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Mit dem Übergang von der Mangel- in eine Überflussgesellschaft – beschleinigt zusätzlich durch die aktuelle Wirtschaftskrise – und der zurückgehenden Nachfrage ihrer bisherigen Produkte sind viele Wirtschaftsbranchen auch mit der Notwendigkeit konfrontiert worden, neue Erlösquellen zu finden sowie Prozesskosten zu senken.


Aber muß mann Zyniker sein, wenn man jetzt sagt: „Mut zum Wandel”. Für die Industrien bedeutet dies v.a., weg von einem angebotsorientierten hin zum nachfrageorientierten Denken (vom Anbieter- zum Käufermarkt). Der Verbraucher erlebt sich nunmehr (und dies hat Alvin Toffler bereits 1980 in “the third wave” vorausgesagt) als sog. “Prosument” , d.h. zunehmend als Maßschneider seiner individuellen Konsumbedürfnisse, auf den Standardlösungen nicht mehr passen.

Diese, in vielen Märkten insb .der Konsumgüterindustrie bereits seit einigen Jahren stattfindende Entwicklung zu wachsender Individualisierung ist mittlerweile auch längst in den Medienunternehmen angekommen. Entsprechende Angebotsformen wurden geschaffen. Mittlerweile inszenieren sich vormals passive Mediennutzer selbst, beginnend einst in TV mit ´big brother´, fortgesetzt durch ´DSDS´ , zuletzt ausgedrückt durch das starke Aufkommen von social networks wie myspace.com.

Nucleus aus dem heraus passende Angebote definiert werden ist die “Marke” und ihr Leistungsversprechen gegenüber Verbrauchern und Marktpartnern.

Funktionen von (Medien-)Marken im Kontext sogenannter Media Brand Communmities

In der Vorstellungswelt und Ausgestaltung von Media Brand Communmities – dem Universum all jener Mediennutzer, die bewusst und gezielt bestimmte Medienangebote aufsuchen – spielen die Funktionen und besonderen Charakteristika von (Medien-) Marken eine herausragende Rolle. Sie sind gekennzeichnet durch die im Folgenden beschriebenen wesentlichen Merkmale bzw. Funktionen:

  1. Deklaration
  2. Framing
  3. Mehrwert
  4. Vividness (Lebendigkeit)
  5. ‘Belohnung’ und Begehrlichkeit
  6. Wir-Gefühl

Zu den Funktionen im Einzelnen (in Beispielen)

1.) Deklarationsfunktion

Die Grundlage für weitergehende Markenfunktionen: eine starke Marke bietet ein klares Leistungsversprechen – sie steht dafür ein. Die BUNTE steht für die journalistische Kompetenz in Sachen public ´people talk´, genießt hierbei Marktführerschaft; FOCUS für ´Fakten, Fakten, Fakten´ zu gesellschaftlich relevanten Themen in einzigartiger Form.
Diese Beispiele stehen exemplarisch, die Liste mit Beispielen ließe sich beliebig verlängern.

Um als Marke erfolgreich `Kompetenzabsender´ sein zu können sind wichtig:
1.) Klarheit/Profilierung im Leistungsversprechen
2.) Entsprechende Wahrnehmung bei den Verbrauchern und Marktpartnern.

2.) Framing

Ist dieses Leistungsversprechen profiliert und wird es von den relevanten Zielgruppen geteilt, schafft es einen Bedeutungsrahmen (Framing), innerhalb dessen sich die Marke – mit ihren Leistungen bzw. Angebotsformen – ´tummeln´ kann.

Die LISA-Titel”Famile”, hat z. B. mit Lisa Kochen und Backen oder LISA Wohnen und Dekorieren erfolgreiche Ableger zu ganz unterschiedlichen Themen etabliert.

Dieser Bedeutungsrahmen einer Marke bietet folglich – das zeigt das Beispiel – Wertsteigerungspotenziale für Line Extensions, wenn er erst einmal erfolgreich durch Maßnahmen der Markenführung implementiert wurde. Zugleich zahlt er auf das Markenkonto des ´Mutter-Blattes´ ein, stärkt somit die Dachmarke.

3.) Mehrwert

Im Zuge der technischen Entwicklung neuer digitaler Medienangebote wird oft geäußert, Zeitschriften seien ´totgeweiht´. Das Davon kann überhaupt nicht die Rede sein, zumal eine Zeitschrift längst nicht nur gedrucktes Papier ist, das über die unterschiedlichsten Sachverhalte informiert.

So bieten Publikumszeitschriften für den Leser neben dem Informations- oder Unterhaltungsaspekt einen ästhetischen Nutzen, bieten Gesprächsstoff und Orientierung in relevanten Fragen.

Im Konzert konkurrierender Angebote schaffen erfolgreiche Zeitschriften Erlebniswelten: Leser suchen Sie aktiv auf, tauchen ein und versinken darin. Komplexe mentale Prozesse führen zur Nachhaltigkeit des Leseerlebnisses.

Publikumszeitschriften werden im Inserentenmarkt zumeist über deren Wirtschaftlichkeit – gemessen an der Zielgruppenerreichung – qualifiziert. Die hierzu zumeist herangezogenen soziodemografischen Merkmale bilden aber nicht ausreichend die Leistungsmerkmale des Titels ab. Bei einer traditionellen Zielgruppenbetrachtung bestehen zwischen Zeitschriftentiteln immer wieder Ähnlichkeiten in den Zielgruppenstrukturen, da diese Betrachtung nicht die eigentlich trennenden Merkmale der unterschiedlichen Zeitschriften aufzeigt.

Vielmehr müssen die Zeitschriften vor dem Hintergrund ihres Leistungs- bzw. Value-Profils aus Sicht der Leserschaft klassifiziert werden. Die Grundidee ist dabei die, dass z. B. Zeitschriften der unterschiedlichen Gattungen jeweils andere Erwartungshaltungen bedienen. Damit unterscheiden sich die Kommunikationsleistungen von Zeitschriften nicht nur durch die Unterschiedlichkeit in der Soziodemografie ihrer Leserschaft, sondern hauptsächlich durch die unterschiedliche Bedürfnisbefriedigung im Hinblick auf die erzeugte Erlebniswelt. Dies erklärt dann auch das differenzierte Nutzungsverhalten von Lesern der gleichen soziodemographischen Gruppe.

Eine wichtige Aufgabe, die bisher ungenügend berücksichtigt wurde, ist im Sinne eines „mood-and-context-managements der Mediennutzer” zu analysieren, aus welchen psychologischen Gründen der Leser einen Titel nutzt (unabhängig von bzw. über seine Themeninteressen hinausgehend).

Voraussetzung hierfür sind bewusste Erwartungen, die Rezipienten in Bezug auf die Nutzung einzelner Titel haben. In diesem Zusammenhang relevant ist auch, inwiefern solche Erwartungen nach einer Nutzung erfüllt oder enttäuscht werden.

Was heisst das z. B. für das Medienmarketing? Auch Unternehmen, die Werbung schalten, erwarten zukünftig weniger ausschließlich Quantität – Kontakte (GRP´s), Reichweiten usw. – sondern für ihre individuellen Problemstellungen angemessene Kommunikationslösungen, also qualitative Medieneigenschaften.

Um mit dem ´Image-Transfer-Effekt´ ein Beispiel zu geben: Für das Anzeigenmarketing schafft das hohe Medieninvolvement hochwertiger Publikumszeitschriften verbesserte Überzeugungsleistungen von Anzeigenwerbung (insb. für Image-Titel). Marshall Mc Luhans zentrale Botschaft „the medium is the message” unterstreicht darüber hinaus die hohe meinungsbildende „Strahlkraft” der Medienmarken.

Fasst man die Möglichkeiten erfolgreicher Medienmarken weiter – über Zeitschriften hinausgehend – ergeben sich drei m. E. zentrale Funktionen, die in ihrer Komplexität crossmedial aufgelöst werden müssen:

1.) Navigation – Orientierung oder Information (wird durch Zeitschriften bereits sehr gut abgedeckt)
2.) Identifikation – schafft dauerhafte Bindung
3.) Interaktion – macht den „Rückkanal” erforderlich, technologisch (Internet, Mobile) oder aber über den Event

4.) Vividness

Neben den – mehr ´virtuellen ´ Erlebniswelten – integrieren erfolgreiche Marken innovative Technologien und umfangreiche Dialogelemente in ihr Geschäftsmodell, sind lebendig und „erfinden sich immer wieder neu”.

Natürlich muß auch das originäre (Print-)Produkt immer ´up-to-date´ sein. Die BUNTE konnte hier z. B. einen 1997 erfolgreich eingeleiteten Relaunch mit seitdem stetig steigenden Auflagenzahlen bestätigen.

Ein „Marktmodell” der Media Brand Communmities beinhaltet daher über das klassische Kerngeschäft hinausgehende Angebotsformen, die unmittelbar von der Stärke der Markenkompetenz von Medien (als Kompetenz-´Absender´) profitieren.

Der Mehrwert für den Kunden resultiert aus gut gemachten integrierten Kommunikationslösungen, die medien- (und manchmal auch marken-) übergreifend funktionieren.

Der Innovationsgrad erfolgreicher Marken ergibt sich aus der Kombination verschiedener Angebotsformen zur Optimierung des Kundennutzens. Kennzeichnend ist die Nähe zum Verbraucher; Interaktive Angebotsformen, Dialogmarketing sind dabei essentiell für die Markenbindung. Auf diese Weise wird der Verbraucher auch selbst zum ´Marken-Inszenierer´, wird über die Möglichkeit, aktiv die Marke für sich zu ´zelebrieren´, stärker daran gebunden.

5.) `Belohnung` und Begehrlichkeit

Aus jüngsten Untersuchungen innerhalb der Neuroökonomie (unter Einsatz moderner bildgebender Verfahren wie funktioneller Magnetresonanz-Tomografie) ist bekannt, dass starke Medienmarken den Leser regelrecht ´belohnen´.

Mittlerweile weiß man auch: starke Marken bieten die Möglichkeit eines Imagetransfers vom eigentlichen Markenprodukt hin zu anderen, mit diesem assoziierbaren Produkten oder Leistungen.

Merchandising ist hier bspw. ein Betätigungsfeld, das bei erfolgreichen Marken funktioniert. Überflüssig zu nennen, dass hierdurch eine Fülle weiterer Erlösquellen eröffnet werden können. So müssen zweifelsohne zum Markenkern passen, d.h. die journalistische Kernkompetenz steht im Mittelpunkt.

6.) ´Wir-Gefühl´

Ursprünglich aus der Verhaltensbiologie bei Primaten kennen wir das auch für das menschliche Zusammenleben wichtige Phänomen des „grooming talk” (Begriff heute häufig verwendet im Bereich der Haustierpflege; ich hatte das auch schon einmal in einem zurückliegenden Blogbeitrag eingeführt).

Gemeint ist die intensive Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen durch den gegenseitigen Austausch von „Nettigkeiten”. Adaptiert z. B. auf eine Zeitschrift wie die BUNTE bedeutet das, dass sich Personen durch people talk selbst ständig ihrer sozialen Rolle versichern – über das „mitreden können” eben dazugehören.

Adaptiert auf moderne Technologien schaffen auch Anwendungen wie SMS oder social communities im Netz unter Jugendlichen solche Möglichkeiten, die – wenn sie sich auf bestimmte Themen beziehen (Styling-Fragen, Mode) – mit medialen Marken (z. B. glam) erfolgreich verknüpft werden können.

Aber auch Verbraucher-Events können eine starke Bindung zur Marke auslösen, das “Wir-Gefühl” stärken. Erste erfolgreiche Veranstaltungen gibt es, z. B. zu Ernährungsthemen (“Lust auf Genuß”).