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Am 1. Mai war ich im Feindesland.

Es wird ja gerne mal auf dieser Seite gegen Homöopathie, Horoskope und anderen Hokuspokus gewettert. Aber ich möchte meinen, dass sich hier noch keiner so geballte Pseudowissenschaften angetan hat wie ich am Tag der Arbeit. In München fand die Esoterikermesse statt, drei Tage lang. Das war mir bekannt, weil ich seit gefühlten drei Monaten jeden Morgen unter dem großen Werbeplakat durchgeradelt bin.

Nun habe ich die Erfahrung gemacht, dass esoterische Veranstaltungen ein gefundenes Fressen für lustige Reportagen sind – mach braucht gar nichts machen. Auch wenn ich im Nachhinein schon mal als eiskalter Nazi bezeichnet wurde, aber das ist eine andere Geschichte. Gerüstet mit zwei Schutzschildern vor Quacksalberei (“Das Universum in der Nussschale” als Hörbuch auf dem iPod und einem Flachmann Weinbrand) ging ich also hin, zur metaphysischen Crème de la Crème. Über 140 Aussteller! Über 100 Vorträge! Handlesen! Jenseitskontakte! Garantierte Spontanheilungen! Professionelle Astrologen, die ihr Handwerk nun wirklich von der Pieke auf gelernt haben! Und mir mit Sicherheit endlich erklären können, wie das ganze Zeug funktioniert.

Im Inneren des Löwenbräukellers, der eigentlich kein Keller sondern ein mehrstöckiges Gebäude ist, erschlägt es mir den Atem. Alle 140 Aussteller haben gleichzeitig ihre Räucherstäbchen angemacht. Nun riecht es ein bißchen nach Weihrauch, ein bißchen nach lustigen Zigaretten und ein wenig auch nach Tier. Jedenfalls nicht nach Luft. Ein wenig muss ich auch an Alf denken, explodierte der Planet Melmac doch schließlich weil alle gleichzeitig ihren Fön angeschaltet hatten. Oh Gott, die Räucherstäbchen, sie wirken schon.

Als ich mich umschaue, muss ich mich schämen. Für mein Geschlecht und meine Altersklasse. Die Besucher der Esoterikmesse sind fast ausschließlich junge Frauen meines Alters – und gar nicht mal unbedingt mit filzigen Dreadlocks (“Ja Mann, das ist viel natürlicher,” erklärte mir mal die überzeugte Trägerin einer solchen Matte) oder Kleidung aus Wolle, die freiwillig vom Schaf gefallen ist etc. Die Messe ist zu meinem Erstaunen richtig gut besucht, an manchen Ständen muss man anstehen um überhaupt einen Blick auf die angebotenen Waren erhaschen zu können.

Was die Aussteller hier anbieten, lässt sich in zwei Kategorien fassen: Nippes zum Dekorieren und an den Hals hängen oder aber Lebensberatung. So gibt es etwa jede Menge kleiner Buddhas aus Amethyst, Rosenquarz und Lapislazuli an langen Lederbändern – man darf die aber nicht danach aussuchen, welche Farbe einem gefällt, schließlich hat jeder Stein eine andere Wirkung, jaha, und da muss man sich vorher schon beraten lassen. Bevor der Verkäufer mich nach etwaigen Wehwehchen ausfragen kann, erkläre ich, dass ich gar kein Interesse, an langen Ketten mit Stein habe. “Ketten mit langem, schweren Anhänger pendeln immer so am Hals, da seh ich aus wie eine Standuhr” entschuldige ich mich für das Vergeuden seiner Zeit. “Oh, Pendel haben wir auch,” wirft er schnell ein, dreht sich um und sucht irgendwas. Genug Zeit, zum nächsten Stand zu verschwinden.

Dort bietet ein älterer Herr goldene Plättchen zum an die Wand kleben feil. Auf den etwa 3x10cm großen Schildern steht in schön geschwungener Schrift “DER DARM” oder “DIE WEIBLICHKEIT”. Wenn man sie nur regelmäßig anschaue, erklärt mir der Verkäufer, seien auch diese gut für die Gesundheit. Aha. Zu seiner eigenen Rettung fügt er aber hinzu, dass das alles nur Psychologie sei: “Viele Leute beschäftigen sich sonst gar nicht mit ihrem Körper. Man muss sie nur zum Nachdenken und zur Selbstreflektion anregen, das wirkt manchmal schon Wunder.” Soso. Selbstreflektion. Wunder wirken. Ich weiß ja nicht.

Ins Büro hängen möchte ich mir dann aber doch weder den Darm noch die Weiblichkeit. Und auch für den anderen Hokuspokus hier Geld ausgeben – etwa das Lehrbuch “Katzen massieren” oder ein Foto meiner Aura. Nicht, weil ich mich nicht jeden Tag wieder drüber beömmeln könnte – das wär kein Problem. Sondern vielmehr, weil ich mich für die Rechnung an die Buchhaltungsabteilung so schämen würde. “Kostenstelle: ScienceBlogs. Betreff: Notwendige Rechercheausgaben, Familienpackung Räucherstäbchen für inneren Frieden von Jessica Riccò.”

Die großen Themen, die bei der Lebensberatung angeboten werden, sind Gesundheit, Liebe, Geld und Diät. Zu letzterem Punkt belausche ich ein Gespräch: Einer etwa 70-jährigen Frau wird geraten, ab sofort lieber keine Spätzle mehr zu essen. Dann verschwinde nämlich auch ihr grauer Star. Das mag Humbug sein, aber sofern Spätzle nun nicht ihre einzige Quelle für Kohlenhydrate sind, ist auch kein großer Schaden zu erwarten. Richtig sauer werde ich erst beim nächsten Stand. In einem kleinen Zelt sitzt eine Frau und wartet auf Besuch. Vor dem Zelt steht auf einem Schild: “Garantierte Heilung aller Krebserkrankungen und bei unerfülltem Kinderwunsch. 30 Minuten 25 Euro.”

So eine blöde Kuh.

Und leider nicht die Einzige ihrer Art. Es gibt eine ganze Reihe von Ausstellern, die meine Hutschnur wirklich in die Höhe schiessen lassen. Die sich auf lebensbedrohliche Krankheiten spezialisieren und für ein bißchen Handlesen und Reiki leichtgläubigen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Da mag man nun sagen “Selber Schuld.” Aber auf der Messe laufen auch ein paar so ausgemergelte Gestalten rum, die sich vermutlich tatsächlich an allerletzte Grashalme klammern. Und hier über den Tisch gezogen werden.

Ebenfalls überteuert, wenn auch kein Alternativmediziner ist ein sogenannter “Finanzastrologe”. Der Finanzastrologe bietet allgemeine Finanzberatung aber auch Beratung zur Unternehmensgründung und Aktienanalysen, alles natürlich anhand der Sterne. Kostenpunkt: Zwischen 70 und 100 Euro. Da schwimmen sie hin, die Finanzen.

Mein Entertainment-Highlight an diesem Tag ist aber eindeutig die Live-Rückführung. Eine Rückführung ist eine Vorführung bei der jemand in sein früheres Leben zurückgebracht wird – aber nur in Gedanken natürlich, nicht tatsächlich. Im Vortragssaal sitzen etwa vierzig Menschen und schauen gespannt zu, wie der Meister vorne erklärt, was gleich passieren wird. Immerhin inszeniert er keine zufällige Auswahl seines Opfers, nein, es ist ganz offiziell seine “Assistentin”, die sich auf den Boden legt und zu schlimmem New-Wave-Gedudel auf den Weg rückwärts durch die Zeit macht. Ihr Chef nimmt seine Armbanduhr ab, hockt sich neben sie und streicht seinen nichtvorhandenen Bart. Nach zwanzig Sekunden stockt die CD. Als das dauernde “Chchchchrtsch, chchchchrtsch” bis zur Schmerzgrenze ausgereizt ist, steht der Zaubermeister doch noch auf, entnimmt die CD, streicht sie sich über den Bauch, haucht nochmal drauf und das Spiel beginnt von neuem: Frau tut, als würde sie nun schlafen (denn dort, wo ihr Geist sich befindet, hört sie die kaputte CD gar nicht, nämlich!), er sitzt daneben, nach zwanzig Sekunden fängt das Rattern wieder an.

An dieser Stelle kann ich nicht mehr. Ich war noch nie gut darin, Lachen zurückzuhalten. Wer dies nicht glaubt, soll Marc fragen. Es tut mir fast schon leid, denn immerhin nehmen die übrigen Anwesenden das Schauspiel hier ernst. Aber ich muss so lachen, dass ich nach ein paar Minuten und diversen bösen Blicken den Saal verlasse. Die Trance-Lady beginnt tatsächlich noch zu sprechen: Sie sei im Mittelalter und ein Mann und sei 14 Jahre alt. Und ihr Vater möchte sie nun in eine Schlacht mitnehmen. Den Rest verpasse ich aufgrund störenden Lachens.

Wieder draußen gönne ich mir eine weihrauchfreie Pause auf dem Balkon, in der ich meine neue Flyersammlung auswerte. Das “Zentrum für Harmonie”, bietet eine “mediale Bewusstseinsschule, Schlanke Erde, Licht und Webradio!” Oho! Webradio! Sind die auch schon so weit. “Wer war Bertha Dudde?” teasert ein weiteres Heftchen gekonnt und unter Verwendung eines urkomischen Namens die “Gottesbotin der Endzeit” an. Wer sich näher mit Bertha Dudde beschäftigen möchte, darf mein 60-Seiten (!!!) starkes Heft per Post kriegen. Wer zuerst kommt, malt zuerst.

“Solura” lädt mich ein auf “eine Reise in des Herzens Licht. In Liebe.” Auf ihrem Flyer steht auch, dass sie mich berühren möchte und auf der Vorderseite starrt sie mich aus einem weißen Kleid und langen, stark splissenden Haaren an. Der Flyer verrät wirklich überhaupt nichts darüber, was Solura denn nun will. Ihre Reise zum Herz findet aber am 7. November in der Hofkirche in München statt – vielleicht mag da ja jemand hingehen. Meine Ration Übersinnlichkeit für dieses Jahr ist nämlich sehr, sehr gesättigt.

Kommentare (24)

  1. #1 ali
    Mai 5, 2009

    Danke für deinen Einsatz, das war amüsant zu lesen. Als mein eigenes Highlight verlas ich mich auch noch und meinte du schriebst: “”Wer war Bertha Dudde?” tasert ein weiteres Heftchen gekonnt”. Eso-Heft mit Taser.

    Übrigens habe ich kein Problem mit Katzenmassage und bin von deren therapeutischen Wert (für den Menschen) überzeugt. Aber nun wird wohl gleich die Hundefraktion über mich herziehen.

  2. #2 Tobias
    Mai 5, 2009

    Witztig! Danke.

  3. #3 The9
    Mai 5, 2009

    “Wer zuerst kommt, malt zuerst.” Wie nett – wird das gemeinsame Werk dann später ausgestellt? Es heisst natürlich “.. mahlt zuerst”, das bezieht sich nämlich auf den zur Erntezeit unvermeidlichen Andrang der Bauern beim lokalen Müller und die dabei zu beachtenden Spielregeln.

  4. #4 Hannes Bongard
    Mai 5, 2009

    Esoterik (von altgriechisch ἐσωτερικός esōterikós „innerlich“) ist in der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs eine für einen begrenzten „inneren“ Personenkreis bestimmte philosophische Lehre, im Gegensatz zu Exoterik als öffentlichem Wissen. Andere traditionelle Wortbedeutungen beziehen sich auf einen inneren, spirituellen Erkenntnisweg, etwa synonym mit Mystik, oder auf ein „höheres“, „absolutes“ Wissen. Daneben wird der Begriff in freier Weise für ein breites Spektrum verschiedenartiger spiritueller und okkulter Lehren und Praktiken gebraucht.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Esoterik am 5. Mai 2009

  5. #5 fatmike182
    Mai 5, 2009

    Wollte mir das Schauspiel schon in Wien geben (sowie die Alternativmed-Tage letzte Woche) habe aber mit niedrigeren Eintrittspreisen gerechnet. Schließlich gibt man doch ja noch einiges an Geld aus…
    Der hohe Anteil an jungen Frauen bei der Messe erkläre ich mir dorch banale Legasthenie: nicht Erotik, Esoterik!

  6. #6 Andreas Kyriacou
    Mai 5, 2009

    Der Berner Immunologe Beda Stadler war vor zwei Monaten an einer ähnlichen Veranstaltung in Zürich, begleitet vom Schweizer Fernsehen. Den fünfminütigen Filmbeitrag gibt’s hier zu sehen.

  7. #7 GeMa
    Mai 5, 2009

    Klar doch, HB “ein „höheres“, „absolutes“ Wissen”, deswegen : “Garantierte Heilung aller Krebserkrankungen und bei unerfülltem Kinderwunsch. 30 Minuten 25 Euro.”

  8. #8 Hannes Bongard
    Mai 5, 2009

    “Stoßen wir uns nicht an dem Wort »esoterisch«, das aus mancherlei Gründen einen Beigeschmack für uns bekommen hat; was von [Oskar] Adler damit angesprochen wird, ist die Fähigkeit des Menschen, auf dem Wege über die Verinnerlichung Einsichten in jene Zusammenhänge zu erlangen, Einsichten, aus denen Wohl das Wissensgut der Astrologie ursprünglich stammt.”

    Fritz Riemann, Lebenshilfe Astrologie – Gedanken und Erfahrungen, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag 2005, Seite 19, ISBN 3-423-34262-5

  9. #9 Jessica Riccò
    Mai 5, 2009

    Lieber Herr Bongard,
    mögen Sie woanders mit ihrer Werbung langweilen? Danke.

  10. #10 Florian Freistetter
    Mai 5, 2009

    “So eine blöde Kuh.”

    Hui – da warst du aber noch höflich… Ich hätte da ganz andere Worte gefunden.

    Und beim Herrn Bongard musst du die Kommentare einfach löschen. Ansonsten kommt weiter Zitat um Zitat – das hab ich bei mir schon feststellen können. Wahrscheinlich fühlt er sich geärgert, weil er doch auch “Finanzastrologe” ist (vielleicht sogar der aus dem Artikel?)

    Super Bericht übrigens! Ich hab auch schon mehrmals mit dem Gedanken gespielt, mir so eine Messe anzutun. Aber vermutlich würde ich das nicht packen und den Saal entweder im Kranken- oder Polizeiauto verlassen 😉

  11. #11 cimddwc
    Mai 5, 2009

    Schöner Bericht – ich war im November auch “im Keller des Löwen” (» mein Bericht; Folge-Berichte siehe lokale Pingbacks unter den Kommentaren); Finanzastrologen hab ich damals keinen gesehen – war schon alles ausgebucht? –, aber die Jünger von Bertha Wadde Hadde, äh, Dudde hatten einen Stand voller Heftchen zu allen möglichen Themen.

    Auf den Besuch eines Vortrags hatte ich verzichtet, eben weil ich befürchtete, den nicht durchzustehen vor lauter Lachen oder Facepalm-Momenten… aber Florian, bei so einer Geduld, wie du bei diversen Kommentaren an den Tag legst, würdest du zumindest die Stände in der Halle bestimmt überstehen. 🙂

  12. #12 Ludmila Carone
    Mai 5, 2009

    Danke für diesen Text. Ich hab selten so gelacht. Einfach herrlich x-D

  13. #13 Ronny
    Mai 5, 2009

    Ich war auf einer ähnlichen Veranstaltung im Ösiland und habe mich auch köstlich amüsiert. Es ist nur manchmal so wie bei Filmen wie Indien oder Forrest Gump, nämlich dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt wenn man dann etwas über Krebsheilung und verstecktem Kindesmissbrauch usw. liest.

    Ich habe dort auch eindeutig einen Überhang beim weiblichen Geschlecht festgestellt. Da gabs doch schon mal eine Diskussion darüber warum das so ist, aber ein Fazit kam dabei nicht raus, oder ?

  14. #14 isnochys
    Mai 5, 2009

    *lach*
    Danke für den Artikel
    *tränenausdenaugenwisch*

  15. #15 Anja
    Mai 5, 2009

    Das Lachen beim Lesen des Artikels war für meinen Mann und mich gesunder, als jede Messe dieser Art!!!!

  16. #16 rolak
    Mai 5, 2009

    Schöner Artikel – Ende März hab ich den Kölner Zwischenstop verpasst, aber im Oktober ist dieser Zirkus ja wieder hier. Da werde ich mal schauen, was mir besonders sauer aufstößt…

  17. #17 Rose
    Mai 5, 2009

    @ Ronny:
    Könnte man dazu die Evolution bemühen? Frauen bzw. Mädchen kriegen immer wieder subkutan vermittelt, dass Denken unsexy ist, riesige naive Kulleraugen samt zugehöriger Leichtgläubigkeit hingegen die Paarungschancen erhöhen. Außerdem kriegen ja besonders gebildete oder beruflich engagierte Frauen weniger Kinder. Könnte es sein, dass die Gene der esoterik-affinen Mädels einfach die besseren Verbreitungschancen vorfinden? (Sollte ich mich also doch noch rasch an die Gründung einer Großfamilie machen? )
    Bestürzt grübelnd
    Rose 🙂

  18. #18 Alexander Knoll
    Mai 6, 2009

    @Rose:
    Super, du hast gerade schön gezeigt, wie unsinnig die meisten just-so stories der evolutionären Psychologie sind!

    @Jessica:
    Danke für deinen heldenmütigen Einsatz! Jetzt kann ich viel besser gelaunt wieder weiterarbeiten.

    Mir ist übrigens im Artikel besonders der Rosenquartz ins Auge gefallen. Das liegt aber daran, dass mich der schon seit Jahren verfolgt. Der lag nämlich oft auf Röhrenmonitoren, um die böse Strahlung vom Tipper davor abzuhalten. Trotz Flachbildschirmen ist die Verbreitung von kleinen Rosenquärtzchen auf dem Schreibtisch nicht zurückgegangen…

  19. #19 Rose
    Mai 6, 2009

    @Alexander Knoll:
    Ich fürchte, ich habe außerdem gezeigt, wie man Ironie nicht ausreichend als solche kennzeichnet…:-)

  20. #20 Ronny
    Mai 7, 2009

    @Rose
    Nicht frustriert sein 🙂 Hr. Knoll dürfte ein vehementer Gegner des ‘Steinzeitmythos’ sein. Dabei passt da doch alles hervorragend zusammen 🙂 Ich trauere immer noch.

    Persönlich denke ich, dass der Überhang an Frauen in der Gestaltung von Esoterik liegt. Da geht es immer um irgendwelche Beziehungen, Schwingungen und unerklärliche Phänomene. Das spricht Frauen, denke ich, mehr an als Männer. Auch die verwendeten Wörter wie: sanft, natürlich, emotional, gemeinsam usw. sind eher im weiblichen Sprachschatz vorhanden. Auch fehlen die für Männer typischen Spielzeuge wie Macht, Sex, Computer, Fahrzeuge, Technik usw.

    Eine provokante These wäre noch, dass man Frauen viel leichter etwas einreden kann als Männern. Aber da werden mir sicher viele Anwesenden widersprechen 🙂 Aber selbst wenn man es nicht böse meint höre ich von Frauen oft: Wenns funktioniert ist es mir egal was dahinter steckt, selbst wenn es physikalisch unmöglich ist.

  21. #21 johannes9126
    Mai 8, 2009

    Der Text ist einfach nur herrlich. Ich würde auf so einer Messe wahrscheinlich mit Schädelbruch vom facepalmen nach Hause gehen.

  22. #22 Alexander Knoll
    Mai 10, 2009

    @Rose:
    Keine Sorge, die Ironie hab ich schon als solche erkannt. Das ist aber der Punkt: evolutionary psychology ist von einer netten Geschichte nur schwer zu unterscheiden, bzw. ist meistens nichts anderes.

    @Ronny:
    Nochmal, soblad jemand gescheite Beweise für etwas vorbringt werde ich mich dem auch anschließen. Bisher sind das aber in der Mehrheit der evolutionary psychology nur plausible Geschichten. Darum ist der Vorwurf “just-so stories” in der Fachliteratur auch etabliert. Das ist nichts neues, damit hat sich sogar schon Gould auseinandergesetzt. Vorgetragen wird eine mögliche Erklärung, wie ein bestimmtes aktuelles Verhalten evolutionär entstanden sein könnte. Blöderweise sind für jedes Verhalten auch zig weitere Entstehungsweisen denkbar, die aufgrund der Abwesenheit von Beweisen genauso wahrscheinlich sind. Und dummerweise gibt es keine fossilen Verhaltensweisen. (Wobei ich hier wieder mal anmerke, dass wenige Verhaltensweisen auf genetische Grundlagen zurückgeführt werden können. Da ist dann eine wissenschaftliche Untersuchung möglich.)

    Ich kann sogar ein nettes, nicht ganz jugendfreies Beispiel liefern, das auch zunächst sehr trocken und wissenschaftlich rüberkommt, sich aber selbst disqualifiziert aus eben diesen Gründen: Jerry Coyne über die Gründe, warum Sperma schlecht schmeckt.

  23. #23 Ronny
    Mai 11, 2009

    @Alexander
    Du hast mich schon überzeugt, dass ich mit meinem ‘Steinzeitdenken’ irgendwie auf dem falschen Weg war. Es war mir sogar ziemlich peinlich, dass ich quasi denselben Fehler machte wie die Homöopathen, nämlich aufgrund von scheinbaren Zusammenhängen etwas als richtig anzunehemen.
    Ein faszinierendes Themengebiet ist aber sicher.

  24. #24 Martin Hermann
    September 3, 2009

    Ich hatte mal ein ähnliches Erlebnis der dritten Art:
    Prof. Niesel

    Gestern (25.1.03) war ich auf der z.Zt. in Wuppertal gastierenden „Esoterika“-Messe. Unter diesem Etikett reisen etwa ein Dutzend Wahrsager, Handleser, Kartenleger sowie Händler mit entsprechenden Büchern, Zauberstäben, Edelsteinen, Räucherstäbchen, Tarotkarten, Pendeln sowie einige Sekten wie Christian Science und eine „Selbsthilfegruppe bezüglich psychischer Beschwerden“ gemeinsam im Wochenrhythmus durch kleinere und größere Städte.
    Für mich interessantestes Erlebnis war die in einem Nebenraum stattfindende Vorführung von Herrn Prof. Dr. Dr. med. W. Niesel, emeritierter Professor für Physiologie der Universität Bochum. Herr Prof. Niesel, der offensichtlich unter einer schmerzhaften Coxarthrose und einer erheblichen BWS-Kyphose leidet und deshalb gern mit gestrecktem Bein fast liegend auf seinem Stuhl saß und mit schneller, etwas undeutlich genuschelter Sprache monoton seine Erklärungen vortrug und nur gegen Ende seiner Ausführungen kräftig, laut und wohlmoduliert sprach (es erinnerte mich stark an das korrekte Beendigen einer Hypnose-Sitzung), machte verschiedene Ausführungen über die Gründe des Unwohlseins, der Aktivitätshemmung und der Energielosigkeit. Mit einem harmonischen Energiefeld fühle man sich doppelt so aktiv, fit und lebenskräftig.. Diese Störungen des Energiefeldes könne man erspüren und in der Folge durch Entstören die harmonischen Energieringe wiederaufbauen.

    In leichter Analogie zur anthroposophischen Dreigliederung habe jeder Körper je eine mineralische, pflanzliche, tierische und menschliche Aura, die jede auf ihre Weise gestört sein könne. Darüberhinaus könne ein gestörtes persönliches Energiefeld das ursprünglich harmonische Energiefeld einer Wohnung stören und umgekehrt ein gestörtes Energiefeld der Wohnung die harmonische eigene Aura stören. Er selbst reinige seine Wohnung deshalb etwa alle 6 Wochen mit den nachfolgend beschriebenen und vorgeführten Zeremonien.

    Zur Wahrnehmung der vier Auren hatte Herr Prof. Niesel vier Papprollen von etwa 4 cm Durchmesser und 20 cm Länge, an den Stirnseiten verschlossen und mit sich überschneidenden Zirkelkreisen versehen, die mit blauem, grünem, gelbem und weißem Papier beklebt waren und mineralische bzw. pflanzliche Pulver enthielten, die man beim bewegen rascheln hörte. Er nahm nun jeweils eine solche Rolle in die linke Hand um sich dann mit gespreizten Fingern und weit ausholender Bewegung mit der rechten Hand dem Patienten zu nähern. Bei harmonischer Aura führte er die Hand bis dicht an den Patienten heran, während Handbewegungen, als ob er etwas Knolliges umgreife (Assoziation: Tumor) in etwa 80-20cm Entfernung Störungen der Aura unterschiedlichen Ausmaßes signalisierten. Zu diesem Zweck hatte er aus dem Kreis der Zuschauer eine freiwillige Person, „die sich z.Zt. nicht ganz wohl fühle“, auf einen Stuhl vor dem seinen in den Kreis gebeten. Es hatte sich eine etwa 50jährige, blass aussehende und sich recht vorsichtig bewegende Dame gemeldet. Herr Prof. Niesel spürte nun mit der beschriebenen Methode in den vier Auren Störungen unterschiedlichen Ausmaßes, insbesondere auf der pflanzenartigen Ebene eine starke Störung im Leberbereich. Nachfragen an dieser Stelle, ob der Patientin Störungen in diesem Bereich, oder dem Bereich der Knochen, der Atmung etc bekannt seien, führten zu keiner klaren Aussage ihrerseits. Herr Prof. Niesel überging dies einfach und bot ihr eine Entstörung an. Nach ihrer Zustimmung legte er auf dem Boden ein Quadrat aus vier etwa 4cm breiten und 1m langen weißen Papierstreifen, auf dessen Eckpunkte er vier etwas dickere Papprollen mit ähnlichen Zeichen auf den runden Endseiten stellte. Dies seien Energiestrahler ähnlich den Orgonstrahlern (Er ging hier jedoch nicht weiter auf Wilhelm Reichs Theorien ein). Die parallelen Energiestrahlen dieser Strahler würden sich im Unendlichen treffen erklärte er und einen Energiekanal schaffen, der es den störenden karmischen Geistern ermögliche, in die Ewigkeit des Alls zu gehen und dort erlöst zu werden. Es folgte eine Reinigung der Auren und der Aufbau energetischer Schutzringe. Dies geschah, indem Herr Prof. Niesel mit einer langen Pfauenfeder den Bereich einer gedachten Hülle um die Patientin abwedelte; er bewegte die elastische Feder so, dass deren Spitze mit der augenförmigen Zeichnung immer um etwa 10cm hin- und herpendelte, dabei die gedachte Aura wie mit einem Federwisch reinigend. Ich wurde ein wenig an das kleine Pendel erinnert, das viele Hypnotiseure zur Einleitung der Hypnose benutzen. Diese ausführliche Reinigung der Auren zeigte jedoch in einer erneuten „Testung“ nur einen Teilerfolg. Nun sollte das Publikum (nur einzelne verließen den Saal) gemeinsam mit segnend ausgestreckten Handflächen heilende Energien in Richtung der Patientin aussenden. Meine Versuche, mit dieser Methode hierbei Herrn Prof. Niesel etwas Vernunft zukommen zu lassen, zeigten leider die völlige Nutzlosigkeit der Methode. Herr Prof. Niesel vermutete nun eine energetische Störung des Wohnumfeldes der Patientin. Sie wurde nun gebeten, ihre Adresse (Tizianweg 7) ohne ihren Namen auf ein Stück Papier zu schreiben und sich wieder auf ihren Platz im Kreis zu begeben. Der Zettel mit der Adresse wurde nunmehr auf den verlassenen Stuhl im Quadrat gelegt und nachfolgend mit der bekannten Methode gestörte Energiefelder der Wohnung „nachgewiesen“. Herr Prof. Niesel fand nun einen unglücklichen Geist, der die Erde nicht verlassen könne und in der Wohnung verblieben die dortigen Energiefelder störe. Herr Prof. Niesel sprach eindrücklich und monoton mit dem hartnäckigen Geist, den er duzte, durchaus vergleichbar mit den ersten, sanften Versuchen beim Exorzismus, wie sie im Rituale Romanum beschrieben sind, jedoch ohne die dort verlangte laute und deutliche Sprache gegenüber dem Geist, da dies den hypnoseartigen Zustand des Publikums wohl zerstören würde. Er bat ihn eindringlich, doch mit Hilfe des von den Energiestrahlern gebildeten Kanals die Wohnung in Richtung All zu verlassen, da dies für ihn und alle viel besser sei… Schlussendlich kam es zu einer Reinigung der Wohnung, die Auren der Patientin waren nach dieser fast dreiviertelstündigen Prozedur gereinigt, die energetischen Schutzringe aufgebaut und das Publikum wurde belehrt, dass diese Ringe regelmäßig wieder aufgebaut werden müssten, Kurse hierzu würden in der Praxis der Heilpraktikerin Petra Baldes in der Melanchthonstr. durchgeführt, weitere Informationen hierzu geben es an seinem Messestand…
    Auf dem Messestand – Herr Prof. Niesel hatte einen Doppelstand belegt – sah ich wie auf zwei Behandlungsstühlen zwei Patientinnen gleichzeitig mit den wedelnden Pfauenfedern ihre energetischen Schutzringe aufbauen und ihre Auren reinigen ließen.