Marokko will künftig mehr Strom in Wüstengegenden erzeugen. Das meldet zumindest Wissenschaft-aktuell.de am 07. November. Hintergrund der Ankündigung ist der dort stattfindende Klimagipfel und die damit verbundene Chance für den Gastgeber, sich besonders hervorzutun. Wer soll’s ihm verdenken: Klappern gehört zum Handwerk.

Was zunächst mal klingt wie eine Wiederbelebung von DESERTEC hat bei näherer Betrachtung nicht viel mit der etwas überambitionierten Idee zu tun, einen Gutteil der Wüstenfläche mit Solarkraftwerken zu bedecken. Das Grundprinzip, solare Strahlungsenergie in elektrische Energie umzuwandeln ist zwar dasselbe, aber der Umfang ist wesentlich kleiner und der Zweck vorwiegend die Selbstversorgung.

Interessanterweise scheint sich in Marokko gerade einiges zu tun. Seit Mai 2013 ist hier das Solarkraftwerk Ouarzazate im Bau, das im Endausbau aus vier Anlagen Noor(arabisch:”Licht”) I bis Noor IV bestehen soll:

Das Parabolrinnenkraftwerk Noor I mit einer installierten Leistung von 160 MW ging im Februar 2016 in Betrieb. Damit wurde der erste Meilenstein erreicht.

Noor II, ebenfalls ein Parabolrinnenkraftwerk, mit 150 bis 200 MW installierter Leistung soll in 2017 in Betrieb gehen.

Noor III ebenfalls 150 bis 200 MW folgt dem Konzept des Solarturmkraftwerks. Der 240 m hohe Turm wird bei Fertigstellung Anfang 2017 das höchste Gebäude Afrikas sein.

Noor IV soll eine große Photovoltaik-Anlage mit ca. 60 MW Leistung werden. Der erste Spatenstich steht allerdings noch aus.

Im Endausbau soll die installierte Leistung des Kraftwerks bei etwa 580 MW liegen. Wie alle modernen Kraftwerke dieser Art wird die thermische Energie des Sonnenlichtes nicht direkt dazu verwendet, Wasser zu erhitzen, sondern eine eutektische Salzschmelze aus Natrium- und Kaliumnitrat im Verhältnis 60/40, die die Wärme auch lange nach Dunkelheit speichern soll – bei Noor I erreicht man 3 Stunden, Noor II und III sind auf 3 bis 7 Stunden ausgelegt. Ein Eutektikum ist, sehr vereinfacht ausgedrückt und auf die Gefahr, dass die Chemiker jetzt über mich herfallen, eine Gemisch von Feststoffen in einem ganz bestimmten Verhältnis, dessen Schmelzpunkt niedriger ist als die Schmelzpunkte der Einzelstoffe. Solche Salzschmelzen sind in der Regel chemisch stabil bei hohen Temperaturen und haben eine relativ hohe spezifische Wärmekapazität. Damit eignen sie sich gut als Wärmespeicher. In der chemischen Industrie hat man hin und wieder Salzbadreaktoren zur Kühlung von Prozessen. Das Salz wiederum wird dann mit Wasser gekühlt.
Allerdings sind Salzschmelzen nicht einfach zu handhaben. Pumpen müssen darauf ausgelegt, beim Schweißen besonders auf Vermeidung von zukünftiger Messerlinienkorrosion geachtet werden. Bei Kraftwerken wie Ouarzazate bedient man sich deswegen großer, stationärer Wärmespeicher mit einem angeschlossenen Wasser-/Dampfkreis zur Versorgung der Turbinenanlage und einem von einem von den Parabolrinnen kommenden, einen organischen Wärmeträger führenden Kreis zur Erhitzung der Schmelze.

Man rechnet aufgrund der günstigen Sonneneinstrahlung mit ca. 2.200 Vollaststunden pro Jahr. Das entspräche einem jährlichen Ertrag von 1.270 GWh bei einem Capacity Factor von 25 %. Interessant ist die Verwendung diversitärer Technologie für die Stromerzeugung und Kühlung der Turbinenanlage: Während Noor I konventionell mit Wasser gekühlt wird, soll bei Noor II und Noor III eine trockene Kühltechnik zum Einsatz kommen. Technische Details habe ich dazu aber leider bisher nicht gefunden.

Völlig Klimaneutral und Energieautark wird die Anlage nicht – man rechnet mit einem jährlichen Bedarf von 19 Tonnen Diesel für verschiedene Hilfsmaschinen, vor allem die Zusatzheizung des Salzes. Falls das stimmt und das Kraftwerk jedes Jahr den oben genannten Ertrag liefert entspricht das ca. 67 Gwh pro Tonne Diesel oder 67 kWh pro Gramm.

Die tatsächlichen Projektkosten auszumachen gestaltet sich für mich bisher schwierig. Die englische Wikipedia folgt größtenteils einem Artikel aus dem Guardian, in dem Gesamtkosten von 9 Mrd. US$ genannt werden. Das entspräche spezifischen Installationskosten von rund 15.000 €/kW und erscheint im Vergleich zu anderen Anlagen[1] viel zu hoch. Nicht mal Hinkley Point C wird so viel kosten (hoffentlich). Außerdem finde ich in dem Artikel keine Quelle (mag ich überlesen haben – ich bin für Hinweise dankbar).

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Kommentare (7)

  1. #1 Lercherl
    16. Dezember 2016

    sondern eine eutektische Mischung aus Kalium- und Natriumsalz

    Was ist mit Salz gemeint? Chlorid? Das KCl-NaCl-Eutektikum hat einen Schmelzpunkt von 650 °C oder so, das scheint mir hier zu hoch. Nitrat schmilzt wesentlich früher.

  2. #2 Stephanie
    Hamburg
    16. Dezember 2016

    Das klingt nach einem guten Projekt. Nach dem was ich da lesen, erscheint das ganze recht realistisch. Mal eine Frage: Ist das Skalierbar ? Also ich meine wenn sich jetzt Ende 2017 herausstellt das Noor I und Noor II wie erwartet funktionieren, kann man dann nicht ein paar weitere Kraftwerke daneben aufstellen?
    Laut den Bildern in Wikipedia sieht es in der Umgebung recht gleichmäßig aus, so dass ich annehme, dass sich dort weitere Plätz finden lassen sollten. Außerdem könnten die gleichen Infrastrukturen für Unterhalt und Stromableitung benutzt werden. Aber bestimmt habe ich wichtige limitierende Faktoren übersehen, vom Geld einmal abgesehen.

  3. #3 Dwon
    16. Dezember 2016

    Knoff-Hoff ist eine Sendung. Wenn man Know-how übersetzen will, dann mit “praktische Erfahrung” oder einem der vielen anderen Wörtern aus dem (online) Wörterbuch.

  4. #4 tomtoo
    16. Dezember 2016

    Was ich nicht ganz verstehe, warum an 4 Anlagen 3 Konzepte ?

  5. #5 Oliver Gabath
    16. Dezember 2016

    @#1 (Lecherl)

    Ja, es handelt sich um eine eutektische Mischung aus Natrium- und Kaliumnitrat im Verhältnis 60/40 – ich hab diesen Punkt noch etwas ausgeführt.

    @#2

    Skalierbarkeit ist eine echt interessante Frage. In dem Sinne, dass man immer mehr einzelne Anlagen nebeneinander stellen kann vermutlich, aber ob die man die Anlagen selbst in den Bereich bringen kann, den fossil befeuerte thermische Kraftwerke abdecken, bleibt abzuwarten.

    @#4 (tomtoo)

    Gute Frage. Ich hab bisher die Projektberichte, Prospekte, etc. nur überflogen, um einige Zahlen nachzuschlagen – vielleicht finde ich ja was dazu, wenn ich wirklich zum Lesen komme.

  6. #6 anderer Michael
    17. Dezember 2016

    Warum erzeugt man nicht einfach Wasserstoff, einfacherer zu transportieren und zu speichern?Anstatt dieser Salzschmelze.

  7. #7 Oliver Gabath
    18. Dezember 2016

    Wasserstoff aus Wasser kann man prinzipiell auf zwei Arten gewinnen: Durch Pyrolyse oder Elektrolyse.

    Für direkte Pyrolyse von Wasser sind die erreichbaren Temperaturen in den Parabolrinnen zu niedrig. Bei den Solarturmkraftwerken mit ihren höheren Temperaturen im Brennpunkt ist es zwar prinzipiell möglich, allerdings ist man bisher bestenfalls im Experimentierstadium.

    Für die Wasserelektrolye müsste man aus der Wärme erst elektrische Energie machen und dann mit dieser das Wasser spalten. Dabei gehen immer noch ca. 20 % durch Abwärme verloren. Den Wasserstoff müsste man dann verflüssigen oder in Drucktanks lagern. Die Kosten und Verluste eines großen Wärmespeichers scheinen nicht so groß zu sein.

    Das bringt mich aber auf die Frage, warum keine mineralischen Wärmespeicher, wie in Winderhitzern benutzt. Die spezifische Wärmekapazität des verwendeten Magnesitsteins liegt mit ca. 1,1 kJ/kgK zwar ca. 30 % unter derer des Natriumnitrat/Kaliumnitrat-Eutektikums, seine Dichte ist mit 3,1 kg/m³ aber auch fast anderthalb mal so groß, d.h. das Speichermedium würde ein kleineres Volumen einnehmen. Außerdem ist magnesit deutlich temperaturstabiler und mich wundert, dass man aus 150 Jahren Stahlerzeugung nicht genügend Erfahrungen mit diesem Material gemacht haben soll.

    Allerdings wissen das die Experten ja auch – es muss gute Gründe gegen Magnesitspeicher geben. Mal sehen, ob ich dazu was finde.