Er hat es nicht getan

Tesla hat den Wechselstrom nicht erfunden. Er war auch weder der Erste, noch der Einzige, der damit experimentierte und bei weitem nicht der Erfolgreichste. Oft kolportiert wird die Geschichte, dass ihm Idee für die Drehfeldmaschine 1882 im Rahmen einer Epiphanie während eines Schwächeanfalls im Park zuflog. Er soll dann eine Skizze des bürstenlosen Motors mit dem Stock in den Sand gezeichnet und später des Jahres vor Wissenschaftlern und Technikern ein Demonstrationsmodell vorgeführt haben. Das Modell ist nicht erhalten. Ebenso berichten in zeitgenössischen Dokumenten weder die bei dieser Demonstration als Zeugen geladenen Honoratioren, noch Tesla selbst(!) von diesem Ereignis. Die erste Erwähnung, die sich mit Dokumenten belegen lässt, stammt aus seiner eigenen Autobiographie.

Seinen Elektromotor meldete er zum Patent an, kurz bevor Galileo Ferraris einen sehr ähnlichen Motor in einer Fachzeitschrift beschrieben hatte. Interessantes Detail: Ferraris baute ein funktionierendes Demonstrationsmodell schon 1885 und verbesserte Versionen in den Jahren danach. Sie haben die Jahrzehnte überdauert und können im Ferrarismuseum in Livorno Ferraris, nahe seiner Wirkungsstätte Turin, betrachtet werden. Drei Jahre vor Tesla konnte er eine umlaufende elektrische Maschine für zweiphasigen Wechselstrom vorstellen – von primitiver Art, aber immerhin.

Es ist durchaus plausibel, dass beide Erfinder fast zeitgleich und unabhängig voneinander sehr ähnliche Ideen hatten, das kam in dieser Zeit auf diesem Gebiet einige Male vor. Aber Tesla konnte erst um 1888, als nicht nur Ferraris, sondern sogar Dolivo-Dobrowolskis weit überlegener Motor schon lief, einen Prototypen seines Motors vorführen.

George Westinghouse versprach sich zunächst sehr viel von Tesla, kaufte die Patentechte an seinem Motor, stellte ihn 1889 für ein hohes Jahresgehalt als Berater ein und hoffte wohl, durch ihn einen Vorsprung im harten Wettbewerb zu gewinnen. Der vielbeschworene Stromkrieg (vor allem einen Phänomen an der Ostküste der USA) wirkt zwar aus heutiger Sicht alles entscheidend, war damals aber nur eine besonders intensive Phase in einem lange dauernden Kampf. Tesla schaffte es innerhalb eines Jahres nicht, ein marktfähiges Produkt für Westinghouses Firma zu entwickeln. Westinghouse trennte sich schon 1889 wieder von ihm. Die Firma stieg erst 1892 voll in das Geschäft mit Elektromotoren ein, aber die waren Konstruktionen anderer Erfinder. In diesem Zusammenhang gibt es die berühmte Anekdote 1 $ für jede Pferdestärke. Sie besagt, dass Westinghouse Tesla Tantiemen in Höhe von 1 $ für jede Pferdestärke aller Motoren bezahlen wollte, die nach seinen Patenten gebaut wurden. Manchmal ist auch von anderen Summen die Rede. Ähnlich wie die meisten Anekdoten dieser Art sind die frühesten Quellen Teslas erste Biographie aus dem Jahre 1944 und seine eigene Autobiographie.

Tesla hatte einen gewissen Anteil am Stromkrieg: Weil er von Edison zu Westinghouse gewechselt war, spielte er eine Rolle bei den gerichtlichen Auseinandersetzungen der beiden Erfinder. Tesla machte Vorführungen über die Wirkungen hochfrquenten Wechselstroms, über die auch Zeitungen berichteten und im Gegensatz zu Harold Brown hat er dabei keine Tiere getötet. Was genau bei Teslas Vorführungen ablief, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Aus hundert Jahren Elektrotechnik weiss man aber heute sehr gut, welche Wirkungen elektrische Ströme fast beliebiger Form, Frequenz, und Stärke haben, was damit geht und was eben nicht geht. Es mag an dieser Stelle etwas billig zu sein, einfach zu behaupten, dass die spektakulären Berichte vor allem dem allzumenschlichen Hang zur Übertreibungung, der Unkenntnis des Publikums, des guten Verständnisses Teslas für Hochfrequenztechnik, seiner exaltierten Persönlichkeit und geschickter Inszenierung geschuldet sind. Aber, ja, zumindest für mich sieht es genau danach aus.

Auch nachdem Blathi, Derí und Zipernowsky ihren Transformator und dessen vollständige theoretische Beschreibung vorstellen konnten, erkannte er dessen Überlegenheit nicht. Dolivo-Dobrowolski nutzte ihn als Grundlage seines Drehstromtransformators. Während bei der AEG die grundlegenden Betriebsmittel der modernen Energieversorgung entwickelt wurden, beschäftigte sich Tesla mit Hochfrequenztechnik. Das bedeutet nicht, dass das ein Fehler oder unnütz gewesen wäre! Es bedeutet aber, dass er an der Entwicklung der elektrischen Energietechnik ab 1890 praktisch keinen Anteil mehr hatte. Es waren nicht Teslas Maschinen, mit denen das berühmte Wasserkraftwerk an den Niagara-Fällen ausgerüstet wurde. Benjamin Lamme entwickelte Maschinen, die deutlich stärker von den Arbeiten Europäischer Kollegen beeinflusst waren. Es war nicht Tesla, der die erste Fernübertragung elektrischer Energie mit Wechselstrom möglich machte.

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Kommentare (15)

  1. #1 rolak
    9. Januar 2018

    Angesichts kreischender, right or wrong – my Tesla und sonstigwie marodierender Fanclubs eine sehr leicht nachzuvollziehende Gefühlslage.

    Orci?

  2. #2 Oliver Gabath
    9. Januar 2018

    Der Beitrag war ursprünglich ein bisschen kürzer und wäre in 2017 zum Schreibwettbewerb erschienen – als ich den ersten Entwurf angefangen hatte, wusste ich noch nicht, dass ich einige Zeit später selbst hier bloggen würde. Und da ist doch tatsächlich noch der kurze Satz zu meiner Person reingerutscht. Orci war bis Ende 2016 der Nick unter dem ich hier kommentiert habe.

  3. #3 hmann
    9. Januar 2018

    Irgendwie sehe ich da Parallelen zu Albert Einstein.
    Die RT ist anerkannt, bewiesen und funktioniert.
    Wer an Einstein zweifelt, wird abgewatscht.
    Die Skalarwellen Theorie von Tesla ist nicht anerkannt, unbewiesen und wer an ihr nicht zweifelt , wird abgewatscht.
    Die Zukunft bleibt spannend.

  4. #4 hmann
    9. Januar 2018

    Oliver Gabath,
    lohnt es sich, sich mit der Skalarwellentheorie zu beschäftigen? Wenn ich das richtig überblicke ist die RT eine Theorie über die Raum-Zeit-Krümmung.
    Die Skalarwellentheorie ist eine Theorie über die Masse-Zeit-Krümmung mit dem Zusatz, dass Raum, Zeit und Masse in einen 4-dimensionalen Raum eingebettet sind. Deswegen machte er Voraussagen über Effekte, die mit Überlichtgeschwindigkeit ablaufen können, weil im 4 dimensionalen Raum die Entfernungen kürzer sind als im 3 dimensionalen Raum.

  5. #5 Christian Berger
    9. Januar 2018

    @hmann Naja, nur dass es hierbei nicht um “zweifeln” und “nicht zweifeln” geht, sondern einfach darum, eine Beurteilung zu tätigen, die sich aus der Faktenlage nicht ergibt.

    @Oliver Gabath Wie wird man eigentlich Blogger hier?

  6. #6 tomtoo
    9. Januar 2018

    @hamann
    Nun ja, die RT wurde halt schon etliche male bestätigt. Eine wie auch immer geartete EM-Scalarwellentheorie noch nie. Also auf welches Pferdchen würdest du den Rest deines Lebens setzen ? Bei dir ist es ja egal, im Himmel wirste eh erfahren was richtig ist. Bei mir ist das anders, ich bleib da lieber bei der RT.

  7. #7 hmann
    9. Januar 2018

    tomtoo,
    die RT steht jetzt mal außerhalb der Diskussion. Ich finde es interessant, dass sich Einstein selbst einmal dazu geäußert hat. Er meinte, seine Mathematikkentnisse reichen für die 4. Dimension nicht aus.
    Dass die Skalarwellentheorie nicht fertig geworden ist, beweist ja nicht, dass dieses Konzept total unbrauchbar wäre. Und ich wollte wissen, ob es da irgend eine Gemeinsamkeit gibt.
    Dachtest du ich würde konvertieren? Bedenke, ich bin multitasking fähig.

  8. #8 Tox
    9. Januar 2018

    @hmann

    die RT steht jetzt mal außerhalb der Diskussion.

    Wenn das das Ziel ist, wäre es vielleicht besser gewesen, die Diskussion nicht mit der Relativitätstheorie zu beginnen.

    Ich finde es interessant, dass sich Einstein selbst einmal dazu geäußert hat. Er meinte, seine Mathematikkentnisse reichen für die 4. Dimension nicht aus.

    Hast du dafür eine glaubwürdige Quelle? Es gibt so viele Zitate die fälschlicherweise Einstein zugeschrieben werden, oder die zwar von ihm stammen aber oft verfälscht wiedergegeben werden, dass ich einer solchen Aussage zunächst einmal kein Gewicht beimessen würde. Insbesondere, da sie aus mathematischer Sicht ziemlicher Unfug ist. Für “die 4. Dimension” braucht man nicht mehr Mathematikkentnisse als für “die 3. Dimension”. (Es gab erst neulich eine Folge bei Florians Sternengeschichten-Podcast über dieses Thema.) (Und: Was hat dieses angebliche Zitat eigentlich mit deinen anderen Kommentaren zu tun?)

    Dass die Skalarwellentheorie nicht fertig geworden ist, beweist ja nicht, dass dieses Konzept total unbrauchbar wäre.

    Gibt es irgend eine experimentelle Beobachtung, von der man ausgehen kann, dass eine solche Theorie sie besser beschreiben würde als bestehende Theorien? Oder gibt es eine bekannte Lücke in der bestehenden Theorielandschaft, von der man ausgehen kann, dass sie sie füllen würde? Meines Wissens nach lautet die Antwort auf beides “Nein”. Andererseits gibt es meines Wissens nach gute Gründe, die gegen die Existenz elektromagnetischer Skalarwellen sprechen, abgesehen davon, dass sie nie experimentell beobachtet wurden.

    Und ich wollte wissen, ob es da irgend eine Gemeinsamkeit gibt.

    Gemeinsamkeit zwischen was?

  9. #9 Oliver Gabath
    10. Januar 2018

    @#3/4 (hmann):

    Irgendwie sehe ich da Parallelen zu Albert Einstein.

    Ich nicht, weil

    Die RT ist anerkannt, bewiesen und funktioniert.

    und deshalb

    Wer an Einstein zweifelt, wird abgewatscht.

    wobei der Zweifel durchaus erlaubt ist, aber dann muss man ihn mit exorbitant guten Argumenten unterfüttern. Daran scheitern die SRT-Widerleger. Ändert aber so oder so nichts daran, dass

    Die Skalarwellen Theorie von Tesla ist nicht anerkannt, unbewiesen

    wobei nicht stimmt, dass

    wer an ihr nicht zweifelt , wird abgewatscht.

    Nicht daran zu zweifeln ist durchaus erlaubt (Ich zweifle auch, dass die Theorie von Tesla stammt, aber da er damals schon mit dem Verständnis Hertz’scher Wellen seine Probleme hatte, würde mich das auch nicht wundern), aber dann muss man sie mit exorbitant guten Argumenten unterfüttern. Daran scheitern die Skalrwellen-Angänger. Wobei Tesla zumindest in seiner Autobiographie nicht von Skalarwellen spricht. Ihn damit in Verbindung zu bringen scheint mir eher anekdotisch.

    Und natürlich

    Die Zukunft bleibt spannend.

    Wann wäre das mal unwahr gewesen.

    lohnt es sich, sich mit der Skalarwellentheorie zu beschäftigen?

    Sicher.

    Wenn ich das richtig überblicke ist die RT eine Theorie über die Raum-Zeit-Krümmung.

    Die kommt nur in der ART vor, in der SRT nicht.

    Die Skalarwellentheorie ist eine Theorie über die Masse-Zeit-Krümmung mit dem Zusatz, dass Raum, Zeit und Masse in einen 4-dimensionalen Raum eingebettet sind. Deswegen machte er Voraussagen über Effekte, die mit Überlichtgeschwindigkeit ablaufen können, weil im 4 dimensionalen Raum die Entfernungen kürzer sind als im 3 dimensionalen Raum.

    Falls das irgendwas bedeutet, versteh ich’s nicht.

    Und bitte bleib Doch in Zukunft bei einem Nick und wechsel ihn nicht dauernd. Das erleichtert die Kommunikation mit jenen, die nicht Deine E-Mailadresse sehen können bzw. Deinen Stil kennen.

    @#5 (Christian):

    @Oliver Gabath Wie wird man eigentlich Blogger hier?

    Ich hab Florian Freistetter angeschrieben, weil ich mit ihm wegen der Schreibwettbewerbe schon Kontakt hatte, er hat mich dann an Jürgen Schönstein verwiesen und das Weitere hat sich dann im Gespräch ergeben.

  10. #10 ralph
    10. Januar 2018

    Ja, jetzt bin ich sauer!
    Nach dem Konsum einer spannenden Doku über den Tesla/Edison Wettstreit hatte ich in Tesla einen genialen Helden gefunden, dem Schicksal und fiese Rivalen übel mitspielten und ihn ausbremsten. Ich glaubte er hätte die mathematischen Grundlagen für Wechselstrom mehr oder weniger im Alleingang geschaffen. Zudem entsprang er keiner der damals dominierenden Wissenschaftsnationen USA, Italien, England, Frankreich oder Deutschland, sondern kam vom Balkan.
    Aber ich habe immer noch mindestens zwei Helden vom Balkan: Novac Djokovic (Serbe) und Ritter Carl von Ghega, albanischer Abstammung. Er machte seinerzeit Unmögliches möglich. Er revolutionierte den Eisenbahnbau und überquerte den schwierigsten Teil der Alpen mit der Semmeringbahn. Oder nicht?

  11. #11 tomtoo
    10. Januar 2018

    Schon mir vorzustellen, bei einer Tesla Vorführung dabei gewesen zu sein, gibt mir schon Gänsehaut.

  12. #12 BigO
    11. Januar 2018

    Side-bar: Ich hätte nie gedacht einmal in einem Wissenschafts-Blog etwas über Peter “Hooky” Hook zu lesen. Er gehört für mich ebenfalls zu den besten – nein: erstaunlichsten – Bassspielern und ich liebe seine Art, wie er den Bass-Part in Richtung Leadguitar-Part verschiebt und die Songs damit mit einem hohen Wiedererkennungswert ausstattet. Schade, Oliver, dass Dein Live-Erlebnis so enttäuschend war.

  13. #13 Oliver Gabath
    11. Januar 2018

    @11(tomtoo):

    Auf jeden Fall! Es muss beeindruckend gewesen sein.

    @12(BigO):

    Ja, man sagt ihm tatsächlich nicht umsonst nach, dass er sich für die Leadgitarre hält – aber in Liedern wie Disorder, Atmosphere und She Lost Control spielt er auch das dominante Instrument. Eine seiner besten Basslinien ist für mich die von The Perfect Kiss – nicht nur, weil sie schnell und dynamisch ist, sondern weil er sie über fast neun Minuten durchhält.

  14. #14 hmann
    14. Januar 2018

    Tox,
    “Wenn das das Ziel ist, wäre es vielleicht besser gewesen, die Diskussion nicht mit der Relativitätstheorie zu beginnen.”
    Danke für den Hinweis. Denken kann ich selbst.
    Also worum geht es hier? Soll hier ein Physiker abgewatscht werden, weil er nicht ins Konzept passt.
    Tesla hatte das Pech ein Zeitgenosse von Planck, Einstein und Werner von Siemens zu sein.
    Deren Konzepte haben sich durchgesetzt.
    Du fragst nach der Lücke. Die ist riesengroß und über 200 Jahre alt, ich meine den Wellen-Teilchen-Dualismus. Der kann methematisch beschrieben werden, eine sprachliche Erklärung fehtlt bis heute.
    Wie steht es mit der Verschränkung des Lichtes. Hier gibt es nur eine mathematische Lösung, eine sprachliche Erklärung fehlt . Wie steht es mit dem Dualismus zwischen der Gravitationstheorie und der Raum-Zeit- Krümmung.
    Also sollte doch jeder “Paradiesvogel” willkommen sein, der nach neuen Wegen sucht.
    Oliver Gabath,
    4. Dimension. Das ist in meinen Augen nicht nur ein Skalierungsproblem, sondern ein Verständnis dessen könnte die ungelösten oben genannten Erklärungen in einem anderen Lichte erscheinen lassen.
    Mir fehlen die Einsichten, deswegen hatte ich hier auf einen Schlaumeier gehofft, der die Skalarwellen erklären kann.
    Mein Nick ist hmann, nicht Hi-man wie manche denken.

    • #15 Oliver Gabath
      23. Januar 2018

      Ich watsche niemanden ab, ich übe Kritik an einem Mythos und unterfüttere das mit Beispielen. Das nicht jedermann komplexe Wechselstromrechnung beherrscht und mich auf die Art überprüfen kann, versteht sich, aber schon die Erklärung in Prosa sollte nachvollziehbar sein. Wenn Du über meine sehr konkreten Beispiele (z.B. die Überlegenheit des symmetrischen Dreiphasen-Wechselstroms gegenüber jedem zweiphasigen System) diskutieren willst – gerne. Für alles andere schaff Dir bitte Dein eigenes Medium.

      Was die 4. Dimension ist, hat Florian in seinem Blog erst vor Kurzem erklärt – nichts Geheimnisvolles, nur ein weiterer Freiheitsgrad. Der Welle-Teilchen-Dualismus mag schwer zu schlucken sein – wie eine Menge Effekte – aber man kann ihn beobachten und damit ist er mehr als ein semantisches Kunststück. Mathematik ist eine Sprache. Dass Du sie nicht ausreichend gut sprichst, ist nicht ihre Schuld.