Fazit

 

Ohne einen in Händen zu halten (Hat jemand einen? Ich will einen!) lässt sich über die tatsächliche Funktion und Robustheit des MC-772 nicht viel sagen, aber ich glaube, die obigen Spekulationen sind nicht ganz unbegründet. Ganz sicher war er ein für die Sicherheit der MK-39-Wasserstoffbombe essentiell wichtiges Bauteil.

Ich teile die Einschätzung nicht, dass es sich dabei um einen einfachen Schalter gehandelt hat, der nicht viel sicherer als ein Lichtschalter war – die Berichte und Bilder lassen mich vermuten, dass es sich um ein mit viel Knoff-Hoff entwickeltes, sicherheitsgerichtetes Bauteil handelt. Seine Funktion mag letzten Endes mit einem Lichtschalter identisch gewesen sein, aber das ganze Drumherum weist in meinen Augen auf bemerkenswerte Umsicht bei seiner Konstruktion hin. Es sieht wirklich so aus als hätten seine Konstrukteure sich alle Mühe gegeben, Fehlstellungen so gut wie möglich auszuschließen. Und während eines realen Unfalls hat er genau so funktioniert wie gedacht.

Der Schalter von Goldsboro mag ein “einfacher Niederspannungsschalter, ein Stück Dynamo-Technologie” gewesen sein, wie es in einem Bericht ausgedrückt wird, aber in seine Entwicklung und seine Sicherheitsphilosophie scheint deutlich mehr investiert worden zu sein als es diese Worte vermuten lassen würden. Und das ist auch das eigentlich spannende an Technik. Wir benutzen oft die gleichen oder sehr ähnliche Wörter für Dinge, die nach völlig verschiedenen Philosophien entwickelt werden und laufen durch die sprachliche Nähe Gefahr, auch die Dinge selbst für ähnlicher zu halten als sie in Wirklichkeit sind. Deshalb ist es so wichtig, ganz genau hinzuschauen wenn behauptet wird, dass die Welt kurz vor der Katastrophe war oder in Wahrheit überhaupt keine Gefahr bestand.

In der Geschichte der US Air Force gab es etwa 30 Vorfälle mit Kernwaffen, bei denen der safe/arm-Schalter in der A-Position stand[2].

[1] Michael H. Maggelet war von 1980 bis 1995 als Air-Force-Techniker mit der Wartung von Wasserstoffbomben betraut und ist Mitautor des Buchs Broken Arrows zur Geschichte der Zwischenfälle mit amerikanischen Kernwaffen.
[2] Quelle: Charlie Burks, Ingenieur und ehemaliger Kernwaffentechniker der Sandia National Laboratories

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Kommentare (6)

  1. #1 rolak
    24. Januar 2020

    in Händen zu halten

    Wie groß und schwer darf man sich dieses Teil überhaupt vorstellen? 28V/3A-Bedarf und ~’ruggedized’ dürften deutliche Unterrenzen vorgeben…

  2. #3 rolak
    24. Januar 2020

    3A schaltet der

    Da haste was fehlinterpretiert, tomtoo: Was auch immer der Held des Textes letztlich wie schalten mag, er benötigt diese 84W/3s-Fütterung, damit er überhaupt schaltet.

  3. #4 Spritkopf
    24. Januar 2020

    Was sofort auffällt ist die massive Bauweise. Das Gehäuse des MC-772 besteht aus ungewöhnlich dickem Stahl, Ober- und Unterteil sind mit vier dicken Schrauben verbunden. Alle Teile wirken groß und sehr robust. Das ist offensichtlich nicht einfach ein Lichtschalter.

    Diese robuste Bauweise ist allerdings in der Militärtechnik normal.

    Während meines Wehrdienstes hatte ich viel mit Funkgeräten zur Verwendung in Fahrzeugen zu tun. Die Dinger hatten nicht sonderlich viel Leistung und mussten auch tragbar sein, weil sie nicht ständig im Fahrzeug eingebaut blieben, sondern erst für den Einsatz aus dem Lager geholt und im Fahrzeug auf eine Grundplatte geschraubt wurden. Aber trotzdem wurde etwa deren Gehäuse nicht aus 1,5mm-Alublechen zusammengeschraubt wie sonst üblich, sondern das war ein massives Gussgehäuse, an dem man sich einen Wolf geschleppt hat und auf das man wahrscheinlich mit der Schrotflinte hätte schießen können, ohne dass was kaputt geht.

  4. #5 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    24. Januar 2020

    > Die exakte Angabe “28V/3A für drei aufeinanderfolgende Sekunden”, die er immer wieder benutzt, ist interessant und könnte darauf hinweisen, dass der Schalter nur dann schließt, wenn diese Bedingungen erfüllt sind. Zum Schließen des Schalters ist offensichtlich nicht einfach irgendeine, sondern eine genau definierte Aktion mit einem unverwechselbaren Schaltsignal erforderlich.

    Früher war tatsächlich vieles besser durchdacht. Ich halte es tatsächlich für möglich, dass jemand der jungen und dynamischen Leute von heute auf die Idee kommt, dass die Funktion mit einem Touchscreen implementiert wird und keiner der Kollegen Einspruch erhebt. Der Flügelschlag eines Schmetterlings könnte dann die Zündung auslösen.

  5. #6 Skeptikskeptiker
    24. Januar 2020

    Hauptsache, die Buchstaben werden nicht fehlinterpretiert, ggf. noch gepaart mit einer Rot-Grün-Schwäche – z.B. (A)ll right – (S)hit, gemäß der Kennzeichnung der Handtücher im gehobenen Hotel – für (A)ntlitz und (G)esäß.

    @Spritkopf:
    “an dem man sich einen Wolf geschleppt hat”
    Unsere Funkgeräte in den 80igern waren 20-Kilo-Röhrengeräte, weil sie einen Atomschlag besser überstehen als Halbleitertechnik, hat man uns erklärt – im Gegensatz zu uns.