Sind Wissenschaftler auch nicht anders als Politiker? Haben Sie negative Presse, fordern sie gleich die Einschränkung der Berichterstattung. So zumindest in einem aktuellen Fall eines prominenten Stammzellforschers. In dem Punkt aber sind wir empfindlich.

mhm, Stammzellforscher Schöler fordert (oder schlägt er vor?), dass Wissenschaftsjournalisten von bestimmten Konferenzen nicht mehr berichten dürfen. Sie sollen sie besuchen dürfen, aber nur, wenn sie eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben.

Der Hintergrund: Ein Streit zwischen Stammzellforschern und Aussagen am Rande einer Konferenz, wie Markus Becker und Jens Lubbadeh gestern in SpOn berichten, (in dem Zusammenhang auch Christina Berndt in der SZ und als Ausgangspunkt der Beitrag in der FAZ von Joachim Müller-Jung.

Lassen wir die wissenschaftlichen Details mal beiseite.

Der Vorgang kommt uns irgendwie bekannt vor: Kaum gerät ein Wissenschaftler mal in eine unangenehme Situation aufgrund der Aussagen, die er gemacht haben soll, schon fordert er eine Einschränkung der Berichterstattung.

(Wir wollen erstmal nicht gleich die große Keule Pressefreiheit herausholen).

Das erinnert nur allzu leicht an Debatten, die man sonst von beleidigten Politikern oder Prominenten kennt.

Die Ironie dabei: Gerade die Gruppe der Stammzellforscher hat sich bisher nur all zu gerne der Journalisten bedient, um über ihre neuesten Forschungsergebnisse mit künftigen großen Heilsversprechen zu werben. Hans Schöler war aber bisher immer als solcher aufgefallen, der sich dabei nicht zu weit aus dem Fenster hängt und bei schneller Erfolgen immer darauf hinwies, dass es sich immer nur um Schritte auf einem langen Weg handelt.

Allerdings weiß auch Hans Schöler Medien zu nutzen und kennt die Mechanismen. Zuletzt etwa als japanische und amerikanische Wissenschaftler zeitgleich in “Cell” und “Science” über eine bahnbrechende Methode der Zunft berichteten, wie man pluripotente Stammzellen erhält ohne auf ethische bedenkliche Embryonale Stammzellen zurück greifen zu müssen. Schöler wusste, dass es ein großes Medienaufkommen geben wird und hatte bereits eine ausführliche Presseerklärung vorbereitet. Es war sicher kein Zufall, dass er darin darauf hinwies, wie wichtig auch die Forschung an embryonalen Stammzellen ist. In Berlin stand der Entscheid zur Verlängerung der Stichtagsregelung an.

Es hat einen unangenehmen Beigeschmack, wenn ein Forscher wie Schöler die Berichterstattung durch Verschwiegenheitserklärungen einschränken und lenken will.

Wie schreiben Becker und Lubbadeh zurecht:

Im Endeffekt käme die Einführung einer solchen Erklärung freilich einem Verbot der unabhängigen Berichterstattung gleich. Denn Journalisten, die ihre Unterschrift verweigern, dürften kaum noch zu solchen Tagungen zugelassen werden.

Der Hinweis von Wissenschaftlerseite, Fachmagazine würden Ergebnisse nicht mehr publizieren, wenn sie bereits an anderer Stelle veröffentlicht wurden, ist ein bekanntes Problem. Nur: Dass Ergebnisse nicht veröffentlicht wurden, weil es bereits Medienberichte über die Ergebnisse gibt, basierend auf einem Tagungsbeitrag erscheint uns eigenartig. Veröffentlicht wurde er ja dann auf der Tagung und nicht in den Medien. Vielleicht müssen auch die Fachmagazine da mal etwas überdenken.

Übrigens: Es gibt ein paar Möglichkeiten zu verhindern, dass ein Journalist nicht berichtet.

1. Man kann ihn freundlich darauf hinweisen, dass dies nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Es gibt dafür sogar eine eigene Sprachregelung (unter eins, unter zwei oder unter drei) Politiker kennen diese Sprachregelung bereits.

2. Die Presseabteilung sollte sich die Presseerklärung mit der Ankündigung sparen.

Dass es in Amerika Tagungen mit Verzichtserklärung von Seiten der Journalisten gebe, ist wie so oft ein schwaches Argument, wie wir finden. Es gibt in Amerika eine Menge Dinge, die wir nicht für nachahmenswert halten.

Und: Wer würde darüber entscheiden, ob berichtet werden darf oder nicht? Welche Interessen spielen eine Rolle? (Stichwort Firmen)

Um es mal groß und fett auf den Punkt zu bringen: Es gibt nicht nur ein bisschen Pressefreiheit (da ist die Keule).

Zugleich ist natürlich klar, dass auch wir Journalisten gefragt sind. Fingerspitzengefühl ist manchmal Glückssache. Wir berichten aber nicht nur über die neuesten Forschungserfolge (oder gar die vermeintlichen), sondern auch über den Streit in der Gemeinde, und dass ist vielleicht etwas, an das sich Wissenschaftler noch gewöhnen müssen.