Hier mal zwei Beispiele, die sehr schön zeigen, wie sehr die Kosmetikbranche daran interessiert ist, als medizinisch-wissenschaftliche Branche zu gelten. Der Punkt ist: beide suggerieren, die Forschung und ihre Produkte hätten Zugriff auf DNA bzw. Stammzellen.

Wenn dies tatsächlich so wäre, und man das zu Ende denkt, müsste man dann nicht konsequenterweise fragen: “Sagen Sie mal, wenn Sie mit ihren Cremes und anderen Mittelchen DNA und Stammzellen beeinflussen können, wie verhindern Sie eigentlich, dass das nicht aus dem Ruder läuft? Stammzellen zum Wachstum anzuregen, kann das nicht auch zu übermäßigem Wachstum führen, ich will gar nicht das Wort Tumor verwenden? Und die DNA anzuregen/zu verändern oder was auch immer Sie damit machen. Können Sie ausschließen, dass da nichts schief geht, nichts kaputt geht, mutiert (da wir schon von DNA sprechen), wenn ihr Produkt so tiefgreifend ist?”

Denn wie wir aus der Medizin wissen: Es gibt keine Wirkung ohne Nebenwirkung.

So was müsste man eigentlich mal fragen, oder?

Hier also die Beispiele. Zum einen eine einseitige Werbung für die Forschung von Estée Lauder. Zum anderen ein “Interview” mit der Lancome Forschungschefin. Beide Ausschnitte stammen aus dem Vogue-Jubiläumsheft, Ausgabe Karl Lagerfeld.

Lauder DNA.jpg

Der Preis für die folgende Creme ist bei der ganzen Forschung natürlich mehr als angemessen, finde ich. Übrigens in der Medline habe ich zwei Forschungsartikel von Lancome gefunden und 38 Artikel von Estee Lauder.

Lancome Stammzellen 1.jpg

Nachtrag: Nicht, dass wir uns falsch verstehen. In der Kosmetik-Branche gibt es sicher gute Forschung. Ob diese aber tatsächlich zu den Ergebnissen führt, die das Marketing suggeriert, da bin ich skeptisch (Berufskrankheit).

Nachtrag 2: Liebe Vogue-Redaktion, ich möchte ihnen zu Ihrem Jubiläum gratulieren. Ich verstehe natürlich, dass man das gebührend feiert und drei Versionen einer Ausgabe herausbringt (Weber, Lagerfeld, Lindbergh). Und natürlich müssen die Hefte dann besonders fett werden, in jeder Hinsicht. 730 Seiten ist kein Pappenstiel. Nur eines müssen Sie mir erklären. Warum beginnt ein Interview mit Karl Lagerfeld auf Seite 584, unterbricht dort und geht erst auf Seite 704 weiter?

Kommentare (6)

  1. #1 rolak
    2. Oktober 2009

    Mit diesen markigen Marketingversprechen stehe ich auch auf Kriegsfuß. Vor kurzem kam mir =»dieses unter:

    Hautpflege an der Grenze zur Medizin

    Ein Klassiker :-) klingt ungemein wissenschaftlich – falls man aber die Dreistigkeit hat, es in Alltagsbegriffe zu übersetzen, fällt der Groschen auch bei den zuerst Beeindruckten (Hautpflege=Deutschland, Medizin=Belgien): “Ich lebe in Deutschland an der Grenze zu Belgien”. Was ist bei mir belgisch? Nichts. Was ist also bei der besagten Kosmetik medizinisch? nada.

    /Nachtrag 2/ Wo ist die Problematik? Wie ich jenes Blatt kenne, waren dies zwei Positionen im Gesamtlayout, die nicht an Anzeigenkunden verhökert werden konnten und daher irgendwie gefüllt werden mußten… Generell konnte ich seit nunmehr 40 Jahren im Gesamtspektrum der Journaille noch keine übermäßige Korrelation zwischen Erwähnung auf dem Titel und relativer Länge des Artikels feststellen, so daß nach hoffnungsfrohem Blättern des öfteren nur ein schaler Geschmack übrig bleibt.

  2. #2 Marcus Anhäuser
    2. Oktober 2009

    “und daher irgendwie gefüllt werden mußten”

    irgendwie ist beim Lagerfeld-Interview im von Lagerfeld “betreuten” Heft wahrscheinlich nicht ganz treffend. ich habe eher das Gefühl, weil es die Jubiläumsausgabe ist gab es so viele Anzeigenkunden, dass die einfach alles dazwischen gepackt haben, wo sonst nur zwei Seiten dazwischen passen ;-)

  3. #3 Kuri
    5. Oktober 2009

    Klasse sind auch Shampoos mit Vitaminen.
    Wie stellen die sich das vor? Das die toten Haare die Vitamine vom Shampoo aufnehmen und dort noch komplizierte chemische Abläufe stattfinden?

  4. #4 sil
    5. Oktober 2009

    Ich verstehe übrigens nicht, wie man den Spagat zwischen “zurück zur Natur” und “neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus USA zeigen” in der Kosmetik und bei Wundermitteln immer wieder hinbekommt.
    Einerseits kann es nicht traditionell genug sein und bei anderen Produkten wird plötzlich Hightech und Biochemie vorgegaukelt. Beide Schienen funktionieren anscheinend gut.

  5. #5 GeMa
    5. Oktober 2009

    Ist doch ganz simpel – es geht um Hoffnungen und Wünsche, um die 7 Zeichen der Hautalterung *gg*. Da bekommst Du _jede_ Jungfrauengeburt beim Konsumenten vollkommen reibungsfrei durchargumentiert.

    Wenn es doch der Extrakt eines _besonders_ lagerfähigen Apfels ist. Kwasi LagerungsapfelDNA – das muß ja einfach die Haut von Frau Regierungsdirektorgattin a.D. frisch und lange lagerfähig halten.
    Und weil mal jedes Kind weiß, dass Kakteen in der Wüste herumstehend Wasser speichern, sind 4 Tropfen Kakteenextrakt in 50 g Fett-Wasseremulsion eben zum Wasserspeichern in der menschlichen Haut genau das Richtige. (Clarins?) Ist doch alles ganz logisch, oder? Man muß einfach nur dran glauben und weiterhoffen ;-)

  6. #6 Philippe Leick
    12. Oktober 2009

    Gegen Veröffentlichungen aus den Häusern Estée Lauder oder Lancôme ist erstmal nichts einzuwenden. Dass diese Firmen, wie viele andere Unternehemen auch, ausgesuchte Aspekte ihrer Forschungen in der Fachliteratur veröffentlichen, ist normal. Ihre Beiträge sollten aber natürlich genau so mittels peer review begutachtet werden wie alle anderen auch.

    Da es sich bei Kosmetik nicht um mein Fachgebiet handelt, kann ich den Wert dieser Veröffentlichungen oder den Ruf der Zeitschriften, in denen sie erschienen sind, beim besten Willen nicht beurteilen. Auffällig an den Titeln ist aber, dass vieles davon nach Grundlagenforschung klingt (in Vitro Experimente, Ermittlung des “Hautalters” anhand Computer-Auswertung von Photos,…) und nicht nach klinischen Studien über die Wirksamkeit von Hautcremes.

    Das Ganze erinnert aber natürlich an die Eigenwerbung der “forschenden Pharmaindustrie”. Über den Wert von Beiträgen wie “Psychological and physiological evaluation of emotional effects of a perfume in menopausal women” kann man natürlich geteilter Meinung sein. Aber wer will den Forschern (A. Abriat et al.) schon widersprechen, wenn sie ihre Arbeit mit dieser Aussage zusammenfassen:
    “These results suggest that the pleasant smell of a skin care product contributes to the quality of life in a population of menopausal women with low easiness to experience pleasure.”