Warum auch immer: Nach wie vor verkaufen Getränkehersteller mit Sauerstoff angereichertes Wasser und suggerieren erhöhte geistige und körperliche Fitness. Doch es gilt, was wir und andere seit Jahren erklären: Humbug.

Programmhinweis: Im Sommerloch werden ja gerne Serien und alte Filme wiederholt. Machen wir jetzt auch mal wieder. Auch angesichts der momentan erschwerten Arbeitsbedingungen. Thema heute: Sauerstoffwasser. Als wir den Artikel vor über zwei Jahren erstmals veröffentlichten, warb die Firma Adelholzner noch mit einem Bob im Eiskanal. Wintersport ist derzeit immer noch angesagt, nur jetzt sind es Sportarten, die wahrscheinlich mehr Menschen betreiben.

Hier also der leicht angepasste und veränderte Artikel zum Thema Sauerstoffwasser. Das Original findet sich hier:

Während in Deutschland die Menschen endlich auf einen richtigen Sommer hoffen, rasen im Adelholzner Active O2 TV-Spot sportliche Menschen mit Ski und Snowboard durch verschneite Landschaften, um für den “Powerstoff mit Sauerstoff” zu werben: Wasser, das mit der 15-fachen Menge an “natürlichem Sauerstoff” gegenüber normalem Mineralwasser angereichert ist.

Die Idee dahinter, so der Werbetext auf der Adelholzner-Seite:

“Mit Sauerstoffwasser wird gezielt das sauerstoffarme, venöse Blut angereichert. Der aus dem Wasser gelöste Sauerstoff dringt durch die Magenwand in die Blutgefäße des Bauchraums, welche die inneren Organe der Bauchhöhle, insbesondere die Leber, mit der Extraportion Sauerstoff versorgt. …

Damit ist Sauerstoff maßgeblich für unsere geistige und körperliche Leistungsfähigkeit verantwortlich.”

Gähn.

Wenn wir also mal wieder ermattet und übermüded (Sauerstoff-Mangel!) am Schreibtisch sitzen, hilft uns Sauerstoffwasser die Reserven auszugleichen.

“Mit extra Sauerstoff tun Sie sich und Ihrem Körper etwas Gutes.”

Nochmal Gähn.

Wir hatten bereits vor rund sieben Jahren das Thema recherchiert, damals zum Sauerstoffwasser Oxivit.

Sauerstoff aus dem Wasser (über den Magen) aufzunehmen, veranlasste damals einen der Experten zu dem Spruch: “Wir sind doch keine Fische.”

Und selbst wenn das klappen sollte, gilt nach wie vor folgende Aussage: “Die Konzentration des gelösten Sauerstoffs ist einfach zu niedrig, um physiologisch relevant zu sein.” Denn: Schon bei einem einfachen Spaziergang durchströmt stündlich tausendmal mehr Sauerstoff den Körper als er durch die empfohlene Tagesmenge an Sauerstoffwasser über den Magen aufnehmen würde.

Oder andersherum (wie in einem Bericht der Lebensmittelüberwachung Baden-Württemberg sehr schön beschrieben):

“Zur Aufnahme der gleichen Sauerstoffmenge, die innerhalb einer Stunde eingeatmet wird, müssten z.B. mehr als 400 Liter “Sauerstoffwasser” mit einem theoretischen Gehalt von 150 mg/l getrunken werden.” (Anmerkung von uns: keines der Wässer auf dem Markt hat mehr als 60 mg/l, das macht dann umgerechnet sogar rund 1000 Liter oder 120 Kästen á zwölf 0,7 Liter Falschen.).

Das arznei-telegramm erklärte 2004 nochmal schön in einem Satz, warum das alles nicht funktionieren kann:

“Dass Sauerstoff aus angereichertem Wasser keine Leistungssteigerung bewirkt, überrascht nicht: Blut wird in der Lunge durch eingeatmeten Sauerstoff – immerhin circa 100 ml O2 je Atemzug – nahezu vollständig gesättigt.”

Also, stimmt mit uns ein in den großen Chor, der zum Thema Sauerstoffwasser als Leistungssteigerer Firmen wie Adelholzner und Co. schallend entgegen ruft:

!PLAZEBOALARM!

Kommentare (10)

  1. #1 Falk Hedemann
    21. Juli 2008

    Vielleicht sollte man als mündiger und wissender Verbraucher mal in die Offensive gehen und die Anbieter von Sauerstoffwasser verklagen! Denn um eine relevante Menge Sauerstoff über diese Wässerchen aufzunehmen, bedarf es eine so enorme Menge Wasser, dass jemand bei dem Versuch diese Mengen zu sich zu nehmen, durchaus den Tod finden könnte.

  2. #2 buchstaeblich
    21. Juli 2008

    Meine Empfehlung bei Sauerstoffmangel lautet immer noch: Einfach mal kräftig einatmen!

    Falk Hedemann,
    wir sind nicht in den USA: Hierzulande wird hoffentlich kein Depp so deppert sein, 1000 Liter Wasser auf einmal zu trinken, um einen Spaziergang zu ersetzen.

  3. #3 Falk Hedemann
    21. Juli 2008

    @ buchstaeblich
    mir geht es nicht um vermeintlich depperte Verbraucher, sondern viel mehr um die Vertreter der Nahrungsmittelindustrie, die mit pseudowissenschaftlichen Argumenten versuchen, arglose Verbraucher hinters Licht zu führen! Was sie leider häufiger schaffen, als man denkt und damit noch viel Geld verdienen!

  4. #4 L. Carone
    21. Juli 2008

    Eigentlich gibt es sogar seit Juli letzten Jahres eine EU-Richtlinie dagegen, die vorschreibt, dass die Aussagen der Firmen sachlich richtig und wissenschaftlich korrekt sein sollten. Das hier ist ein Verstoß dagegen. Hmm, das müsste doch irgendwie durchzusetzen sein. So doof finde ich die Idee mit der Klage gar nicht.

  5. #5 knorke
    21. Juli 2008

    “!PLAZEBOALARM!”
    Der Ruf hat mir echt gefehlt. Schön, dass er mal wieder durch die science blogs schallt.

    Es ist schon unglaublich, was die Getränkehersteller alles verkaufen:
    – Wasser mit Sauerstoff für mehr geistige Agilität
    – Wasser mit Süßstoff für mehr körperliche Agilität
    – Wasser mit Zucker, damit’e nicht wie Wasser schmeckt
    – den Verbaucher für dumm, und das meist zum kleinen Preis
    – und wahrscheinlich auch ihre eigene Seele, weil sie diesen Unsinn behaupten müssen, damit die Leute nicht bei der Konkurrenz trinken

    @buchstaeblich: Auch in den USA ist kein Depp so deppert. Die haben dort nämlich Diätcola ;-)

  6. #6 Ulrich Berger
    21. Juli 2008

    > Sauerstoff aus dem Wasser (über den Magen) aufzunehmen, veranlasste
    > damals einen der Experten zu dem Spruch: “Wir sind doch keine Fische.”

    Ich habe einen Experten in Erinnerung, der einem Sauerstoffwasserfan empfahl: “Wenn Sie Ihr Blut mit Sauerstoff anreichern wollen, probieren Sie’s mal mit Atmen.”

    Aber zu verklagen gibt’s da nichts. Die Vermarkter sind nicht dumm und haben die Werbeaussagen inhaltlich korrekt gehalten. Natürlich SUGGERIEREN sie, dass der Extra-Sauerstoff positive gesundheitliche Auswirkungen hat. Aber das steht nur zwischen den Zeilen und ist m.W. nicht klagbar. Ist ja nur die fälschliche Interpretation des Kunden…

  7. #7 fs
    22. Juli 2008

    Abseits des wissenschaftlichen Problems der Argumentation der Sauerstoffwasserverkäufer, mag manch einer es geschmacklich angenehm finden, das prickelnde Gefühl ohne den säuerlichen Geschmack der Kohlensäure zu haben… ob das den Preis rechtfertigt ist nochmals eine ganz andere (Geschmacks-)frage. Nur so am Rande…

  8. #8 Marc
    22. Juli 2008

    Wenigstens ist es für einen guten Zweck:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Adelholzener

  9. #9 roland
    23. Juli 2008

    Versteh ich das jetzt richtig, Menschen sind gar keine Darmatmer?

  10. #10 Marc
    15. Oktober 2008

    Hmmm….komisch. Das mit dem Ausatmen durch den Darm hat bis jetzt eigentlich immer ganz gut geklappt. Wusste aber gar nicht, dass Sauerstoff auch richtig stinken kann…