Es war eine heisse Debatte und wir haben auch schon darüber berichtet. Alles begann mit dem Bericht von zwei Forschergruppen, dass es gelungen sei ein Vogelgrippevirus zu generieren, das zwischen Säugetieren übertragen werden könne. Denn genau das konnte das H5N1-Vogelgrippevirus bisher noch nicht. Und da dies diverse Gefahren, wie auch Chancen bietet, es wurde viel diskutiert und so ziemlich jeder, der sich für erlesen hielt komentierte das ganze in den darauffolgenden Monaten. Die Meinungen klafften natürlich weit auseinander und reichten von der üblichen Verschwörungstheorie bis hin zu sehr sachlichen Auseinandersetzungen.


Erst sah es so aus, als würden die beiden Publikationen zumindest zum Teil redigiert, um mögliche Anwendungen als Biowaffe zu verhindern, dann beschlossen die beteiligten Forschergruppen ein selbstauferlegtes Moratorium ihrer Arbeit, bis geklärt wäre, wie man mit den Ergebnissen umzugehen habe, und letztendlich stellte sich heraus, dass das Virus nun zwar wie beschrieben zwischen Frettchen in Form einer Tröpfcheninfektion übertragen werden kann, die Schwere der Erkrankung aber keineswegs mit der der Vogelgrippe vergleichbar war. Und letztendlich wurde gestern die erste der beiden Arbeiten aus dem Labor von Yoshihiro Kawaoka in Wisconsin in Nature publiziert.

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Auch die zweite Gruppe aus den Niederlanden um Ron Fouchier, die vergleichbare Daten generierte, hat inzwischen die Regierungserlaubnis, die Daten zu publizieren und wird dies in kürze in Science vornehmen.
Man ging also von einem H5N1-Vogelgrippevirus (A/Vietnam/1203/2004 (VN1203)) aus und brachte zufällige Mutationen im Gen für das Hemaglutinin ein. Das Hemaglutinin, kurz HA, steht namensgebend als H in H5N1. Die Nummer gibt einen familiären Subtypen der Hemaglutininproteine an. Das Hemaglutinin ist der Bindungsrezeptor des Influenzavirus, der eine Bindung an bestimmte Oberflächenstrukturen der Wirtszellen vermittelt, sogenannte Sialinsäuren, die an Galaktosezuckerreste gebunden sind. Und genau hier liegt auch der Hund begraben, denn bisher konnten die Typ 5 HA-Proteine des Vogelgrippevirus, nicht oder nur sehr ineffektiv an die Bindungsvariante der humanen Sialinsäure mit dem Zuckerrest binden. Durch das Einbringen von Zufallsmutationen in den globulären Kopf des Proteins, welcher die Bindung vermittelt, wollten die Forscher nun herausfinden, ob diese Hinderung aufzuheben sei.
Um ein potentiell verstärkt bindendes Virus zu selektieren, wurden die neu gebildeten Mutantenviren in Zellkulturexperimenten auf Truthahnzellen ausgebracht, die beide Bindestrukturen, die menschliche (Sia-alpha2,6-GAL) und die Vogelvariante (Sia-alpha2,3-GAL) besitzen. Doch zuvor wurden diese Zellen mit einer aus dem Bakterium Salmonella enterica stammenden Sialidase behandelt, ein Enzym, dass spezifisch die alpha2,3-Variante, also die Vogelzellstruktur, schneidet, und somit Zellen generiert,welche ausschliesslich mit der humanen alpha2,3 Variante ausgestattet sind. Diese Zellen wurden als spezifische “Beute” vewendet um Viren zu isolieren, die spezifisch an die alpha2,3 Variante binden. Alle nicht-bindenden Viruspartikel wurden durch Waschen entfernt und die Binder wurden anschliessend aufgereinigt. Diese Viren, welche durch die eingebrachten Mutationen nun zu spezifischen Bindern gemacht wurden, untersuchten die Forscher in Gewebeproben von menschlichen Luftöhren, die die entsprechenden humanen Strukturen aufweisen. Dabei stellten sie fest, dass insgesamt neun Viren mit diversen neuen und bereits bekannten Mutationen entstanden waren. Um diese neuen Mutanten zu testen, verwendeten die Forscher Frettchen, da diese Tiere empfänglich sind für eine Infektion mit humanen Influenzaviren. Dabei zeigte sich, dass die neuen Viren zwar infektiös, aber weit weniger pathogen als das H5N1-Ausgangsvirus sind. Und das wirklich spektakuläre dieser Arbeit war das Ergebnis, dass diese neuen Viren nun im Gegensatz zu den Ausgangsviren, durch Tröpcheninfektion zwischen infizierten und nicht-infizierten Frettechen übertragbar waren.
Insgesamt ist zu sagen, dass die technologische Vorgehensweise der Mutation eines Proteins wie es in dieser Arbeit beschrieben wurde, durchaus al Standardmethode molekularbiologischer Labore angesehen werden kann. Durch die zielgerichtete Einbringung von Mutationen in die Bindestelle des HA-Proteins wurde bewusst dessen Bindungsaktivität und Spezifität verändert, doch dass Influenzavirus ist selbst ein Kandidat für enorme Mutationsraten bei der Replikation, was ja auch zu der Tatsache führt, dass die Vakzinierung jedes Jahr neu Ausgeführt werden muss. Also meines Erachtens ist dies eine interessante Arbeit, die weitläufige neue Einblicke in die komplexen Eigenschaften des Virus liefert und wertvolle Erkentnisse für zukünftige Vorkehrungsmassnahmen. Doch eine Anleitung für Bioterroristen kann ich in dieser Arbeit nicht erkenne, bin aber natürlich auch kein Spezialist auf diesem Gebiet.
Soviel dazu und zu dem ganzen Lärm, den diese Experimente verursachten.

Experimental adaptation of an influenza H5 HA confers respiratory droplet transmission to a reassortant H5 HA/H1N1 virus in ferrets. Masaki Imai et al. Nature (2012) doi:10.1038/nature10831

Kommentare (2)

  1. #1 Joe Dramiga
    Mai 3, 2012

    Hallo Felix, wieder mal ein interessanter Artikel, aber ich bin etwas verwirrt:

    H5N1 ist ein Vogelgrippevirus, dessen HA (also nur ein Gen) “humanisiert” wurde aber im Wesentlichen ist er immer noch ein Vogelgrippevirus und kein humaner Influenzavirus. Kann man denn mit dem Vogelgrippevirus H5N1 auch Frettchen infizieren und ist dieser Virus von Frettchen zu Frettchen übertragbar? Denn nur so macht deine Aussage Sinn, dass die Pathogenität der “humanisierten” Viren in Frettchen geringer als die des Ausgangsvirus H5N1. In deinem Text klingt das so, dass man Frettchen nur mit humanen Influenzaviren infizieren kann. Wenn man aber Frettchen mit H5N1 infizieren kann dann bräuchte man H5N1 nicht zu “humanisieren”.

    Man muss auch bedenken, dass sich die in Zellkulturen passagierten/selektierten “Laborstämme” manchmal ganz anders verhalten als die klinischen Isolate. Das ist ein allgemeines Problem der virologischen Grundlagenforschung.

  2. #2 Felix Bohne
    Mai 4, 2012

    @joe dramiga: Ich finde der begriff “humanisiert” ist hier etwas unglücklich. Das Virus wurde gezielt mutiert und dann auf die Bindung an humane Wirtszellstrukturen selektiert. Von Humanisiert spricht man eigentlich nur wenn z.B. Gensequenzen einer anderen Spezies an die Eigenschaften der humanen Sequenz angepasst werden.
    Das so veränderte Vogelgrippevirus war sichtlich attenuiert und hatte seine hohe Pathogenität eingebüsst. Soviel ich weiss kann das H5N1-Wildtypvirus auch Frettchen infizieren und ist hochpathogen, die Tranmission ist aber in dieser Situation nich gegeben. Sonst hätte diese Untersuchung ja auch irgendwie keinen Sinn gemacht.
    Die Attenuation, also der Verlust der Pathogenität ist kein Ergebnis der Handhabe im Labor, sondern entstammt der Vakzinherstellung. Dabei wurde festgestellt, dass pathogene Viren durch den fehlenden Druck durch Immunsystem und Konkurenz ihre Pathogenität einbüssen und sich als Lebendvakzine einsetzen lassen. In Laborstämmen, wir arbeiten mit HBV, HCV und HIV lässt sich das heute gut kontrollieren und im Fall einer entsprechenden Mutation aufgelagerte Virusstocks zurückgreifen. Das Problem ist hier viel mehr, dass sich die komplexe Situation wie sie im Patienten vorkommt, in der Zellkultur nicht nachstellen lässt und die einzigen mit z.B. HBV und HCV infizierbsren Tiermodelle Schimpansen sind.