i-6f41666fe33ebbcd73914dabc733d696-mediensozialisation.jpg  Wir alle lernen Bewegung und Sprache in Phasen der frühen Kindheit und schaffen uns somit eine erste Orientierung und Positionierung im soziallen Raum. Wie jede Primärfähigkeit unterliegt aber auch das Erlernen von Kulturleistungen wie der Umgang mit Medien sensiblen Phasen, in denen der Grundstein für das künftige Verhalten gelegt wird. 


 

Wer seine Kindheit und Jugend in den siebziger und achziger Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts erlebt hat (hier also einen prägende Mediensozialisation erfahren hat), erinnert sich noch gut an den Moment, als die bewegten Bilder auf einmal bunt wurden. Es wurde die Hochphase der Massenmedien eingeläutet, das private Fernsehen hat in den achziger Jahren Stars und Shows in unsere Köpfe gebracht, die vielfach Themen für den Plausch mit Freunden oder dem Nachbarn stellten. Für viele dieser Altersgruppe stellen auch heute noch das Fernsehen, die Tageszeitung und die Zeitschrift das bestimmende Medienbouquet dar. 

Agenda Setting, sonst immer Merkmal einer kleinen Gruppe von Meinungsmachern in Massenmedien, wird in den neunziger Jahren zunehmend fragmentierter und öffentlicher. Mit “big brother” kommen erstmals sogenannte “normale Menschen” als (vermeintliche) Medienstars vor. Das Zeitalter der (ungehemmten) Selbstinszenierung scheint angebrochen.

Wer in dieser Phase Kindheit und Jugend erlebt, kommt mit Medien ganz anders in Kontakt. Fernsehen ist bereits vielschichtig und erreicht erste Sättigungstendenzen (erste Hinweise der Nutzung als Hintergrundmedium), der Austausch mit gleichaltrigen wird über Handy und Internet zunehmend möglich. Braucht man da noch “normierte” Medienformen? Die Frage zu beantworten fällt nicht leicht, denn eines zeigt die jüngere Entwicklung, die “Google-isierung” auch deutlich auf: in einer Welt, in der (fast) jede Information frei verfügbar wird, sieht der Einzelne vielfach ´den Wald vor lauter Bäumen´ nicht mehr. Zwar kenntnisreich im Detail, aber unfähig im Erkennen der Zusammenhänge bekommt investigativer Journalismus, bekommen Medienmarken, die glaubwürdig Zusammenhänge und Strukturen aufzeigen im sich anbahnenden Zeitalter des Web3.0 bei den Mediennutzern so wieder eine große, eine neue Chance.

Und die bisherige Erfahrung mit Medienübergängen berechtigt zur Annahme, dass ein neues Medium ein altes nicht ablöst, sondern dieses alte Medium sich zyklisch weiter entwickelt, zunächst verliert und in anderem Gewand (Erscheinungsbild oder Funktionalität) wieder gewinnt bzw. gewinnen kann. Gerade unter Gesichtspunkten der Sicherung von Medienbedürfnissen bleibt der zwischenmenschliche Austausch mit anderen über Medien wichtig; genauso wichtig bleibt aber auch die Orientierung über Medien in der sozialen Umwelt.

Sozialisation mit Medien – nur eben in wechselnden Erscheinungsformen.