung seitens der BGETEM” stattgefunden, was so ziemlich genau der Kernkritikpunkt aus meiner Klagebegründung ist. Sprich ich habe der Berufsgenossenschaft vorgeworfen, dass sie faul waren und sich das Leben einfach gemacht haben, indem sie nur die Dosiswerte von meinem Strahlenpass abgeschrieben und keine echte Dosisermittlung durchgeführt wurde. Offenbar sieht das der Sachverständige genauso.

Das nachbestellte Strahlenexpositionsgutachten soll entweder von einem meiner vorgeschlagenen Gutachter oder der Kandidatin der Berufsgenossenschaft durchgeführt werden und ziemlich konkrete Punkte enthalten. Unter anderem soll eine komplette Arbeitsanamnese erfolgen in die der Versicherte (also ich) konkret eingebunden ist erfolgen, die idealerweise auch eine Ortsbegehung und Befragung der individuellen Strahlenschutzbeauftragten mit einschließt. Also hoffentlich werde ich mehr als einmal mit den entsprechenden Gutachtern persönliche Gespräche haben und etwas tiefer in das ganze Prozedere mit eingebunden. Da hätte ich sehr viel Spaß dran und da könnte ich dann sicher auch wieder viele interessante Dinge hier berichten.

Der Sachverständige hat auch angeregt, dass weitere dosimetrische Methoden ausgewertet werden sollen. Darunter kann ich mir jetzt eine größere Palette an Messungen vorstellen. Als erstes kommt natürlich die Messung unter dem Ganzkörperscanner in Frage mit der man die Inkorporation von einer Menge verschiedener langlebiger Radioisotope ausschließen könnte. Für eine Tritium-Messung sind wir leider viel zu spät dran, das würde nicht mehr funktionieren. Was eigentlich auch nicht funktionieren würde, wäre eine sog. zytogenetische Untersuchung. Dabei wird anhand von genetischen Veränderungen auf eine entsprechende Strahlenexposition rückgeschlossen. Das würde normalerweise nicht funktionieren, weil mit Chemo und Strahlentherapie mein Genom im Laufe der Behandlung so stark geschädigt worden ist, dass man es nicht von der initialen Exposition unterscheiden könnte. Aber bei mir sind vor der ganzen Behandlung Blut und Gewebeproben für eine wissenschaftliche Datenbank genommen worden und diese stehen grundsätzlich für eine solche Untersuchung zur Verfügung. Damit könnte man dann retrospektiv auf eine Exposition im Bereich von >100 mSv schließen. An beiden Methoden hätte ich recht viel Freunde und würde euch dann natürlich auch mit einem entsprechenden Artikel teilhaben lassen.

Wie auch immer, durch die Extragutachten kommt ein gutes Stück mehr Musik in die ganze Angelegenheit, denn die allgemeine Frist von ca. einem halben Jahr für das Gutachten bliebe, nach meinem aktuellen Kenntnisstand, davon unberührt und so müssen da bald konkrete Aktionen getätigt werden. Der Sachverständige hat zwar ziemlich schnell gearbeitet, aber laut den Stempel auf den Akten “Eingegangen am …” und “Bearbeitet am …” dauert offensichtlich jeder Arbeitsschritt mal mindestens eine Woche, da alles per Post herumgeschickt wird und den normalen bürokratischen Alltag durchlaufen muss.

Ich hoffe auch, dass wir noch mal wesentlich tiefer in die konkreten Messmethoden im Strahlenschutz einsteigen können, wie z.B. die Verwendung von Albedodosimetern, Wischtests, Gamma-Spektroskopie und potentiellen Alpha- und weichen Betamessungen. Aber das wird dann in der Hand der Sondergutachterin liegen, sobald diese vom Sozialgericht beauftragt worden ist. Eine Messmethode für Radioaktivität auf ihre Pro- und Cons zu prüfen und auseinanderzunehmen ist ja quasi Sinn und Zweck dieses Blog, bevor er … sagen wir Situationsbedingt etwas abgedriftet ist.

Kommentare (5)

  1. #1 RPGNo1
    23. Juli 2020

    Ich gratuliere für einen kleinen aber feinen Sieg.

  2. #2 Captain E.
    23. Juli 2020

    Dass ist doch schön, wenn jemand beweist, dass er etwas von seinem Job versteht, oder?

  3. #3 Tobias Cronert
    23. Juli 2020

    Ja, es immer schön mit Profis zu arbeiten und Menschen, die ihre eigenen Grenzen kennen (und dazu stehen) sind mir schon mal von Grundauf sehr sympatisch.

  4. #4 echt?
    23. Juli 2020

    Nimm das mit den Fristen für das Gutachten nicht zu ernst – du würdest sonst enttäuscht sein. Der Richter hat das zwar auf Wiedervorlage liegen, mahnt aber nicht sofort und sofern der Sachverständige dann einfach antwortet, er brauche noch ein paar Monate, ist das auch Wurst.

  5. #5 Tobias Cronert
    25. Juli 2020

    Na das finde ich jetzt ein wenig Schade. Ich meine ich habe es jetzt nicht eilig, aber das ganze Verfahren zieht sich schon arg in die Länge und wird mit jedem Schritt mehr.

    Auch weil jeder einzelne Schritt so lange dauert. Ich meine der Gutachter bekommt einen Brief mit der Post, der wird dann erst zwei Tage später gelesen, weil Wochenende ist, beantwortet und geht dann wieder per Post an das Gericht. Dort dauert dann auch immer die Post zwei Tage bis Postannahmestelle + 1-2Tage intern, bis es im Büro der Zuständigen auf dem Tisch liegt. Da ist selbst Fax eine beschleunigende Alternative.

    Ach egal es dauert halt so lange, wie es eben dauert. Dann kann ich halt noch ein weilchen hier immer davon berichten.