Wer hat hier eigentlich “globale Erwärmung” beim Bruch des Wilkins-Schelfeises gesagt?
Interessanterweise ist nämlich in der Originalpressemitteilung vom National Snow and Ice Data Center (NSIDC) im Text überhaupt nicht die Rede von “globaler Erwärmung”.

Vielmehr wird mehrfach explizit darauf hingewiesen, dass es sich um eine schnelle regionale Erwärmung in diesem Bereich der Antarktis handelt. Es geht also um regionales Klima der letzten Jahre und Jahrzehnte und mitnichten um eine globale Entwicklung.

Also woher kommt dieser Zusammenhang…

Des Rätsels Lösung ist einfach: Es ist die Überschrift “Antarctic Ice Shelf Disintegration Underscores a Warming World”. Auf Deutsch: “Auflösung des antarktischen Schelfeises bestätigt eine sich erwärmende Welt.”

Eine völlig übergeigte Zeile, die zwar Aufmerksamkeit und Erwartungen weckt, was vom PR-Standpunkt zwar gut, aber vom wissenschaftlichen Standpunkt ganz schlecht ist – weil der Text diese Erwartung, ja die implizite Behauptung, dass der Eisbruch ein Beleg der globalen Erwärmung ist, einfach nicht hergibt.

Irgendjemand dachte sich wohl: “Globale Erwärmung geht immer und wenn wir noch ein paar spektakuläre Bilder und Videos mit reinwerfen, ist die Sache ein Selbstläufer.” Gepaart mit einer Art Journalismus, der nur die Überschrift liest und mit vorgefertigter Meinung das abschreibt, was zur Meinung passt und sowieso nicht weiß, was eigentlich der Unterschied zwischen regionalem und globalem Klima ist, ergibt sich dann ein völlig irreführender Wissenschaftsjournalismus, der diesen Namen nicht verdient hat.

Übrigens wurde der Bruch im Wilkins-Schelfeis auch vom europäischen ESA-Satelliten Envisat beobachtet und die Forscher von den Universitäten Münster und Bonn haben dazu ebenfalls eine deutsche Pressemitteilung rausgegeben .

Sieh mal einer an! Das hört sich doch wesentlich moderater an und man erfährt auch vielmehr über die Hintergründe des Eisbruches als aus der amerikanischen Meldung. Das Wort “globale Erwärmung” fällt nirgendwo und es wird auch nicht im Entferntesten der Anschein erweckt, dass diese Entwicklung zwangsläufig was damit zu tun haben muss. Dummerweise kam diese Meldung einen Tag später und deutsche Forscher werden im internationalen Medienzirkus alleine schon wegen der Sprachbarriere nicht wahrgenommen.

So kann es passieren, dass die leisen Töne gar nicht mehr in der Öffentlichkeit ankommen, sondern bereits im Vorfeld ausgefiltert werden. Weil die Meldung nicht knackig genug ist, weil sie nicht die richtigen Modewörter in der Überschrift enthält und weil einen Tag später die Aufmerksamkeit der Medien längst auf andere Themen gerichtet ist.

Diese Geschichte ist leider ein ganz typisches Beispiel dafür, wie Wissenschaft in einer Medienschlacht zwischen PR und Sensationsjournalismus einfach verheizt wird und dass bestenfalls stroboskopische Aufnahmen der wissenschaftlichen Arbeit in der Öffentlichkiet ankommen. Da wird ein einzelner Aspekt in grelles Licht getaucht und im nächsten Moment ist das Thema schon wieder unsichtbar, weil der Schweinwerfer der Medien hektisch von hier nach dort springt und immer wieder neue Motive sucht. Es geht nicht mehr darum, den Leuten zu erklären, was Sache ist, sondern einfach nur darum maximale Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Forschungsinstitut zu lenken und möglichst viele Emotionen zu wecken – selbst wenn man dazu die Wahrheit ein kleines bisschen zurechtbiegen muss.

Wer braucht auch schon ausführliche, fundierte und kontinuierliche Berichterstattung?

Kommentare (6)

  1. #1 Soziobloge
    März 28, 2008

    Bei uns in der Zeitung stand auch dick auf der ersten Seite die dpa Meldung mit der globalen Erwärmung und dem Eisbruch drin. Da kriegt man echt die Krise wenn man sowas lesen muss. Aber das ist eben auch Politik. Weiteres Beispiel ist das generelle Speedlimit auf Autobahnen. In einer Meldung wurde berichtet das Umweltschützer jetzt eine EU Richtlinie fordern. 120 auf allen europäischen Autobahnen. Dabei argumentieren die auch mit der Sicherheit. Ohne Speedlimit würde die Eu ihr Ziel die Zahl der Verkehrstoten zu halbieren nicht erreichen. Das die meisten Unfälle auf Landstraßen passieren und selbst auf der Autobahn eher bei Geschwindigkeiten unter 100, beispielsweise in Baustellenbereichen wird dabei mal eben unterschlagen. Das sind die Auswirkungen der Globalisierung und der immer weiter voranschreitenden Einflussname von NGOs. Aber das ist wohl dann nochmal nen eigenes Thema…

  2. #3 Schlattan
    März 28, 2008

    Der Eisabbruch in der Antarktis ist genauso wenig ein Beweis für den Klimawandel wie der derzeitige Kälteeinbruch in Deutschland einer dagegen ist.

  3. #4 Ludmila Carone
    März 28, 2008

    @Klimafraktal: Oh ja, die bösen, bösen Wissenschaftler. Wie können die es auch wagen, an die Öffentlichkeit zu gehen und den Mund aufzumachen? Sollen die doch alle schön in ihren Laboren bleiben und das Maul halten. Am besten allen Maulkörbe verpassen, die nicht Deiner Meinung sind. Wie können die es wagen, sich gegen ihrer Meinung nach falsche und irreführende Berichterstattung/Argumente/ Medien zu wehren? Schöne einseitige Sichtweise: Wissenschaftler, die mit der Presse sprechen, sind böse!

    Wie kommt es eigentlich, dass “Skeptiker” meinen, dass sie alleine dadurch, dass sie lautstark kritisieren – völlig unabhängig von ihren Argumente – für das reine Dagegensein einen Heiligenschein verliehen bekommen? Und wie kommt es, dass sie gleichzeitig meinen, jede Kritik am Kritiker oder ein sich wehren sei “per se” böse?

    Stellen wir uns vor, wir wären vor Gericht. Da haben wir die absurde Situation, dass einige Leute sich als Ankläger aufspielen, aber es nicht zulassen wollen oder es als sittenwidrig erachten, dass sich die Angeklagten wehren. Und es wird als sittenwidrig angesehen, wenn der Angeklagte mit der Presse über seinen Fall spricht. Oder wenn man gar Fehler in ihrer Argumentation aufzeigt, dann schreien Sie: “Das darfst Du nicht, DU bist hier der Angeklagte.” Wie kann er nur? Hat er überhaupt das Recht dazu?
    Weitere einseitige Sichtweise: Wissenschaftler, die sich gegen Angriffe anderer wehren und die Angreifer beim Namen nennen und versuchen, ihre Methoden aufdecken, sind böse!

    So sieht also in Deiner Welt Meinungsfreiheit aus. Na, gute Nacht.

  4. #5 Fischer
    März 28, 2008

    Ruhe bewahren. Klima-Fraktal ist doch nur einer von den Heinis, die im Schutz der Anonymität ihren antiwissenschaftlichen Dünkel verbreiten. Don’t feed the Trolls.

    Das Problem ist einfach, dass im journalistischen Tagesbetrieb überhaupt kein Platz für Leute/Nachrichten/Ereignisse ist, die sich nicht mit Gewalt in den Fokus der Aufmerksamkeit drängen. Wie soll ein Redakteur, der gefälligst eine Umsatzrendite von zwanzig Prozent und mehr zu erwirtschaften hat (siehe Berliner Zeitung), an solche Sachen denn auch rankommen?

    Chef-Leisetreter Stefan Rahmstorf hat heute drüben in der Klima-Lounge auch gerade beklagt, dass ein Großteil der deutschen Klimaforscher in den Medien schlicht nicht wahrgenommen werden. Das ist genau der gleiche Effekt: Die Forschen halt so fröhlich vor sich hin und verlassen sich darauf, dass einer von den überarbeiteten Schreibknechten irgendwann man den ISI-Index durchwühlt und sie findet. Dat wird nix.

  5. #6 Ludmila Carone
    März 29, 2008

    @Fischer: Das Problem sehe ich natürlich auch. Diese bequeme Kopier-und Abschreibementalität entwickelte sich ja dadurch, dass sie sehr billig ist und der Kostendruck sehr hoch ist. PR-Meldung nehmen, kopieren, ein bisschen umstricken: Fertig ist die Agenturmeldung! Die wird wiederum von den Redkationen kopiert, vielleicht etwas gekürzt oder umgesetzt. Fertig! Richtiger Fast-Food-Journalismus. Schnell und billig und leider schlägt sich das eben auch auf das Produkt Nachrichten nieder. Das ist dann genauso billig. Die Leute sind angenervt, konsumieren weniger Nachrichten, die Auflage sinkt, wodurch der Kostendruck wieder auf den Redakteur steigt.

    Man merkt das alleine schon deswegen, dass in vielen Zeitungen oft dieselben Meldungen und Bilder erscheinen. Richtig gute Recherche kostet Zeit und eben auch Geld. Geld, dass irgendwo nie vorhanden ist. Dann ist da noch das Internet mit all seinen Stärken, aber auch Schwächen. Es erzeugt die Illusion, dass richtig gute Nachrichten umsonst zu haben sind.