Im Datenjournalismus heißt es – wie so oft im Journalismus –  auch mal schnell zu sein. Das wird man aber nur, wenn man seine Werkzeuge beherrscht, die man nur lernt, wenn man sie immer wieder benutzt. Also habe ich mir heute spontan eine kleine Aufgabe gestellt: Nimm die Zahl, die Du gerade so spannend fandest und versuche sie zu visualisieren.

Die Zahl, um die es geht, hörte ich zwischen 13:00 und 14:00 Uhr im WDR 5 Mittagsecho, der Nachrichtensendung von WDR und NDR. Dort gab es einen Bericht zu den Ergebnissen der Verhandlungen rund um Zypern, die heute nacht zum Abschluss kamen. In dem Bericht erklärte die Korrespondentin, dass es in Zypern 105 (oder 107, genau weiß ich es nicht mehr) Banken pro 100.000 Einwohner habe, die Schweiz habe etwa die Hälfte. Dies symbolisiere sehr schön das Geschäftsmodell des Landes, sich wirtschaftlich so auf den Bankensektor zu stützen.

Das fand ich eine interessante Zahl. Wo hat sie die wohl her? Die Zahl würde ich gerne mal als Grafik zeigen usw. (was einem so durch den Kopf geht, wenn man mal ein wenig datenjournalistische Luft geschnuppert hat.)

Zu dem Datensatz gelangte ich über eine Meldung auf manager-magazin-online:

IWF-VERGLEICH: Zypern hat die meisten Banken

Damit konnte ich eine Quelle identifizieren, am Ende landete ich dann auf der Seite des IWF (Internationaler Währungsfonds, der aber auf Englisch natürlich International Monetary Fund, also IMF, heißt). Dort musste ich ein wenig herumsuchen, orientierte mich dabei am Veröffentlichungsdatum der manager-magazin-Meldung (20.9.2012). Kurz zuvor hatte der IWF die neuesten Daten des Financial Access Surveys veröffentlicht, dessen Tool zur Darstellung der Daten sich hier findet. Zum Glück liefert der IWF auch gleich die Daten dazu als Excel-Datei. Diese also heruntergeladen, die entsprechenden Daten herausgesucht, und ein wenig bereinigt (für einige Länder fehlen Daten, die fliegen raus aus der Tabelle). Dann noch schnell nach Anzahl der Banken bzw. Bankfilialen (bank branches) sortiert und siehe da: Zypern hat die meisten Bankfilialen.

Und wie veröffentlicht man das nun: Man könnte zum Beispiel in Excel ein Diagramm erstellen, das als Bild abspeichern und dann hier im Blog einfügen. Eleganter und auch schnell geht es mit dem Datawrapper, der von einem Team um den Datenjournalisten Mirko Lorenz erstellt wurde. Damit lassen sich schnell, kleine elegante Diagramme darstellen, die man dann per iFrame-Code einbetten kann (siehe unten). Es gibt verschiedene Arten der Darstellung, man kann einen Titel eingeben, eine kurze Einleitung schreiben usw. usw.

Und wie lange hat es jetzt gedauert: 1,5 bis 2 Stunden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ich kein Wirtschaftsjournalist bin, mir also die Quellen nicht allzu vertraut sind, und ich auch den Datawrapper erste einmal versuchsweise benutzt habe.

Et Voilá.
(man kann übrigens das Diagramm scrollen, ich hätte mich auch auf die Top 10 o.ä. beschränken können, wollte aber sehen, was passiert, wenn man alle Länderdaten nutzt. Man kann im Datawrapper die Größe des Darstellungsraumes einfach per Pixel angeben.

Kommentare (6)

  1. #1 ali
    25. März 2013

    Tipp: Eine andere gute Adresse für solche Daten (ja, die Banzkzahl pro Kopf haben sie auch dort) aber auch zusätzlich weniger finnanzbezgoene Datensätze findet man bei der Weltbank (von Infrastruktur, Entwicklungshilfe, Bevölkerung, alles was das datenhungrige Herz begehrt).

  2. #2 Erbloggtes
    25. März 2013

    Die Demonstration, wie rasch Datenjournalismus gehen kann, finde ich super!

    In den benötigten 1,5 bis 2 Stunden darf man aber das Nachdenken über die Bedeutung der Daten nicht vernachlässigen. Denn Visualisierungen (insbesondere “objektiver” Daten) können viel leichter zur Manipulation und Propaganda benutzt werden als Qualitative Aussagen. In diesem Fall würde ich meinen, dass WDR5 (und in der Folge auch Du), einem Spin Doctor aufgesessen ist, der eine illustrative Zahl gesucht hat, um zu propagieren, dass Zypern “böse” ist.
    Denn die Anzahl der Bankfilialen pro 100.000 Einwohner erscheint mir wenig aussagekräftig zu sein über die Legitimität von Zyperns Bankensektor. Wenn ein Land wenige Bankfilialen hat, spricht das doch nicht für hohe Legitimität der dort umgesetzten oder angelegten Gelder. Die Anzahl der Bankfilialen spricht nichtmal dafür, dass Zypern attraktiv für “finstere” ausländische Anleger ist. Denn “finstere” ausländische Anleger wären mit wenigen gut erreichbaren Filialen ebenso gut bedient.
    Gerade dass Zypern so viel mehr Filialen als die Schweiz hat, sollte skeptisch machen.
    Diese Bewertung erscheint mir da deutlich aussagekräftiger: https://www.nakedcapitalism.com/2013/03/why-does-no-one-speak-of-americas-oligarchs.html Demnach ist die Geheimhaltung von Bankgeschäften in Zypern etwa so wie in Deutschland, USA und Belgien.
    Ich finde, dass man bei Datenjournalismus besonders vorsichtig sein muss: Wenn man eine solche Grafik erstellt, die etwas verdeutlichen soll, muss man konkret benennen, was damit “bewiesen” werden soll, und wie der Zusammenhang aussieht. Das Wort “symbolisch” ist hier sehr ehrlich, weil es eben eine Symbolgrafik ist, die nicht zur Aufklärung beiträgt. Es ist nur ein gefühlter Zusammenhang, der bloß das visualisiert, was uns in den Massenmedien ansonsten verbal vermittelt wird.

    Datenjournalismus kann aber mehr! Daher nochmals: Danke für die Erläuterung, wie schnell Datenjournalismus realisierbar ist, und den Verweis auf Datawrapper!

  3. #3 ratiogeraet
    26. März 2013

    Ein gutes Beispiel für schnelle Datenaufbereitung – und auch ein Lehrbeispiel dafür, wie leicht vermeintlich objektive Parameter in die Irre führen. Tatsächlich zeigt ein genauer Blick auf die Tabelle ja gerade, wie ungeeignet die Anzahl der Bankfilialen als Indikator für die Bedeutung des Bankwesens eines Staates ist.

    Die Aussage “Zypern: 105 Bankfilialen pro 100 000 Einwohner, in der Schweiz nur die Hälfte” klingt plakativ und soll offenbar die Grundthese des Beitrags unterstreichen: dass das Bank-/Finanzwesen einen ungesund hohen Anteil der Gesamtwirtschaft in Zypern innehabe.

    Schaut man sich aber die gesamte Tabelle an, so stellt man sofort fest, dass es zum Beispiel in Spanien 97 Filialen gibt, in Frankreich 42, in Deutschland gerade mal 16. Heisst das, dass in D der Bankensektor nur eine marginale Rolle spielt im Vergleich zu Frankreich oder gar Spanien? Wohl kaum. Hat Bulgarien (90) also ein ebenso banklastiges Geschäftsmodell wie das dafür bekannte Luxembourg (89)? Die Mongolei (54) ebenso sehr wie die Schweiz (52)?

    Hier hat der komplette Datensatz in dieser schönen Visualisierung aufgedeckt, was dem unbedarften Beitragshörer entgangen sein dürfte: Dass das gewählte Beispiel zur Veranschaulichung der zugrundeliegenden These überhaupt nicht adäquat ist. Ob die Prämisse (zu banklastiges Geschäftsmodell) stimmt oder nicht, bleibt davon natürlich unberührt.

  4. […] einzubetten), bietet sich ein Tool wie Datawrapper an. Ich habe es in einem schnellen Einsatz bei mir im Blog plazebalarm.de eingesetzt. Das Tool bietet einige Einstellmöglichkeiten ist einfach zu bedienen und am Ende […]

  5. #5 Marcus Anhäuser
    28. März 2013

    @erbloggtes und ratiogeraet
    gute Einwände, aber es ist wie gesagt nur ein Symbol, dass ich in den letzten Tagen in Reportagen immer wieder gehört habe, wie viele Filialen es überall gibt … über kausale Zusammenhänge würde ich mit der Anzahl der Filialen nicht sprechen. Dazu bräuchte es andere/weitere Zahlen ..

    Übrigens noch eindrücklicher wäre es gewesen, wenn ich die Zahlen der Weltbank genommen hätte, danach hat Zypern sogar 150 Bankfilialen pro 100.000 Einwohner. Der Zweite nur 97. Was natürlich auch wieder das Problem der Datenerhebung usw. aufwirft und welche Daten verlässlich sind.

    Ihr sagts ja auch: Es ging erstmal mehr darum zu zeigen, wie schnell man sowas zustande bringen könnte, wenn man müsste. Ansonsten gilt natürlich: Datenjournalismus kann viel mehr, wie erbloggtes schon schreibt. Aber für viele Journalisten ist das hier schon eine Menge, weil sie sich gar nicht an Rohdaten wagen.

  6. #6 stefanolix
    5. April 2013

    Die entscheidende Frage ist doch: Wie ist eine Bankfiliale definiert? In jeder deutschen Großstadt gibt es schon sehr unterschiedliche Beispiele (Filialen nur mit Automaten, Filialen mit eingeschränktem oder vollem Funktionsumfang, in ein Postamt eingebettete Filialen etc.). Vermutlich ist man in anderen Ländern noch wesentlich kreativer.