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Als am 5. Januar 1971 zum dritten Mal Menschen auf dem Mond landeten, hatten die Astronauten Alan Shepard and Edgar Mitchell einen straffen Zeitplan abzuarbeiten. Sie verbrachten insgesamt kaum 9 1/2 Stunden bei Außeneinsätzen auf dem Mond, sammelten u.a. 40 kg Mondgestein ein und führten eine Reihe wissenschaftlicher Experimente durch. Umso erstaunlicher erscheint es da, dass Alan Shepard acht Minuten seines kostbaren Außenaufenthaltes mit Staubwischen verbrachte.

Und mit Golf ;-):

Um den Sinn der Staubwisch-Aktion zu verstehen, ist es wichtig zu wissen,  dass Mondstaub um einiges fieser ist als Erdstaub. Im Gegensatz zu Erdstaub besteht er ausschließlich aus feingemahlenem Gestein, entstanden nach Jahrmilliarden von Meteoriteneinschlägen. Er ist daher recht hart, staubtrocken, von pudriger Konsistenz und durch den Sonnenwind aufgeladen, so dass er leicht an allen möglichen Oberflächen haften bleibt. Zudem ist der Mond teilweise richtig dick von diesem Zeugs bedeckt.  Nur ein Beispiel: Die Apollo-14 Astronauten hätten auf ihrem Außeneinsatz eigentlich auch zum Rand des Cone Kraters gehen und dort Proben nehmen sollen. Aber auf dem Weg dorthin sind sie mit ihrem Handkarren (MET) derart in Staub versunken, dass sie langsamer voran kamen als gedacht. Außerdem war die Orientierung in dem Gelände sehr schwierig. Die Astronauten haben sich in Folge dessen ein bisschen verirrt. Letztendlich entschieden sie sich nach einiger Zeit, obwohl sie den Rand des Kraters immer noch nicht eindeutig identifizieren konnten, an Ort und Stelle Proben zu nehmen und umzukehren (Das Ganze lässt sich hier wunderbar nachvollziehen):

Mitchell – “Right now, as I listen to this, I feel an enormous sense of frustration, just like I did then. It was terribly, terribly frustrating; coming up over that ridge that we were going up, and thinking, finally, that was it; and it wasn’t – suddenly recognizing that, really, you just don’t know where the hell you are. You know you’re close. You can’t be very far away. You know you got to quit and go back. It was probably one of the most frustrating periods I’ve ever experienced.

Tatsächlich ist auf den Bildern des Mondorbiters LROC zu sehen, dass Mitchell und Shepard wirklich sehr nah rangekommen sind. Zumindest etwas Auswurfmaterial des Kraters sollten sie also erwischt haben. (Wenn Ihr das Bild unten ein klein wenig vergrößert, sollte die Spur der Astronauten zu erkennen sein. Ich persönlich finde das schon extrem beeindruckend)

https://lroc.sese.asu.edu/news/uploads/LROCiotw/M104634241LE_annotated.png

Bild: NASA, LROC, GSFC/Arizona State University. ( 19. August 2009)

Das Thermal Degradation Sample (TDS)-Experiment im Apollo Lunar Surface Experiments Package(1) war nun für die Untersuchung von Mondstaub auf verschiedenen Oberflächen ausgelegt. Dieses bestand aus zwei Rahmen mit insgesamt 12 Plättchen aus Materialien wie z.B. Quartz, verschiedene weiße Lacke, hitzebeständige Polymerbeschichtungen…Das sind alles Materialien, die bei einer Weltraummission im Außeneinsatz sein können und naturgemäß große Temperaturschwankungen aushalten müssen (2). Allan Shepard bedeckte beide Rahmen mit Mondstaub und entfernte diesen wieder, indem er die Rahmen schüttelte und sie anschließend mit einem kleinen Pinsel bearbeitete. Währenddessen dokumentierte er sein Vorgehen mit Fotos und gab seine Beobachtungen per Funk an die Erde weiter. Anschließend sollten die Rahmen wieder zur Erde zurückgebracht und im Labor das Absorptions- und Emissions-Verhalten der 12 Materialien unter Sonneneinstrahlung untersucht werden; also, es sollte überprüft werden, wieviel Licht die Plättchen schlucken bzw. abstrahlen, nachdem sie dem Mondstaub ausgesetzt waren.

Wie gesagt, sie sollten im Labor untersucht werden… Was aber offenbar nie geschehen ist. Noch nicht mal der Verbleib der Rahmen lässt sich nach über 40 Jahren rekonstruieren. Im NASA Johnson Space Center und im Smithsonian Institute sind sie jedenfalls nicht. Und James Gaier vom Glenn Research Center der NASA hat sich wirklich alle Mühe gegeben, möglichst viele Informationen zu diesem Experiment zusammenzutragen.

Es ist witzigerweise noch nicht mal gesichert, wer sich das TDS-Experiment eigentlich ausgedacht hat (3). Offenbar fühlte sich keiner dafür verantwortlich, was vermutlich auch erklärt, warum es verschwunden ist. Das Phänomen kennt jeder, der in einer größeren Behörde bzw. Firma arbeitet. Irgendjemand soll sich eben darum kümmern. Ist, klar…Und hinterher will es niemand gewesen sein, wenn’s weg ist.

Die meisten Menschen würden jetzt sagen: Damit ist das Experiment verschollen und damit gescheitert. Nicht so, James Gaier. Er dachte sich anscheinend: “Ok, es sind Fotos vorhanden und außerdem gibt es Labormessungen von Materialien, die zumindest halbwegs vergleichbar sind mit Mondstaub. Da müsste sich doch was machen lassen…” Und genau das hat er dann auch getan und seine Ergebnisse im Icarus im Oktober diesen Jahres beschrieben.

Bild (NASA, Apollo 14): AS14-77-10364A Sample 1-6:

1 S-13G (weiße Farbe)
2 Z-93 (ZnO/Kalium-Silikat, weiße Farbe)
3 Goddard MS-74 (weiße Farbe)
4 Ag-FEP (Silber/schwarze Co-Polymer Beschichtung der Firma Inconel (siehe Link) , FEP Seite ist oben.)
5 Ag-Quartz (Silber/Quartz oben)
6 Dow Corning 92-007 (TiO2/Silikon weiße Farbe)

Bild (NASA, Apollo 14): AS14-77-10365

7 Cat-a-lac White (TiO2/Epoxidharz)
8 3 M white velvet (400 series TiO2/Polyester-Epoxydharz-Mischung)
9 Dacron (Kunstfaser) auf Al-PET-Folie-Laminat. Dacron ist eigentlich ein Markenname, findet wohl auch als Segeltuch Verwendung.
10 Oxidisiertes SiO–Al-Kapton (Kapton ist eine Polymid-Beschichtung ) mit SiO-Seite oben
11 Aluminium–Kapton mit Kapton-Seite oben
12 Anodized 6061 Al MIL-A-8625, type II, class I (Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist das eine Aluminium-Oxid-Beschichtung auf Aluminium)

Das Bild oben zeigt das Experiment nachdem der Staub abgeschüttelt und abgebürstet wurde. Material 4, das Co-Polymer, und 11, ebenfalls eine Polymerbeschichtung, zeigen nach dem Abbürsten Kratzspuren, während die anderen Oberflächen anscheinend nicht zerkratzt wurden. Ansonsten scheint Shepard relativ erfolgreich ohne große Mühe den Staub von den Rahmen entfernt zu haben. Das ist schon an sich sehr seltsam, denn es widerspricht den Erfahrungen, den andere Missionen auf dem Mond gemacht haben.Allen Shepard selbst sagte beim Technical Crew Debriefing. I was surprised that there was little adherence of the surface dust. I expected a little bit more. It didn’t adhere very much’’ Auch er war also überrascht über die geringe Haftfähigkeit. Dafür war aber eine Klümpchenbildung zu beobachten, die Staubkörnchen hafteten also aneinander. Der Staub scheint also schon statisch aufgeladen gewesen zu sein.War also irgendetwas mit den Rahmen?

Laut James Gaier spricht einiges dafür, dass die Rahmen kontaminiert waren. Anscheinend schützte eine hauchdünne Schicht Erdstaub vor dem Haften mit Mondstaub. Im Labor zeigt sich bei Messungen mit synthetischem Vulkanglas-Staub, dass dieser simulierte Mondstaub erst dann so richtig haftet, wenn das Material vorher von jeglichen organischen Rückständen (von der Erde eingeschleppt) befreit wurde. Dafür reicht es, wenn die Oberfläche dem Sonnenwind ausgesetzt wird, der dann lose winzige Teilchen von der Oberfläche ‘herausschießt’. Nach Stunden oder gar Tagen auf dem Mond sollte jede Oberfläche ‘sauber’ sein. Oder von der schützenden Schicht befreit sein – je nach Sichtweise.

Das TDS war aber kaum eine Minute dem Sonnenwind ausgesetzt, bevor Staub drauf geschaufelt wurde. Außerdem fand das Experiment in den “Ausdünstungen” des Astronauten statt. Damit ist gemeint, dass im Vakuum der Raumanzug des Astronauten – also das Material und vor allem die Kunststoffe – “ausgasten”. Diese Ausdünstungen konnten während der Apollo-12-Mission nachgewiesen werden. Das Cold Cathode Gage (CCG)-Experiment, das Mond-Gase messen sollte, litt jedes Mal darunter wenn ein Astronaut in einem Umkreis von ein paar Metern vorbei ging. Es saturierte, weil es so empfindlich war, dass es gar nicht mehr messen konnte, wieviel die Astronauten abgaben.

So weit, so gut. Aber eigentlich ging es doch darum, herauszufinden wie sich die Materialien unter Sonneneinstrahlung verhalten, wenn sie Mondstaub ausgesetzt waren. Um das zu untersuchen,  hat James Gaier mangels der Original-Rahmen Experimente mit Oberflächen aus demselben Material wie Sample 2  und Sample 4 gemacht. Dabei kam – wenig überraschend – heraus, dass es nicht ganz so gut ist, wenn da Staub drauf kommt. Als Staub verwendete er eine spezielle Rezeptur der NASA, die den Eigenschaften und der Zusammensetzung von echtem Mondstaub recht nahe kommen sollte (Das Rezept für JSC-1AF gibt’s hier)(4)

Er stellte fest, dass selbst eine extrem dünne (ein Monolayer reicht völlig), kaum sichtbare Staubschicht die Fähigkeit der Materialien, Licht zu absorbieren, um den Faktor 3 erhöht. Und damit erhitzt sich das Material auch stärker unter Sonneneinstrahlung als ohne Staubschicht.

(Vorsichtiges) Fazit des TDS-Experimentes: Direkt von der Erde eingeschlepptes Material lässt Mondstaub nicht so leicht haften und kann recht einfach mit etwas Schütteln und einer Bürste entfernt werden. Aufgrund der Härte des Staubes ist auf Polymer-Beschichtungen allerdings mit Kratzern zu rechnen. Nach Stunden und Tagen sollte der Sonnenwind die schützende Erdkontamination weggetragen haben. Bereits eine dünne Mondstaub-Schicht reicht aus, um Oberflächen stärker als erwartet unter Sonneneinstrahlung zu erwärmen.

James Gaier hat also das Beste aus einer eigentlich unmöglichen Situation gemacht. Dennoch ist das Ergebnis ziemlich unbefriedigend. Aus dem Icarus-Text spricht stellenweise jedenfalls ganz schön viel Frust heraus, wenn sich Gaier z.B. darüber “beschwert”, dass nicht dokumentiert ist, wieviele Bürstenstriche Shepard gemacht hat, oder ob er beim Schütteln die Rahmen geneigt hat.

James Gaier empfiehlt daher, das Experiment zu wiederholen. Aber diesmal bitte ohne Menschen. Ein Roboter kann das Experiment wesentlich kontrollierter ausführen und ohne dabei die Platten “einzusauen” 😉

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(1) sozusagen ein Experimentier-Kasten zur Untersuchung der Mondoberfläche 😉

(2) Auf Twitter habe ich mit meinen Followern diskutiert, wie mensch hier am besten den doch recht weit gefächerten Begriff ‘thermal coating’ übersetzen sollte. Das war meine beste Lösung.

(3) Als Principle Investigator ist “unbekannt” aufgeführt.

(4) Veröffentlicht in

James R. Gaier, John Siamidis, and Elizabeth M.G. Larkin.  “Effect of Simulated Lunar Dust on the Properties of Thermal Control Surfaces”, Journal of Spacecraft and Rockets, Vol. 47, No. 1 (2010), pp. 147-152.

doi: 10.2514/1.41785

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Gaier, J. (2012). Interpretation of the Apollo 14 Thermal Degradation Sample experiment Icarus, 221 (1), 167-173 DOI: 10.1016/j.icarus.2012.07.002

Kommentare (8)

  1. #1 Wolf
    Oktober 22, 2012

    Den Titel “Weltraumputze” hat er sich redlich verdient! 😉

  2. #2 Engywuck
    Oktober 22, 2012

    Roboter dürften zwar weniger “ausdünsten” als Menschen, aber doch nicht komplett sauber sein (oder werden keine Kunststoffe und (Schmier-)fette (jeglicher Art, ich zähle auch Teflon und Silikone dazu :-)) verwendet?

    Andererseits kann man einen Roboter natürlich auch einfach mal ein paar Wochen im Sonnenwind “ausdünsten” lassen, bei Menschen wäre das eher unpraktisch 🙂

  3. #4 Engywuck
    Oktober 28, 2012

    was mir beim neu lesen aufgefallen ist: wenn einer weiss, wo das Experiment abgeblieben ist — ist es dann evtl noch auf dem Mond?

  4. #5 Ludmila Carone
    Oktober 29, 2012

    @Engywuck: Das habe ich mich auch schon gefragt; und James Gaier wohl auch. Er erwähnt jedenfalls ausdrücklich in seinem Paper, dass er davon ausgeht, dass sich die Astronauten sich an die Checkliste gehalten haben. Die sah vor: Eintüten und wieder mit zurück nehmen. Und da sich die Astronauten sonst akribisch an diese Liste hielten, kann mensch wohl davon ausgehen, dass das TDS wieder zurück auf die Erde kam. Aber wissen tun es wir eigentlich nicht. Weil sich ab den Bildern auf dem Mond die Spur des Experimentes verliert. Wer weiß, was wir alles wiederfinden, wenn wir es irgendwann schaffen sollten, wieder da irgendwo zu landen?

  5. #6 glaubinet
    Dezember 28, 2012

    Haben die extra das Schwerefeld des Mondes für das wissenschaftliche Golfspiel verstärkt, damit der Staub ähnlich schnell wie auf der Erde fällt?

    Wenn ja, warum?

    Wenn nein, warum nicht?

  6. #7 Bullet
    Januar 8, 2013

    Ich zitiere mal den “interessanten” Teil der Frage:

    Haben die extra das Schwerefeld des Mondes[…] verstärkt[…]?
    Wenn nein, warum nicht?

    Es erübrigt sich zurecht, die sich aus dieser Fragestellung ergebende Konsequenz in Bezug auf den Realitätssinn des Fragenstellers zu formulieren.

  7. #8 Ludmila Carone
    Januar 15, 2013

    @glaubinet @Bullet Ok, natürlich ist das mit der Schwerkraft lächerlich und ich kann auch nicht mal halbwegs nachvollziehen, wie mensch anhand des Videos oben darauf schließen kann, dass der Staub ‘ähnlich’ wie auf der Erde fällt. Allerdings – ich hab es aber nicht nachgerechnet- kann ich mir schon vorstellen, dass der Staub auf dem Mond tatsächlich halbwegs so langsam fällt wie auf der Erde. Nur hat glaubinet anscheinend noch nie wirklich Staub gewischt. Staub wirbelt nämlich auf der Erde eher auf und sinkt dann langsam zu Boden. Langsamer als z.B. als Stein, obwohl Staub und Stein gleich schnell fallen sollten, wenn nur die Gravitation auf beide Objekte wirkt. Tut sie aber nicht. Auf der Erde gibt es noch dieses lästige Ding namens Luft, dass da überall dazwischen ist und eben den Fall von Staub bremst. Auf dem Mond ist quasi Vakuum und daher kaum Luft die bremst, dafür aber die Gravitationskraft geringer.
    Fazit: Erdgravitation – Luftwiderstand könnte ungefähr dieselbe Wirkung haben wie die geringere Mondgravitation ganz alleine.
    Aber hier haben wir das Video vom Mond, das uns zeigt, dass Galileo tatsächlich Recht hatte.