Eigentlich sollte sie schon längst fertig sein, aber zu viele andere Dinge intervenier(t)en immer wieder in den Entstehungsprozess meiner eigenen Dissertation. Jetzt aber ist es endlich soweit, das Ding will fertig geschrieben werden und muss endlich ein Ende finden. Begleitend dazu dokumentiere ich auf Scienceblogs mein methodisches Vorgehen.

Status Quo ist, dass der Projektaufriss, das Erkenntisinteresse, die theoretische Fundierung und das methodologische Vorgehen geschrieben sind – d.h. ich weiß was beforsche, die Fragestellung ist von vielen Seiten abgeklärt und auch das Wie, das Methodische, ist klar. Seit einigen Tagen widme ich mich meinem empirischen Material. Hier möchte ich dokumentieren wie ich dabei mit Unterstützung des Programms atlas.ti vorgehe. Hier der erste Teil: Wie kann begonnen werden?

Ich arbeite, als Rahmenmethodologie, mit der Grounded Theory. Das Arbeiten mit diesem methodologischen Ansatz hat den Vorteil viele unterschiedliche, empirische Materialien integrieren zu können. Wie immer bei Forschung geht es auch hier um ein systematisches, nachvollziehbares und transparentes Arbeiten. Wie ich dies mache, möchte ich hier zeigen.

(Anm.: Dieser methodisch/methodologische Zugang birgt eine enorme Flexibilität in sich und ist deshalb für komplexe sozialwissenschaftliche Fragestellungen gut geeignet. Im Prinzip wird für jedes Projekt eine eigene Arbeitsweise entwickelt, um dem konkreten Material auch gerecht werden zu können. D.h. ich kann hier für mein Projekt sprechen und darstellen, wie ich vorgehe, jedes andere Projekt kann und wird aber anders aussehen, andere Wege wählen und die Möglichkeiten von atlas.ti anders ausnutzen. Dies nur als vorangestellte Anmerkung.)

Schritt 1: Das Material

Das Datenmaterial umfasst: Interviews, Gruppendiskussionen, Beobachtungsprotokolle, Bilder, Texte aus dem Netz (z.B. Förderungsbedingungen im Wiener Wohnbau) und etliches mehr. Diese Dinge stammen aus einem abgeschlossenen fwf-Forschungsprojekt mit einem anderen Erkenntnisinteresse und dürfen von mir für mein eigenes Dissertationsprojekt verwendet werden. (Skizziert habe ich das Projekt in diesem Blogpost.)

Alle Dokumente werden in atlas.ti geladen: Das Programm ist im Prinzip eine große, gestaltbare Datenbank mit unterschiedlichen Funktionen. Das hilft dabei den Überblick zu bewahren und nachvollziehbar auswerten zu können.

Dokumente_laden_small

Rechts in dem Fenster sind die unterschiedlichen Dokumente zu sehen, atlas.ti nennt diese P-Docs. Links davon ist eines, eine Gruppendiskussionen, zu sehen. Die Namen sind geschwärzt, da die Projekte sonst nachvollziehbar wären.

Schritt 2: Das Codieren

Nun beginnt die Auseinandersetzung mit dem Material. Die einzelnen Dokumente (P-Docs in altas.ti) werden auf der Basis meiner Fragestellungen durchsucht. In meinem Projekt heißt dies derzeit, dass ich nach Raumbildern im Material suche, d.h. nach Erzählungen zu Räumlichem wie z.B. Loggien, Freiräumen, Grundrisskonzeptionen und ähnlichem. Dieser Begriff basiert auf den theoretischen Ausführungen des Soziologen Detlev Ipsen und ist mir vor einigen Jahren in einem Artikel des derive begegnet. Diese Raumbilder möchte ich zu einem späteren Zeitpunkt meiner Auswertungen vergleichen.

Eine Fragestellung meiner Dissertation umfasst den Vergleich von Raumbildern, die in Entwurfsprozessen bei Bauprojekten verwendet werden mit jenen Raumbildern, die von BewohnerInnen in ihren Erzählungen verwendet werden. Die Idee dahinter ist einerseits herauszufinden, wie mit diesen Raumbildern geplant wird, was in diesen an Sinnkonstruktionen und Strukturierungen enthalten ist und welche Vorstellungen in Entwurfsprozesse eingelagert sind. Andererseits geht es bei den Raumbildern von BewohnerInnen um Wahrnehmung und Rezeption: Wie werden die Häuser genutzt? Wie werden die Grundrisse, die Gebäude gelesen und verstanden? Und letztendlich: Decken sich die Raumbilder und deren Sinnstruktierungen oder wo und wie unterscheiden sich diese? Wie funktionieren diese Prozesse?

Außerdem habe ich beschlossen eine nützliche Begrifflichkeit aus der dokumentarischen Methode zu entlehnen: Orientierungen bzw. Orientierungsrahmen. In die Alltagssprache übersetzt sind dies Perspektiven und Haltungen, die in Hinblick auf ein Thema eingenommen werden. Das bietet sich deshalb an, weil Teile des Projektes – die Gruppendiskussionen – mittels der dokumentarischen Methode ausgewertet wurden und diese Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt auch in das Projekt hier einfließen werden.

Dabei bin ich gerade: Ich gehe die verschiedenen Texte durch, suche nach den Stellen mit Raumbildern bzw. Orientierungen und markiere diese mit einem Begriff der – für mich – möglichst aussagekräftig auf das Thema verweist. Diese Begriffe werden Codes genannt.

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