Wo ich gerade beim Thema “Zukunft des Journalismus‘ bin: Im aktuellen Newsletter der Freischreiber gibt es dazu folgende Passage:

“Blicken wir in die Zukunft – ohne Verlage. Ja, es klingt erst mal gewagt, aber es gibt tatsächlich gute Gründe daran zu glauben, dass Autoren dank der gesunkenen Herstellungs- und Vertriebskosten ihre Arbeit in naher Zukunft auch selbst vermarkten können.

So schlägt Jeff Jarvis in einem FAZ-Interview vor, dass Autoren lose in Netzwerken zusammenarbeiten, sich gemeinsam vermarkten und so Verlage überflüssig machen könnten. “Der Journalist wäre dann ein Gründer. Das wäre ein Modell, das man ausprobieren muss”, sagt Jarvis. Hier gibt es das Interview in voller Länge.

Der Autor Markus Albers hat diesen Versuch gestartet und sein neues Buch “Meconomy” ganz ohne Verlag auf den Markt gebracht. Hier erzählt er darüber.

Erschrocken fragte da sogar Springers “Berliner Morgenpost/Die Welt”: Machen Ebooks Verlage überflüssig?”

Einerseits will ich gar nicht auf Verlage verzichten, weil es ihre Kompetenz ist, Inhalte zu verbreiten. Meine hingegen nicht. Ich will ja eigentlich Geschichten suchen, finden und erzählen. Wenn ich mich jetzt auch noch um den Vertrieb kümmern muss, fehlt diese Zeit für die Artikel. Andererseits wird es immer einfacher Texte zu verbreiten. Am Ende ist es vielleicht einfach ein Rechenexempel.

Noch mal der Wachmacher-Satz von Jarvis:

“Wir müssen im Journalismus radikal Neues probieren.”

Leichter gesagt als getan …

Kommentare (14)

  1. #1 nata
    28. Januar 2010

    Der Gedanke hat einen gewissen Charme. Ich kenne Verleger, die seit Jahren davon träumen, Zeitung ohne Journalisten zu machen.

  2. #2 Lars Fischer
    28. Januar 2010

    Tja, das Problem ist halt oft die Abhängigkeit von der Verwertungskette. Für einige Verlage gilt eben tatsächlich, dass sie im Wesentlichen Druckmaschinenbetreiber sind – die sind natürlich in Schwierigkeiten, wenn sich das Geschäft vom Papier wegbewegt.

    Aber es gibt eben auch Verlage, die ganz altmodisch Inhalte verkaufen, und für die ist Papier halt auch nur ein Trägermedium von vielen. Die werden bleiben, weil ja auch Leser von e-books eine seriöse Infrastruktur für die Verteilung der Inhalte wollen.

    Was natürlich nicht passieren darf ist dass die Verlage das wieder verpennen und zulassen, dass jemand anderes mit der Distribution Geld verdient. Dann sind die Verlage wirklich tot.

    Aber das wäre dann nicht die Schuld des eBooks.

  3. #3 strappato
    28. Januar 2010

    Was ist ein “Verlag”? Wenn sich ein paar Journalisten zusammentun, eine Person oder einen Dienstleister beschäftigen, der sich um Vertrieb, Rechungen und Steuer kümmert – ist das ein Verlag? Jeder Gründer nutzt Dienstleister für Dinge, die seine Kernkompetenz nicht abdecken. Also müsste auch in dem Jarvis-Modell kein Journalist sein Zeitkontigent mit dem Vertrieb übermässig belasten.

  4. #4 Marcus Anhäuser
    28. Januar 2010

    @strappato
    man kann Verlage auch über das Geld definieren. Verlage sind die, die Journalisten das Geld bezahlen, im Alternativmodell zahlen die Leser direkt an den Journalisten.

    Ob ich das besser finde, weiß ich noch gar nicht.

  5. #5 Alexander Stirn
    28. Januar 2010

    Das Problem ist doch nicht, dass Journalisten ihre Arbeit, wie Jarvis schreibt, “dank der gesunkenen Herstellungs- und Vertriebskosten in naher Zukunft selbst vermarkten können”. Das versuchen sie doch vielfach schon heute – z.B. mit eigenen, verlagsunabhängigen Blogs. Das Problem ist doch, dass es dafür kein vernünftiges Erlösmodell gibt. “E-Commerce, Veranstaltungen, Bildung”, wie von Jarvis genannt, sind ja nicht wirklich eine Option.

  6. #6 Marc
    29. Januar 2010

    Neulich stolperte ich über das Zitat “The future is individual journalists, not big media” und ließ mich bei mir zuhause dazu aus.

    Es könnte tatsächlich ohne Verlage gehen, so wie Musiker (in Klammern das Journalistenanalogon), die inzwischen eher von Live-Auftritten (Lesungen, Blogs, Bücher) anstelle von CD-Verkäufen (Zeitungen, Magazinen) leben müssen. Allerdings verlangt das einen gewissen Rampensaucharakter und etwas Entertainerqualitäten, nur ist nicht jeder Journalist wie Bastian Sicks (der mit Stilblütensammlungen und Grammatikgedanken ganze Hallen bespielt). Und auch nicht jeder ist gerne Unternehmer oder Anzeigenacquisiteur.

  7. #7 Lars Fischer
    29. Januar 2010

    Marc deutet da einen ganz wesentlichen Punkt an, den man nicht obt genut betonen kann: Diese Solo-Erwerbsmodelle werden zwar funktionieren, aber nur für einen Bruchteil der Leute, die heute in der Branche arbeiten.

  8. #8 Jürgen Schönstein
    29. Januar 2010

    Und es gibt da noch ein ganz gewaltiges Problem: Gute Verleger wussten, dass man sich eine gute Geschichte auch etwas kosten lassen muss. Und das ist oft mehr, als der Leser – wenn er denn zu entscheiden hätte – für diese bestimmte Story hingeblättert hätte; aber er bezahlte über den Abo- oder Kioskpreis für das gesamte Printprodukt. Mischkalkulation würde man dieses Bezahlmodell wohl nennen. Wenn man diese entmischt, und jedes journalistische Erzeugnis muss dann seinen eigenen Preis erwirtschaften, dann werden vermutlich wir sehr viel Unterhaltsames, aber nur sehr wenig aufklärendes Lesen. Der Trend ist doch schon länger erkennbar, und er würde durch ein “Journalisten-Unternehmer-Modell” enorm beschleunigt.

  9. #9 Marc
    2. Februar 2010

    Es gibt auch noch ein anderes Problem: Einzelne Journalisten werden selten so reich sein, dass sie ein Zivilverfahren durchstehen können, wenn ein Unternehmen oder Verband einen Streit um die Meinungsfreiheit losbricht.

    Ich kann mir sogar vorstellen, dass man wegen einer sehr unliebsamen Tatsachenbehauptung (die Erde ist eine Kugel) in Grund und Boden geklagt werden könnte. Auch wenn man im Recht ist (weil die Erde nunmal keine Scheibe ist) und am Ende gewinnen wird, wer hat schon die Nerven das über Jahre bis zu den Obergerichten hin durchzustehen?

    Ich erinnere an Jens Weinreich vs DFB, ein Streit um eine Meinungsäußerung in einem Forum.

  10. #10 Marcus Anhäuser
    2. Februar 2010

    Ihr habt ja alle Recht. Aber so wie jetzt kann es doch nicht weiter gehen, finde ich.

    Aber Journalisten als Unternehmer: wie Jeff Jarvis gerade bei Ulrike Langer erzählt hat:
    https://medialdigital.de/2010/02/02/jeff-jarvis-die-zukunft-des-journalismus-ist-unternehmerisch/

    Das finde ich natürlich auch schwierig.

  11. #11 strappato
    2. Februar 2010

    Wenn die Studenten ihre Idee nicht prinzipiell in einem Tweet von 140 Zeichen ausdrücken können, dann haben sie wahrscheinlich kein sehr klares Konzept

    Man kann es auch übertreiben.

  12. #12 Ulrike Langer
    3. Februar 2010

    Manche gehen hier bei Unternehmer-Journalisten wie selbstverständlich von Solo-Unternehmern aus. Das muss doch gar nicht sein. Journalisten können sich zusammenschließen, der eine schreibt, der andere filmt, und kümmert sich nebenher um Werbekunden, der dritte macht Audio und pflegt die Technik der gemeinsamen Website, etc.
    Auch Hardy Prothmann mit seinem Heddesheimblog will das nicht auf Dauer alleine machen. Er stellt jetzt drei Redakteure ein, Monatsgehalt 3000 Euro.
    Wobei die Schaffung neuer Angestelltenverhältnisse nicht so mein Ding ist. Aber sehr interessant finde ich das genossenschaftliche Journalismus Modell von Christoph Zeuch (altona.info) in Hamburg. Ich habe dazu mit Christoph neulich ein Interview im mediummagazin geführt: https://www.mediummagazin.de/archiv/2009/12/kompletter-angriff/
    Aber welches Modell man auch immer aufzieht: Der Kern des Unternehmer-Journalismus ist es, sich ganz oder teilweise aus der Abhängigkeit von klassischen Medienunternehmen als Auftraggebern zu befreien.

  13. #13 Marc
    3. Februar 2010

    Solo-Unternehmertum hat ja auch Vorteile wie die KSK. Für eine kleine Firma/Agentur/Redaktion muss man eine ziemliche Aktivierungsenergie (ist ja ein naturwissenschaftliches Blog, da muss der Begriff mal gehen ;-)) aufbringen, damit der Laden ins Laufen kommt. Wann spiele ich alleine so viel ein, dass ich einen zweiten einstellen muss und den bezahlen kann? Ich hätte dafür nicht die Mittel, weswegen ich so ein Projekt gar nicht weiter verfolgen könnte.

    Und schon braucht man einen Investor. Und ist dann halt – auch wenn man es anders nennt – deren Angestellter und Abhängiger.

  14. #14 Siegfried Wegener
    4. Februar 2010

    Ach herrje, jetzt soll ich als Journalist auch noch Unternehmer werden. Dabei habe ich mich doch damals für die journalistische Laufbahn entschieden, weil meine Stärken und Begabungen eben dort lagen – im Aufspüren von Themen und im Schreiben von gut recherchierten Geschichten. Damit war ich bisher leidlich erfolgreich. Dafür brauche ich aber eben auch Zeit und Muße, die ich nicht für permanente Eigen-PR, Anzeigenakquise oder das Entwickeln “neuer Geschäftsmodelle” aufwenden will. Und ich bin auch sehr froh, wenn das “unternehmerische Risiko” jemand anderes trägt, jemand, der damit klar kommt, der weiß, wie das geht, der der Typ dafür ist. Um nicht missverstanden zu werden: Ich hege keinerlei Ressentiments gegen Unternehmer, ohne Unternehmer wären wir alle arm, es gäbe weder Wohlstand noch Jobs, auch für uns Journalisten nicht. Ich bin nur einfach keiner, ich habe mich für meinen Beruf in dem vollen Bewusstsein entschieden, dass ich darin sehr viel weniger verdienen werde, als ein erfolgreicher Unternehmer (von den erfolglosen ist ja auffallend selten die Rede), und habe das gern in Kauf genommen, um das machen zu können, was meine Leidenschaft ist. Wäre ich ein “Unternehmertyp” und läge meine Stärke im “unternehmerischen Denken”, dann hätte ich gleich Unternehmer werden können, ohne den Umweg über den Journalismus zu nehmen. Nennt mich Dinosaurier, aber ich habe bisher immer angenommen, dass der Sinn und Zweck gesellschaftlicher Arbeitsteilung darin liegt, dass nicht jeder alles machen muss, sondern sich auf seine komparativen Vorteile konzentrieren kann, die bei mir eben im Handwerk des Schreibens liegen. Wenn ich letzteres nur noch ausüben kann, indem ich auch zum Businessgründer werde, dann wird das nichts, dann bleibt mein journalistisches Talent eben auch brach liegen, oder ich suche mir einen anderen Job und betreibe das Schreiben schweren Herzens nur noch als Hobby. Ein Start-up möchte ich jedenfalls nicht gründen, und mir würde auch keine Bank einen Kredit dafür geben, weil ich das hier nicht drauf habe (Zitat Jeff Jarvis): “Aber einer meiner Studenten hat eine findige iPhone Sport-Applikation entwickelt und die Jury befand, dass es das tatsächlich noch nicht gibt.” Mit “Journalismus”, wie wir ihn kennen, hat das jedenfalls nichts mehr zu tun.