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“Crossmedia” ist mittlerweile das buzzword der Medienbranche, zumindest im Medienmarketing. Die Dynamik des Medien- bzw. Kommunikationsmarktes hat dazu geführt, dass nahezu sämtliche Medieninhalte überall und jederzeit, teilweise sogar in Echtzeit zum Geschehen, erhältlich sind.  Für die Werbewirtschaft ist das geradezu ein Eldorado an Möglichkeiten, den Verbraucher  in den unterschiedlichsten Formen über Angebote von Marken und Produkten zu erreichen.


Für die Marktforscher mutet dieses Terrain momentan allerdings eher wie ein wilder Dschungel mit einer Unmenge an Herausforderungen im Dickicht der methodischen Details der jeweiligen Medienkanäle an, denen man sich stellen muss. Grund hierfür ist das Eigenleben, dass die Mediengattungen über Jahre in ihren Forschungs-“Silos” immer ausgeklügeltere, detailreichere Modifikationen vorgenommen haben, die auf der Ebene der Kontaktbestimmung – der für die Reichweitenforschung relevante Bezugsaspekt – zu einer bunten Vielfalt geführt haben.

Nimmt man nur den Zeitbezug zur Bestimmung des Werbeträgerkontaktes bei Medien mit täglicher Aktualisierung (Tageszeitungen, Internet, Radio, TV), so wird dies deutlicher: das Internet beispielsweise legt hier die durchschnittliche Woche zugrunde, die Tageszeitungen den Leser pro Tag, der Hörfunk den Hörer pro Stunde und schließlich das Fernsehen den Seher pro halber Stunde.Auch unterscheiden sich die monetären Leistungsbewertungen erheblich voneinander. Ohne speziell auf diesen Punkt eingehen zu wollen sei hier nur erwähnt, dass die Netto- TKP´s (Tausend-Kontakt-Preise) zwischen den Medien massiv variieren, eine Parität hierüber (selbst bei Betrachtung der offiziell ausgewiesenen Brutto-Spendings, d.h., auch bei den Brutto-TKP´s) nicht herstellbar zu sein scheint.

Dies macht deutlich, wie schwierig es ist, zu einer vergleichenden Bewertung der Werbe- und Kommunikationswirkung über die verschiedenen Kanäle hinweg, d.h. “crossmedial” zu gelangen. Ganz abgesehen davon, dass eine Vergleichbarkeit sowohl im Sinne eines politischen Konsenses aller Mediengattungen als auch unter mess- und erhebungstechnischen Gesichtspunkten Wunschdenken bleiben dürfte.Crossmedia wird handhabbarer, wenn man hier die Brücke von der Reichweiten- Währungsforschung hin zur Werbewirkungsforschung schlägt. Die Erfahrung im Bereich der Werbewirkungsforschung lehrt uns hier u.a., dass die direkte Befragung von Konsumenten über ihren Medienkonsum und das (konkrete) Erinnern von Werbung, den wahren Leistungsbeiträgen der Medien nicht gerecht werden kann. Zu unterschiedlich ist die gelernte Funktion von TV, Radio, Zeitschriften, Zeitungen oder des Internet als Transportmedium für Werbung. Spontan assoziieren sehr viele Menschen mit Werbung den Kanal TV, was per se schon zu einem Erinnerungsdefizit für andere Medienkanäle führt.

Wie soll das Ganze dann funktionieren, wenn in einer Kampagne eine Vielzahl von Kommunikationswegen beschritten werden? Und wie kann man sich in diesem “Dickicht” dann am besten orientieren, d.h. mit Hilfe von Marktforschung eine Schneise in den Dschungel schlagen? Die Befragung bleibt sicher eine, wenn nicht die zentrale Erhebungsmethode für die praktische Forschungsarbeit. Als sehr konstruktiv herausgestellt hat sich auch die Zuhilfenahme weiterer Forschungsdisziplinen, die qualitativen Input für die Aufgabenstellung liefern können.

Die Hirn- oder Neuroforschung z. B. weist mittlerweile auch für diese Fragestellung (erste) Wege, besser Pfade auf, wie wir so genannte “Rezeptionsqualitäten”  für die verschiedenen Medien in ihrer Funktion als Werbeträger bewerten können. Sie lehrt uns beispielsweise, dass eine zeitliche Taktung (3 Sekunden als Wahrnehmungseinheit nach Prof. Ernst Pöppel, Hirnforscher an der Universität München) das Memorieren von Markenbotschaften erleichtert, Reizüberflutung zu mentalem Stress führt und durch den Organismus “herunter reguliert” werden muss, was sehr energieintensiv und daher mit Aversionen verbunden ist. Während “statische” Medien wie Publikumszeitschriften, Tageszeitungen oder Plakate mit geringer “mentaler Energie” häufig implizite, dem Bewusstsein nicht vollständig zugängliche Effekte auslösen, erzeugen dynamische Bewegtbild-Angebote insbesondere im Fernsehen nicht selten (starke) aufmerksamkeitsinduzierende Emotionalisierungen, die mitunter aber den werblichen Erfolg von Markenkommunikation einschränken können (das Sujet bzw. Motiv dominiert dann über die Absenderwirkung, das “Lernen” der Werbung treibenden Marke gerät in den Hintergrund).

Man sieht hier bereits deutlich, dass die Kanäle zu ganz unterschiedlichen Wirkungseffekten führen, was allerdings auch niemanden verwundern dürfte. Verwunderlich ist vielmehr, dass in vielen Untersuchungen, gerade auch in zahlreich durchgeführten kontinuierlichen Werbetrackings, immer wieder dieselben Parameter miteinander verglichen werden.

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Kommentare (3)

  1. #1 Frank Wappler
    Mai 4, 2011

    Michael Pusler schrieb (03.05.11 · 21:20 Uhr):
    > […] das Ergebnis bzw. die Bewertung auf diese konkreten Kommunikationsziele ausrichten, etwa der Gestalt: “der Media-Mix mit mittlerer Frequenz erbringt bei imagebildender Werbung die beste Performance”

    Performance” im quantitativen Sinne, etwa wie bei einer “Magnitude” ?

  2. #2 Rahn
    Mai 4, 2011

    Hallo,
    ist es wirklich so, dass in der Werbebranche erst mit “crossmedia” ein Bewusstsein für das genauere Zusammenspiel der unterschiedlichen Medientypen entstanden ist? Denn medienübergreifende Kampagnen sind doch eigentlich nichts neues.

    Ansonsten klingt das nach einer Menge Arbeit 😉 Es gibt unterschiedliche Zielsetzungen von Kampagnen, es müssten jeweils mehrere Kampagnen begleitet und dabei jeweils zu mehreren Zeitpunkten Erhebungen durchgeführt werden, von der Gestaltung der Erhebungen mal ganz abgesehen.
    Und selbst wenn man das finanzieren kann, wie verändert sich die Medienlandschaft, wie verlässlich sind die Ergebnisse in Zukunft? Ist z.B. HbbTV “nur” die Möglichkeit, Internetinhalte auf dem Fernseher zu nutzen, oder entsteht hier mit einem neuen, interaktiven Videotext für die Werbebranche nicht eine Art neues Medium, das die relativ große Reichweite des Videotextes am frühen Abend mit den Eigenschaften von Onlinewerbung verbindet? Der Einfluss solcher Veränderungen in ein ja doch recht sensibles Gesamtkonzept dürfte sich kaum ohne komplette Neuberechnung darstellen lassen, oder?

  3. #3 mike
    Mai 4, 2011

    In der Tat ist die Medienforschung in der realen Welt (da geht es um wirtschaftliche Interessen der Anbieter) “politisch” sehr kompliziert, weshalb innovative Methoden, rocket science´(Magnitude in diesem Kontext??) nicht gerade zum Alltag gehören.
    Das ist auch der Grund, warum ein überzeugendes Gesamtkonzept in den Forschungsgremien (da streiten sich die Forscher der jeweiligen “Parteien”) noch nicht vorliegt, weshalb die Medienforschung m. E. hier durchaus Gefahr läuft, von der Medienrealität überholt zu werden.