Daher kommt heute meine offizielle Abmeldung vom ‘tiefes leben’ Blog.
Das Bloggen hat mir viel Spaß bereitet und es war eine kreative Zeit. Bloggen war für mich immer eine Freizeitbeschäftigung.
Anstatt mich jedoch in meiner Freizeit in meinem Blog auf angenehme ungezwungene Weise mit Themen auseinanderzusetzen zu denen ich sonstwo keine Zeit hatte, begab ich mich zunehmend hinein in einen teilweise besinnungslos rasanten Marktplatz – mitten hinein in den Ernst des Lebens. Ich habe gemerkt, dass ich mehr Zeit benötige zum Nachdenken, Schreiben und Beobachten ohne die Marktzwänge, ohne den Wettbewerb, und ohne das Tempo die das Bloggen verlangt.
Das heißt nicht, dass ich Wissenschaftsblogs nun plötzlich blöd finde. Nein, ganz im Gegenteil, Wissenschaftsblogs betrachte ich nach wie vor als ein extrem wichtiges Moment der demokratischen Wissenschaftspolitik und der Wissensvermittlung. Es haben sich lediglich meine persönlichen Präferenzen ein wenig verschoben und mein ‘tiefes leben’ findet derzeit woanders statt.
Ich wünsche allen Scienbloggern und -bloggerinnen viel Spaß und Erfolg.
]]>Nun sind Gesteinschichten von Natur aus diskontinuierliche Ablagerungen, das heisst, sie setzen sich aus dokumentierten Zeitphasen und aus Zeitlücken zusammen. Manchmal wird in einem Zentimeter ein Tag repräsentiert, manchmal 10000 Jahre, manchmal fehlen dazwischen 100000 Jahre. Manchmal lässt sich für Geologen diese Diskontinuität recht einfach messen, oft ist das aber extrem schwierig und die Zeitlücken lassen sich nur vermuten. Beinah unmöglich wird das wenn wir Schichten die langsam abgelagert wurden mit sehr hoher zeitlicher Auflösung analysieren wollen.
Man kann nun einwenden, die Faunensprünge seien Folge der lückenhaften Überlieferung. Falsifiziert ist die Theorie des Punctuated Equilibrium jedoch nur wenn man zeigen kann, dass alle dokumentierten Sprünge Überlieferungslücken sind. Das ist natürlich unmöglich und die Theorie ist damit praktisch nicht falsifizierbar. Daher wird dem Punk Eek auch immer wieder Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen. Wichtig ist es daher für die Punk Eek viele Beispiele zu zeigen, zu zeigen, dass bei kontinuierlicher Sedimentation Sprünge stattfinden.
Jetzt komme ich langsam dahin worauf ich hinaus will. Eine der ersten Arbeiten, die nach Gould & Eldgredge (1977) eine hochauflösende sprunghafte Evolution dokumentierte und seitdem immer wieder als klassisches Beispiel angeführt wird ist die Arbeit, basierend auf der Dissertation von Peter G. Williamson über känozoische Mollusken am Turkana See in Kenia.
Williamson hat für diese Arbeit umgehend und bis in die 1990iger herbe Kritik einstecken müssen. Anderserseits bleibt sie bis zu Gould (2002) das Beispiel prima facie für die Punk Eek. Von Kollegen habe ich munkeln hören, dass Williamsons früher Tod und seine lange Krankheit möglicherweise im Zusammenhang mit der anhaltenden Spannung zwischen positiver Beachtung und massiver Kritik an seiner vielbeachteten Dissertation lag. Bis heute ist das Paper laut Google Scholar 111 mal zitiert worden.
Das Vorläufig letzte Zitat ist die Arbeit von Van Bocxlaer et al. in der aktuellen Nummer von Evolution, auch Teil einer Dissertation. Van Bocxlaer et al. haben versucht nach aktuellem Standard und Wissen die von Williamson untersuchten Schichten aufzulösen und haben die Fauna mit deutlich mehr und genauer gesammeltem Material erfasst. Dabei konnten sie zeigen, dass die evolutiven Sprünge, welche Williamson sah tatsächlich Invasionsereignisse neuer Arten sind. Sie können allerdings nicht sagen woher die neuen Arten stammen, wo und wie die neuen Arten im Turkana Becken entstanden sind. Das ist ein Problem, ähnlich der Zeitlücken, welches sich bei der paläontologischen Arbeit immer wieder einstellt: die Arten scheinen von irgendwoher zu kommen. Es lässt sich ganz schwer zeigen, dass die Arten tatsächlich vor Ort entstanden sind. Sie verschwinden unterm Blick.
Van Bocxlaer et al. müssten in anderen geographischen Skalen bei gleicher Zeitauflösung schauen, zB.auf ganz Afrika um die Ursprungsorte der invasiven Arten zu finden. Sicher wird das in nächster Zeit einmal möglich sein. Ich befürchte ja, dass man dann sehen wird, dass an bestimmten Stellen plötzlich, punktiert neue Arten auftreten und man wird versuchen müssen die zeitliche Auflösung zu erhöhen…
]]>Damals musste ich nämlich lesen, dass die Hasen, die es seit etwa 11.8 Millionen Jahren (seit dem Miozän) gibt, wär hätte das gedacht, aus Nordamerika stammen. Die Hoppeldinger sind dann wohl über die Behringstraße nach Sibirien gekommen (wenigstens zwei Mal, einmal vor etwa 5 Millionen Jahren und einmal vor ca. 3 Millionen Jahren) und haben es von dort vor etwa 60.000-40.000 Jahren (im Pleistozän, also zum Würm=Weichselglazial) bis nach Südafrika geschafft. Unser Feldhase, der Osterhase, stammt vermutlich von einer Linie ab die erst vor drei Millionen Jahren aus Nordamerika gehoppelt kam. Der Feldhase hatte historisch eine Verbreitung die ostwärts bis zum Ural reichte, mit der Trans-sibirischen Eisenbahn hat er sich aber auch weiter nach Osten getraut.
Und hier finden sich all die spannenden Geschichten.
Dies ist im übrigen der Hase, wie wir ihn am Osterwochenende im Mecklenburg-Strelitzschen gesehen haben.
]]>Das Verständnis der Klimageschichte der Erde hat den Zweck, die Mechanismen zu verstehen durch die die biologische Aktivität (auch die unsrige) die Welt verändert. Das heißt wenn wir optimistisch sind, dann glauben wir daran, dass wir durch unser politisches Handeln den menschengemachten COzwei-Anstieg beeinflussen können und damit so, wie wir vor 250 Jahren vielleicht angefangen haben die Flüsse zu regulieren, demnächst damit Anfangen das Klima zu regulieren. Das ist vielleicht utopisch und erschreckend, wir wissen ja was dabei herausgekommen ist, als wir begannen die Flüsse zu regulieren (Artensterben, Hochwasserfluten etc). Und trotzdem kommen wir um eine gemässigte (softe?) Regulierung der “unbändigen Natur” nicht herum. – Wir machen uns die Welt wie sie uns gefällt – Es ist in gewissem Maß einfach die alte Geschichte; die Natur bereitet uns Katastrophen (die wir zum Teil selbst verursachen) und wir müssen damit umgehen. Ich bin überzeugt, das die kommenden Klimaveränderungen für sehr viele Menschen eine Katastrophe sein werden: Wir müssen uns das mal Vorstellen, was das heißt, wenn die mittlere Temperatur nur um 4 Grad steigt (die meisten Hochrechnungen gehen derzeit von 6 Grad aus). Vorstellen kann man sich das, wenn man einfach mal im Schnitt immer 6 Grad draufrechnet, also an einem schönen Junitag 36 Grad statt 30, und an einem Januartag 2 Grad statt minus 4… Man kann sich vorstellen was das in Madrid im August bedeutet oder im Süden Indiens.
Hier noch einmal die Kurve des IPCC zur Erinnerung (siehe hier)
Aber, ich wollte ganz kurz reviewen, wie die Entwicklung des O2/CO2 in der Atmosphäre und die Entwicklung des Meerespiegels über die letzten 600 Millionen Jahre aussah. Die letzten 600 Millionen Jahre, das ist das Phanerozoikum, die Zeit seit dem es höhere Tiere gibt.
Dies ist wohl die aktuellste Referenzdarstellung der Entwicklung des CO2-Gehalts der Atmosphäre durchs Phanerozoikum (Berner, 2006, frei zu haben hier):
Und dies ist Berners modellierte O2 Kurve über denselben Zeitraum:
Was man da sieht ist, dass der CO2-Gehalt seit dem Erscheinen der Tiere stetig abnimmt, und dass er im Karbon schon einmal extrem niedrig war, in der Zeit, als all die Kohle in der Erde abgelagert wurde die wir heute so verbrennen. Man sieht auch, dass der Sauerstoffgehalt in eben jener Zeit besonders hoch war und das er sich ansonsten aber recht konstant zwischen 15 und 25 % gehalten hat. Vielleicht ist noch wichtig zu betonen dass der geologische Record eindeutig zeigt, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre positiv mit der mittleren Temperatur korreliert (nachlesen kann man das hier)
Spannend ist nun zu sehen was der Meerespiegel so getrieben hat. Dazu zeige ich hier die wohl aktuellste Referenz (Miller et al. 2005, frei zu haben hier:
Man sieht hier keinen direkten Zusammenhang mit der Zusammensetzung der Atmosphäre. Der Meeresspiegelstand ist im großen Maßstab an die tektonische Aktivität gekoppelt, also an die spreading Raten an den mittelozeanischen Rücken. Was aber in unserem Zusammenhang wichtig zu bemerken ist, dass der Meerespiegel am Ende der Kreidezeit locker mal 250 m über dem heutigen Null lag….
Die Verbindung von Meerespiegelstand und Bioproduktivität der Meere habe ich nicht mitausgeschnitten ist aber im Originalartikel dargestellt und zwar anhand des Proxis Acritarchen. Acritarchen sind fossil gut überlieferbare Primärproduzenten der Meere und ihre Diversität geht in etwa parallel mit der des Meeresspiegels.Das heißt je höher der Meeresspiegel, je mehr wird Primärproduziert und damit geht es bis hinauf an den Top der Nahrungskette allen besser. Je höher der Meeresspiegel je höher die Diversität im Meer, eigentlich logisch.
Hier ist noch eine Kurve. Das ist die Kurve von Cornette et al (2002).
Dort sieht man zu den dicken blauen Punkten und dem blauen Bereich, welche Berner and Kothavalas (2001) CO2-Kurve + Error Margin ist, eine gezackte schwarze Kurve. Diese Kurve stellt die Zahl der Entstehung neuer mariner Organismen-Gattungen pro Zeiteinheit dar. Ich denke die Korrelation ist unübersehbar. Was diese Kurve nicht zeigt, ist, dass die Aussterberate ebenfalls ungefähr parallel mit dem CO2 Gehalt sinkt.
Man könnte aus dieser Kurve nun schließen, je mehr CO2 in der Atmosphäre, je diverser die Organismen. Dem ist jedoch nicht so: Das größte Aussterbeereignis aller Zeiten gab es an der Wende Perm / Trias. In dieser Zeit stieg der CO2-Gehalt rasant an.
Dies ist die aktuellste Berechnung der Entwicklung der globalen Biodiversität über das Phanerozoikum (Stanley 2007).
Wie man bei in dieser Kurve sieht, steigt die marine Biodiversität seit 600 Millionen Jahren beinahe exponentiell an. Die Diversität steigt, die evolutiven Raten und das CO2 in der Atmosphäre sinken, der Meerespiegel spielt dazu Musik.
Ich könnte jetzt ein ganzes Buch darüber schreiben, welche Interpretationen es zu diesen vielen Kurven gibt. Das hebe ich mir vielleicht für später auf. Aber ich denke es wird deutlich, dass wir in einer Welt leben, die mächtig in Bewegung ist und zu erwarten alles bliebe beim Alten wäre naiv. Die nächsten Katastrophen werden bestimmt kommen. Ich bin allerdings ganz entschieden der Meinung, das wir als Menschen (wie übrigens die meisten anderen Organismen auch) die Macht haben diese Veränderungen zu verändern. Wir könnten zB. damit anfangen unsere Ressourcen-plündernde Ökonomie zu stoppen. Aber das ist Politik.
]]>Trotzdem denke ich immer noch, wenn ich einen Artikel geschrieben habe, dass damit die Arbeit vorüber wäre und sehe schon den gedruckten Artikel vor Augen. Ich vergesse jedesmal die Zeit einzuplanen, die die Korrekturen meiner Arbeiten nach dem Peer Review und bis zum Veröffentlichen benötigen und gerate dann in Stress, wenn die Arbeiten von den Editoren zurückkommen. Genauso wenig plane ich die Zeit ein, die ich potentiell für eingehende Begutachtungswünsche der Editoren benötige. Ein Kollege sagte mir neulich, er verfolge die Pi-mal-Daumen Regel in etwa soviele Artikel im Jahr zu reviewen wie er selbst schreibt. Das finde ich ganz schlau.
Vor ein paar Tagen stieß ich nun auf diese Grafik, die den Peer Review Prozess bei der Palaeontographica Electronica darstellt.
Das ist eigentlich der Standard, trotzdem war ich erschrocken als dieses Strickmuster da so sah. Kein Wunder, dass es bei mir in der Regel 1-3 Jahre vom Einreichen dauert bis ich den gedruckten Artikel in der Hand habe.
Bei PLos ONE ist das noch etwas komplizierter, weil dort der Post-Publikations-Review noch dargestellt werden müsste. Trotzdem finde ich den Ansatz genial, die Web 2.0 Möglichkeiten zu nutzen um die Artikel kommentierbar zu machen.
Die Zeitschrift Biogeosciences geht noch einen Schritt weiter und veröffentlicht die eingereichten Artikel bereits nach einer anfänglichen Begutachtung der Editoren, der Peer-Review Prozess selbst ist dann offen für alle lesbar (ich habe da auch schon einmal gereviewt). Schliesslich wird der revidierte Artikel veröffentlicht. Das hat den Vorteil das das Manuskript schnell für alle lesbar ist. Man muss sich allerdings bewusst sein, dass möglicherweise alle Kollegen ein schludriges oder unreifes Manuskript mitlesen können. Eigentlich ist das sehr gut weil sich die Autoren dadurch mehr Mühe bei den Manuskripten geben und die Peer Reviewer entlastet werden..
]]>Das trifft einen interessanten Punkt: Corax sagt da, wir Wissenschaftler hätten so etwas wie ein Verpflichtung unsere Arbeit den anderen Leuten verständlich zu vermitteln, jedenfalls wenn wir bloggen.
Ich stimme Corax vollkommen darin überein, dass Wissenschaft außerhalb der Akademia diskutiert werden muss und die Wissenschaftler ihr, mit öffentlichen Geldern produziertes, Wissen kommunizieren müssen. Trotzdem schreibe ich manchmal Artikel die viele potentielle Leser einfach zum weiterklicken veranlassen. Warum?
Manchmal geht ein Artikel einfach daneben, wenn ich gerne möchte, dass möglichst viele meinen Text verstehen können und ich nicht bemerke, dass ich auf Fach-Chinesisch schreibe. Das ist vielleicht mal entschuldbar sollte mich aber anspornen meine skills zu verbessern.
Manchmal mache mich mir wenig Gedanken darüber an wen ich den Text eigentlich adressiere den ich gerade schreibe und das Resultat ist schwer lesbar und interessiert niemanden. Auch das ist eigentlich ziemlich blöd.
Manchmal schreibe ich einen Text in dem ich Fachtermina benutze, davon ausgehe, dass Viele die nicht verstehen, lasse die aber drin, weil ihr nicht-Verständnis meine gewollte Message kaum beeinflusst, die Lesbarkeit nicht unbedingt stört und den Text gleichzeitig vielschichtiger für Eingeweihte macht.
Manchmal schreibe ich Texte, die nur Eingeweihte verstehen und von denen ich annehme, dass sie nur für Eingeweihte interessant sind.
Manchmal schreibe ich Texte, die hauptsächlich an mich gerichtet sind, wenn ich sie nach einem Jahr oder so wieder finden sollte.
Das ich mir diesen ganzen Luxus leisten kann (Fehler, Verzopftheit, Texte die niemanden interessieren, Introvertiertheit) hat einen Grund: Ich schreibe ein Blog.
Manchmal schreibe ich für Zeitungen, manchmal halte ich öffentliche Vorträge. Dann kann ich mir diesen Luxus nicht leisten (will ich auch nicht). Dann stehe ich in Verantwortung denjenigen gegenüber die sich die Zeit genommen haben zu meinem Vortrag zu kommen, oder welche die Zeitung kaufen, weil sie sich etwas Bestimmtes davon versprechen. Aber in meinem Blog kann jede und jeder einfach wegklicken und es kostet nix, nichtmal Zeit.
Man darf darf natürlich auch anklicken.
Das ist für mich Wissenschaftsbloggen, eben mehr als Wissenschaftsjournalismus.
]]>Was aber hier im Santa Barbara Museum gemacht wird geht deutlich darüber hinaus. Denn die Datenbank gibt eine ganze Menge wichtiger Informationen, die sonst so direkt kaum von anderen Museen ins Netz gestellt werden. So führt bei vielen Stücken ein direkter Link über Google-Earth zum genauen Fundpunkt. Aber das Wichtigste und Beste ist, dass die Datenbank von allen Typen (das heißt von allem Stücken der Sammlung die in der Literatur beschrieben sind) die entsprechende Literatur frei bereitstellt. Hier ist einmal ein Beispiel so eines Eintrages.
Das Santa Barbara Museum beherbergt eines der weltweit wichtigsten Sammlungen rezenter Mollusken. Wer also dort nach einer bestimmten Gattung sucht der wird bestimmt fündig.
In diesem Zusammenhang muss ich unbedingt auf die aktuellen Entwicklungen in der Biodiversity Heritage Library hinweisen. Über das Projekt sind inzwischen beinah 3000 Faksimilie überwiegend antiquarischer taxonomischer Literatur frei ferfügbar und als pdf herunterladbar! Auch hier kann man in der Datenbank über Tiernamen, Autorennamen, oder das Werkverzeichnis fündig werden. Unbedingt empfehlenswert.
Wenn ich mir diese Projekte anschauen, dann fällt auf: Sie kommen (mit Ausnahme von London) aus den USA. Die dortigen großen naturhistorischen Museen und Institutionen investieren viel uns ihre Ressourcen frei verfügbar zu machen. Wann kommen die kontinentaleuropäischen Pendants auf den Trichter, dass damit allen geholfen ist?
]]>Martin Rundkvist positioniert sich als “Scientist”, verteidigt als Archäologe also seinen positiven Bezug auf die Naturwissenschaften und greift die “postmodernen” Geistestwissenschaftler an, welche den Wahrheitsgehalt der empirischen Daten in ihrer hermeneutische Mühle ad absurdum führen würden. (Dazu muss man Wissen, dass im englischsprachigen zwischen Humanities und Science unterschieden wird. Es gibt also nicht wie im Deutschen eine Wissenschaft die sich in Geistes- und Naturwissenschaft unterteilt.).
Beiden kann ich nur Zustimmen wenn es darum geht was sie als Wissenschaft sehen. Ludmila:
“Klare eindeutige, vernünftige Formulierungen und Argumente und nachvollziehbare und dokumentierte Tests und Experimente; das sind die Grundlagen der Wissenschaft und nichts anderes. Subjektive Meinungen und Erfahrungen, die man gemacht zu haben glaubt, haben hier rein gar nichts zu suchen.”
Martin Rundkvist bringt es auf den Punkt:
“Ask clearly phrased questions, look at the evidence (quasars, amber bead hoards, census data, Victorian novels), draw clearly phrased rational conclusions, present your work to your peers for scrutiny, see who salutes.”
Soweit so gut.
Mir stellt sich da nun nur folgende Frage: Warum sind diese Wissenschaftskritiker, seien es nun die postmodernen Geisteswissenschaftler, die orthodoxen Gläubigen, oder die geschäftstüchtigen Journalisten so penetrant ihrem Zweifel an der ja eigentlich ethisch so reinen Naturwissenschaft? [1]
Ich habe vor ein paar Wochen endlich Derridas “Die Stimme und das Phänomen” gelesen und meine, hier kann ich mit Derrida zumindestens den Beginn einer Antwort finden. Es ist vielleicht Paradox hier Derrida anzuführen, weil Derrida gerade als Vordenker der Postmodernen gilt, aber ich Denke wir Naturwissenschaftler sollten nicht immer sagen “Ich verstehe die Philosophen nicht, das ist mir zu kompliziert” etc, sondern wir sollten uns ernsthaft mit ihnen Auseinandersetzen, wenigstens mit der Philosophie der Wissenschaften. Es kann uns nur gut tun, wenn wir uns als Wissenschaftler (im Sinne von “Scientists”) die Zeit nehmen, die gegenwärtige Philosophie der Wissenschaften ein wenig zu verstehen. Nun ist Derrida kein Wissenschaftsphilosoph aber es ist extrem hilfreich Derridas kritisches Denken zu verstehen, wenn man Wissenschaft betreibt.
Komme ich also zurück auf die Gläubigen, die Philosophen und die Journalisten … Man mag es nicht glauben, aber es gibt tatsächlich ein gemeinsames Motiv für deren Skeptizismus an den Naturwissenschaften, wenn auch von diametral gegensätzlichen Standpunkten aus: es ist der Glaube.
Man kann für Glauben auch andere Worte finden, zum Beispiel das Vertrauen in etwas, das uns nur unmittelbar Angezeigt wird, dass aber nicht präsent ist und dessen wir uns nicht hundertprozentig sicher sind.
Was nicht Augenblicklich ist, oder was wir nicht direkt in seiner Präsenz erfahren, zB. der Donner im Augenblick des Blitzes, die Klimakatastrophe, ein Schwarzes Loch, ein Quark, von dem Wissen wir nur, weil wir es durch Zeichen vermittelt bekommen.
Wir Wissen vom Donner im Augenblick des Blitzes, weil wir dem Blitz als Zeichen mit hinlänglicher Sicherheit trauen können das bald der Donner folgen wird.
Ich meine, das Ziel von Wissenschaft ist es unser Inventar an Zeichen zu erhöhen denen wir mit hinlänglicher Sicherheit trauen können. Wenn Ingenieure ein Flugzeug entwerfen, dann hilft ihnen kein Glauben, dass ihr konstruiertes Ding schon fliegen wird, sondern, sie müssen über eine Menge an Zeichen verfügen, die ihnen ermöglichen sichere Zukunftsvoraussagen zu treffen. Sie müssen ihren Zeichen auf den Messgeräten trauen können, damit sie ein Flugzeug mit 300 Leuten in die Luft schicken. Der Prozess der dieses Zeichen-Finden bezeichnet ist in erster Linie Erkenntnis, in zweiter Linie wissenschaftliche Erkenntnis.
Jetzt komme ich zu Derrida: Jedes Zeichen existiert nur weil man von seiner Wiederholbarkeit ausgeht. Ein Zeichen repräsentiert etwas, holt also eine Sinneserfahrung, einen Messwert, oder was auch immer aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Ohne die Möglichkeit seiner Repräsentation ist ein Zeichen kein Zeichen. “Ein Zeichen, was nur einmal stattfindet wäre kein Zeichen.” Unsere empirischen Daten sind überhaupt nur da, weil wir sie Aufgezeichnet haben, weil wir uns ihrer in der Zukunft erinnern können und sie dann in einem anderen Zusammenhang benutzen können.
Wenn wir jetzt versuchen, ausgehend von diesen Zeichen, dahin zurückzukehren wo diese Zeichen gegenwärtig waren, dann geraten wir an einen seltsamen Punkt. Die Zeichen entstehen ja erst in jenem Augenblick, wo wir uns der Möglichkeit ihrer Wiederholbarkeit bewusst werden, oder wo wir ihre tatsächliche Wiederholung wahrnehmen. Wenn man so will, dann wird die ganze Gegenwart erst an dem Punkt möglich, wo wir uns der Möglichkeit bewusst werden sie erinnern zu können, also in der Retrospektive.
Dieses Denken von Derrida, das ich hier nur ganz kurz anschneide, hat eine gravierende Konsequenz: Unsere empirischen Daten wären originär nicht von Zeichen zu trennen. In dem Moment, wo wir die Welt wahrnehmen ist sie schon ein System von Zeichen. Das heißt nicht, das es die Welt nicht ohne uns gibt und das die Welt keine originäre Spur in unserer Wahrnehmung hinterließe, aber unsere Wahrnehmung der Welt ist untrennbar und von Anfang an mit der Erfahrung, Erwartung und dem Vertrauen auf (/Glauben an) Wiederholbarkeit verbunden.
Wenn wir Wissenschaft betreiben, dann latschen wir nicht deppert durch die Gegend und merken nach dem fünften Blitz, dass da immer ein Donner dazugehört, sondern wir halten gezielt Ausschau, Zeichnen Dinge fein säuberlich auf weil wir von ihnen erwarten, sie könnten Zeichen sein und machen sie damit gleichzeitig zu Zeichen. Wenn wir Wissenschaft betreiben, dann betreiben wir eine durchs Prinzip der Falsifikation abgesicherte aktive Suche nach der Wiederholbarkeit. Diese Suche und noch mehr das Vertrauen auf die gefundenen Zeichen, ist, weil sie sehr viel Spezialwissen vorraussetzt, für Nicht-Fachleute kaum mehr nachvollziehbar. Wissenschaftliches Wissen ist daher für den Laien eine Frage des Vertrauens (des Glaubens). Ein Flugzeugabsturz und die Explosion eines Kernkraftwerkes stellen dieses Vertrauen in die Wissenschaft für die Nicht-Fachleute möglicherweise grundsätzlich in Frage, für den Wissenschaftler mag es ein Detail im Prozess der Falsifikation sein.
An dieser Stelle kommen für mich die Philosophen, die Journalisten und die Gläubigen wieder ins Spiel. Ich meine, die Philosophen, die Gläubigen und die Journalisten wissen, oder spüren das das Zeichensystem der Wissenschaftler aus einer ihnen eigenen Logik entstammt. Wenn ein Flugzeug abstürzt oder ein Kernkraftwerk explodiert, wenn also ein unerwartetes Ereignis eintritt, dann wird das Vertrauensverhältnis gebrochen und die unterschiedlichen Zeichensysteme werden sichtbar.
Ich meine, das ist kein postmodernes Wischiwaschi, wenn man diese unterschiedlichen Sichtweisen auf die Dinge ernst nimmt. Man muss die unterschiedlichen Positionen von Grund auf ernst nehmen und – man muss sich positionieren gegen die Entwertung der Wissenschaft und gegen blindes Vertrauen.
Was für einen besseren Ort gibt es eigentlich um so etwas zu tun, als zum Beispiel die gute alte Universität. Leider geht die Entwicklung der Universitäten immer mehr dahin, dass ein Austausch zwischen den unterschiedlichen Sichtweisen immer weniger möglich gemacht wird. Welcher Bachelor Physik Student hat heute schon noch Zeit sich in eine Philosophie Vorlesung zu setzen, welcher Theologe in Physik oder welcher Geologe in Theologie?
[1] Ich gehe hier bewusst nicht auf den Begriff Postmodernismus ein, denn ich kenne weder den Hintergrund der Diskussionen innerhalb der Archäologie noch kann ich den Bergriff in diesem Zusammenhang mit etwas konkretem füllen. Ich denke der Begriff Postmodernismus ist in erster Linie ein ideologischer Kampfbegriff, sowohl der Leute die sich Positiv darauf beziehen, als auch der jeweiligen Gegner.
]]>Am Mittwoch war ich wiedereinmal dort und habe in paar Bilder gemacht:
Der wunderschöne Raum mit der Sammlung von Alcide d’ORBIGNY.
Verwaiste Ammoniten im Treppenhaus.
Eine Kopie der Seppenrader Riesenpuzosie.
Eine Vitrine mit viel Platz.
Mammut jugendstilense
Ich hatte ein wenig Zeit bei meinem Besuch dort, bin eine Weile in der Ausstellung umhergelaufen und habe mir Gedanken darüber gemacht warum für mich diese Ausstellung zu den schönsten Paläontologischen Museen der Welt gehört.
Seltsam, dass mir das erst so spät eingefallen ist (obwohl ich doch hier schon einmal darüber geschrieben habe), es ist das Licht. Die meisten Naturkundlichen Museen haben ihre Fenster verdunkelt und verstecken ihre Architektur. Hier ist alles sichtbar, alles Konstruierte, Geschichtliche, jedes Staubkorn, jede Vernachlässigung. Es ist ein Fest der Ästhetik der Objekte und der Schönheit ihrer Masse.
Die wissenschaftlichen Erklärungen stammen aus den 1970igern und sind offenbar ohne jegliche finanzielle oder ästhetische Unterstützung von den Kustoden dort installiert worden. Der Kontrast der vergilbten Schautafeln zu den Objekten schafft eine extreme Spannung zwischen der ästhetischen Exposition und den (selbst ja schon wieder historischen) wissenschaftlichen Deutungsmustern. Wenn das Museum einmal renoviert werden sollte und die Schautafeln modernen Multimedia-Installationen und interaktiven Erklärungen weichen sollten, dann werden diese scharfen Kontraste verschwinden.
Der Paläontologe Jere Lipps war auch begeistert von dieser Ausstellung und schreibt dazu:
“Don’t expect much in the way of educational materials. It remains one of the few old-style museum exhibits where the specimens matter. Indeed, the Gallery captured the attention of the many visitors who seemed amazed by the variety and variation of all those bones” [1]
Als ich mir vor ein paar Wochen hier ein wenig zu dem Thema Gedanken gemacht habe gab es eine kleine Diskussion um die Authenzität. Vielleicht sind es diese Wiedersprüche die in der Pariser Ausstellung sichtbar werden, die so etwas wie Authenzität herstellen. Das ist es ja vielleicht, was wir im Naturkundemuseum suchen.
]]>Für mich ist das durchaus spannend. Johansson hat folgendes Szenario modelliert: Es gibt eine Ressource um die sich jeweils ein, zwei und drei Arten streiten. Die Ressource wandelt sich und die Arten können sich diesem Wandel anpassen.
Dabei zeigte sich, dass die Anpassunggeschwindigkeit stark abnahm je mehr Arten um die Ressource konkurrierten. Zudem wird die Populationsgröße sehr instabil, wenn sich mehr Arten um die wandelnde Ressourcen streiten und das Aussterberisiko steigt.
Man kann also sagen, die Arten wandeln sich intraspezifisch weniger, dafür interspezifisch stärker und dort wo sich Viele um eine veränderliche Ressource streiten erhöht sich das Aussterberisiko der Arten.
Wenn man also akzeptiert, dass es so etwas wie Spezies-Selektion gibt, (Gould und Eldredge (1972) waren die ersten, die dieses Thema in der Evolutionsbiologie seit dem Beginn der Modernen Synthese wieder zur Sprache gebracht haben.) dann bedeutet dies, wenn ich die Arbeit von Johansson richtig verstehe Spezies-Selektion gewinnt in ökologischen Gemeinschaften an Bedeutung wenn sich viele Arten um eine Ressource streiten. Dort gibt es dann häufiger einen kompletten Wechsel am Artinventar, als in solchen Gemeinschaften, wo nur wenige Arten um die Ressource streiten.
Irgendwie scheint es mir so, als ob ich diese Arbeit im Hinterstübchen behalten soll, obwohl mir heute noch nicht so recht einfällt, wo sie mir den ultimativen Geistesblitz verschafft.
]]>Zudem scheint es einen geographischen Faktor zu geben: dort wo mehr getrunken wird, nämlich in Böhmen, sind die Ornitologen weniger produktiv und weniger wissenschaftlich erfolgreich als in der Vergleichsregion Mähren.
Der Autor hat leider die Gender-Dimension unterschlagen. Wie sieht es aus mit dem weiblich-männlich Verhältnis unter den Forschern und wie mit dem Bierkonsum der beiden Geschlechter?
]]>Ich muss zugeben, ich habe geschmunzelt, als ich im letzten Sommer das erste Mal von der Idee gehört habe. Ich mochte die zynischen Umdrehung, die den Asteroideneinschlag nicht mehr als Katastrophe begreift, sondern als Geschenk des Himmels.
Im Mittleren Ordovizium (vor ca. 450 Mio Jahren) kam es irgendwo in der Ferne des Alls zu einem Ereignis mit dem poetischen Namen “L-chondrite-parent body break up”. Als Folge dieses break-ups werden die zahlreichen ordovizischen Asteroitenkrater gedeutet die wir weltweit auf der Erde finden. Wenn wir zum Beispiel von Deutschland ein wenig weiter nördlich nach Schweden und Estland gehen, dann sehen wir, dass die dort ihr Dresden vor rund 450 Mio Jahren hatten. Es gibt dort eine ganze Menge kleinerer und größerer Meteoritenkrater wie z.B. Granby, Lockne, Kardla und Tvaren, um nur einige zu nennen.
Der Zeitpunkt an dem der Asteroidenregen kulminierte koinzidiert nun genau mit dem Zeitpunkt an dem die Ordovizische Radiation ihren letzten und größten Schwung nahm, einem Zeitpunkt als die Biodiversität so stark angestiegen ist wie nie zuvor und erst wieder ein paar Hundert Millionen Jahre später. Hier das Bild aus der Arbeit von Schmitz et al.
Die Autoren argumentieren daher, dass die Einschläge dort die Evolution in Schwung gebracht hätten, weil sie einfach mal ein bisschen durchs Gemüsebeet geackert sind, so richtig ohne Rücksicht auf Verluste. Die Krater sollen ausserdem dazu beigetragen haben die Landschaft zu zersplittern und damit einer größeren Vielfalt Raum zu geben. Aus Ruinen auferstanden…
Es gab ja einen allierten Paleobiologen mit Sinn für Humor und gute Geschichten, der hatte diese Idee schon ein paar Jahre früher, als er argumentierte der Chicxulub Einschlag hätte am Ende der Kreide den zufälligen Überlebenden den großen Big Bang gegeben.
Wenn man allerdings genauer hinschaut, dann ist diese Logik der Erzählung sogar noch älter. Es ist eine von vielen apokalyptischen Geschichten um Katastrophe und Erlösung. Das Verlockende an solchen Geschichten ist ja immer, dass sie sich so unterhaltend erzählen lassen.
Es gibt jedoch ein paar Ereignisse welche von den Autoren vernachlässigt werden und die die ganze Geschichte in ihrer schönen Klarheit im besten Falle fragwürdig erscheinen lassen.
Die Untersuchung basiert auf Daten aus dem baltischen Raum. Im Ordovizium war Baltoscandia ein Kontinent der irgendwo auf der Südhalbkugel rumgedümpelt ist. Am Beginn des Ordoviziums lag er noch ganz weit im Süden, im Mittleren Ordovizium rutschte er dann langsam näher an den Äquator und im späten Ordovizium gab es schon massenhaft Riffe im Baltikum und der Kontinent lag in den Tropen. Der Zeitpunkt des größten Wachstums der baltoskandischen Diversität koinzidiert nun mit einem Zeitpunkt in dem sich die dort abgelagerten Sedimente drastisch ändern, nämlich von deutlichen Kaltwasserablagerungen zu temperierten karbonatischen Ablagerungen. Zudem stieg zu diesem Zeitpunkt der Meerespiegel deutlich an und der besiedelbare Platz auf dem Kontinent erhöhte sich damit drastisch. Genau zu diesem Zeitpunkt nun kulminieren auch noch die Kraterhäufigkeit.
Die sedimentären Ablagerungen des baltischen Kontinents legen einen Zusammenhang des Biodiversitätsanstiegs mit dem des relativen Meerespiegels und dem veränderten Klima weit näher als die Geschichte mit den Asteroiden. Ich bin noch ein wenig auf der Suche nach dem Mythos, der Meeresspiegelerhöhung mit Blüte und Fruchtbarkeit in Verbindung bringt. Mir fällt dummerweise immer nur die Arche Noah ein. Das passt nicht so richtig.
]]>Ich habe den Eindruck, dass im deutschsprachigen mehr Wissenschaftjournalisten über Wissenschaft bloggen, als aktive Wissenschaftler. Das macht ja einen großen Unterschied. Ich stelle mir Wissenschaftsjournalismus in etwa so vor: Die Journalisten graben die Wissenschaftsszene danach ab Themen, Artikel, neue Erkenntnisse etc zu finden, die sie dann in ihr Produkt umwandeln können. Die Motivation die dahinter steht ist sicherlich eine bestimmte inhaltliche, ethische, politische etc., Wissenschaftsjournalismus muss aber immer ein breites Publikum erreichen und Wissenschaft ins Populäre übersetzen (nicht das er dabei immer populär sein müsste). Monikas Zitat zielt darauf ab:
Will ich das? Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Klar fände ich gut, dass viele Leute meine Beiträge spannend finden. Wenn ich es mir aber zum Ziel mache, meine Arbeit dem breiten Publikum zu übersetzen mache ich Wissenschaftsjournalismus. Ich bin aber Wissenschaftler und habe nur ein begrenztes Interesse daran, sagen wir die „Ordovizische Radiation“ jemandem beizubringen dem „Ordovizium“nichts sagt. Meine Leserschaft wird daher immer recht klein bleiben. Für mich stellt sich tatsächlich jedes Mal wenn ich einen Beitrag schreibe die Frage, was ich damit will. Meiner wissenschaftlichen Karriere ist es vermutlich nicht förderlich, die wird nach Anderem bemessen, und davon hält mich mein bloggen eher ab.
Was will ich also? Und um auf Beatrices Frage zu kommen: Wann, meine ich, habe ich einen guten Artikel geschrieben?
Für mich ist das Bloggen in erster Linie ein Mittel Aspekte meiner wissenschaftlichen Arbeit zu kommunizieren, die im wissenschaftlichen Vortrag, im Paper nichts zu suchen haben. Wenn ich einen biologischen Artikel über Tarnung lese, und mir dabei eine Geschichte von Ingo Schulze einfällt einfällt, oder ich über die Muskelansätze primitiver Cephalopoden forsche und ich an Vlussers Buch denken muss, dann gibt es dafür den Raum in meinem Blog. Genauso, wenn es darum geht den Sinn und Unsinn der Citation Indizes zu diskutieren. Einen Artikel finde ich gut, wenn es mir inhaltlich, sprachlich und mit schicken Links gelungen ist selbst beim Schreiben etwas dazu zu lernen. Noch besser fände ich, wenn es Leute antickt und die das mitteilen und es zu einer Diskussion kommt. Ein verlängerter Cafetisch sozusagen.
Einen Blogger der das so ähnlich (und viel professioneller) macht ist zum Beispiel der Evilutionary Biologist. Was Anderes ist zum Beispiel PZ Myer, der kommt mir eher vor wie ein embedded Wissenschaftsjournalist (was auch nicht schlecht ist).
Ich bin nun bei jedem Artikel gezwungen, und umso mehr, als ich ja jetzt auf Scienceblogs bin, was ein kommerzielles Projekt ist, nachzudenken inwieweit ich Wissenschaftsjournalismus betreibe, oder sagen wir einfach mal einen Beitrag über meine Verfassung nach nem Marathon reinstelle. Es geht auch um die Frequenz des Bloggens. Ich habe nicht alle drei Tage etwas was ich unbedingt schreiben müsste.
Ich für meinen Teil bin noch dabei einen guten Mittelweg zwischen Wissenschaftsjournalismus und Cafetisch zu finden. Ich habe den Eindruck Ludmila Carone geht es ganz ähnlich. Ich finde es allerdings immer noch schade, dass es so wenige Kollegen gibt die bloggen. Bloggen ist für mich ein wissenschaftspolitisches Instrument und ich bin jedes Mal begeistert wenn ich sehe wie es da drüben abgeht, wie demokratische Wissenschaftskultur praktiziert wird (bei dieser Diskussion zum Beispiel). Das ist für mich auch ein Qualitätsmerkmal; ein Bloggen, dass zum sich einmischen anregt. Es gibt viel zu viel Wissenschaftsjournalismus und viel zu wenige öffentlich diskutierende Wissenschaftler. Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, das ist ein deutsches Phänomen.
]]>Worum ging es? Ich habe alle mir zugänglichen Literaturzitate zusammengetragen in denen dokumentiert ist, wo und in welcher Schicht ein ordovizischer Cephalopode gefunden wurde. Vor mir hat das mein werter Kollege Theo Engeser schon seit ungefähr 15 Jahren getan. Das Problem war nur, diese Daten lagen in per Hand geschriebenen html-sheets vor, die statistisch nicht verwertbar waren (sie sind vielleicht bald hier im Netz zu finden). Ich habe die Daten in eine Datenbank übertragen und auf den aktuellen Stand gebracht. Jetzt habe ich ca. 5000 Datensätze. Das heißt 5000 mal wurden ordovizische Cephalopoden gefunden und mit Art und Genusname versehen und dokumentiert. Das sind jedoch nicht alle Funde, es fehlen die chinesischen. Yunbai Zhang aus Nanjing wird das hoffentlich in den nächsten Wochen schaffen.
Damit kann ich nun zum erstenmal die globale Diversitätsentwicklung der Cephalopoden während dem Ordovizium abschätzen. Das ist ein extrem wichtiger Puzzlestein für das Verständnis der Ordovizischen Radiation, da die Cephalopoden damals an der Spitze der Nahrungskette standen. Sie waren die größten Tiere und viele von ihnen waren Räuber.
Natürlich habe ich heute morgen gleich mal die ersten Daten berechnet. Das geht schnell, dank der wunderbaren Software von Steve Holland mit der ich eine standartisierte Diversitätskurve berechnen kann. Die Methode nennt sich Rarefaction und man kann sich das in etwa so vorstellen, dass aus meinen Daten für jede Zeiteinheit zufällig eine feste Anzahl von Funden gelost wird mit denen dann die Diversität brechnet wird. Schnell ging auch die erste Berechnung anderer Maße zur Diversiätsabschuatzung mit dem Programm EstimateS.
(Wer sich einen Überblick über die biologischen Methoden der Diversitätsberechnung verschaffen möchte, dem sei unbedingt Anne Magurrans Measuring Biological Diversity angeraten.)
Die nächsten Wochen werden also spannend für mich, weil ich jetzt die Daten endlich beginnen kann auszuwerten. Eins zeichnet sich schon ab: Die Diversitätsnentwicklung der ordovizischen Cephalopoden ist sehr speziell. Es gab bereits im untersten Ordovizium eine sehr rasche Radiation der Genera und dann hielt sich ein gewisses Niveau bis zum späten Ordovizium. Es gibt jedoch vermutlich keinen klaren Diversitätsanstieg an der Wende Mittel- Oberordovizium, wie das von anderen Organismen bekannt ist.
Gut, darüber sollte ich ein anderes Mal schreiben. Jedenfalls lag ich den Nachmittag über, wie es sich gehört in Lille im Park in der Sonne und es fühlte sich an, wie nach einem Marathon.
]]>Ja, es gibt wirklich gute paläontologische Fachzeitschriften in Deutschland, manche schon seit 150 Jahren. Und die die Editoren machen ein wunderbaren Job, die Qualität der Artikel hoch zu halten (meine zB.). Es gibt ein funktionierendes peer-review System und die Autoren in diesen Zeitschriften kommen von überall in der Welt. Schließlich wird auf Englisch publiziert. Es gibt die Palaeontographica mit ihrer unübertroffenen Abbildungsqualität. Ja, und wenn man die ISI-Zitationsraten gut findet, dann kann man da nachschauen und findet, dass die deutschen Pal-Fachzeitschriften gar nicht so schlecht dastehen: Von den 36 dort als paläntologisch eingestuften Zeitschriften hat das Neue Jahrbuch den Platz 10, die deutsche Spitze, gefolgt von Palaeontographica A auf Platz 15 und der Paläontologischen Zeitschrift auf Platz 22 .
Nur: Man findet diese Zeitschriften nicht im Netz. Ich verlinke diese Zeitschriften hier jetzt nicht. Weil, das würde gar keinen Sinn machen. Im Netz sind diese Zeitschriften nur als antiquierte Inhaltsverzeichnisse präsent, die allesamt im Jahr 2006 enden. Man findet also meine aktuellen Artikel dort nicht und im ganzen Netz nicht. Jemand der also etwas zu einem Thema sucht, worüber ich gerade erst geschrieben habe, wird das durch Internetdienste nicht finden.
Schwerfällig sind die Zeitschriften also nicht innendrin, sondern als Container. Ehrlich gesagt ist das für mich in ein größerer Hinderungsgrund nicht in diesen Zeitschriften zu publizieren als irgendein ISI-Wert. Gerade arbeite ich an einer Uni mit einer kleinen Bibliothek im Haus. Ich kann nicht wegen jedes Artikels durch die Stadt gurken und zur Hauptbibliothek fahren, um in den Artikel zu schauen, sondern bin darauf angewiesen die von der Uni bzw. dem CNRS bezahlten Service von Sciencedirect, Bioone oder Jstore zu nutzen. So geht es vielen Wissenschaftlern, die erwähnten deutschen Zeitschriften gibt es darin nicht.
Nun fällt auf, dass alle hier erwähnten Zeitschriften bei dem altehrwürdigen Stuttgarter Schweizerbart erscheinen. Dessen Homepage stellt sich so dar. Fällt einem da noch was ein?
]]>
Ich rede vom Zoologische Museum in St. Petersburg, dem Museum mit dem Wal und dem Walross mit der Narbe, zu sehen im Header von “tiefes leben”.
Das Bild ist nun schon beinah 2 Jahre alt, das Museum wird aber sicherlich seinen Charme
bewahrt haben. Die Zeit tickt ja langsamer an solchen Orten, und ich
empfehle unbedingt an, es zu besuchen. Es ist eine seltsame Mischung
von unprätentiöser, öffentlich-gemachter Universitätssammlung,
russischer Megalomanie und Kitsch. Unten am Eingang gibt es keine
T-Shirts von Mammuten und Walen, sondern Plastikikonen und Bilder von
Putin und vom Väterchen Zar.
Megalomanisch ist auch das Petersburger Museum des VSGEI.
Hierhin verirrt sich selten ein Besucher. Dabei gibt es dort wirklich was zu sehen. Das war die größte Mineraliensammlung die ich je in meinem Leben gesehen habe. Die sowjetischen Geologen haben dort Stücke noch vom letzten Zipfel der ehemaligen SU zusammengetragen. Man bekommt einen Eindruck vom gigantischen Reichtum und der unendlichen Weite des Landes.
Aber es gibt vergessenere St. Petersburger Paläontologischen Museen, die KAFEDRA ist eine davon. Dabei ist die Sammlung historisch extrem wichtig und interessant. Mein Kollege G. Kiselev, arbeitet an der Uni, und da sieht es noch ein bisschen trauriger aus.
Ich frage mich manchmal ob der Bär da hinten in der Vitrine nachts die Kiste Belomorskanal geschmökt hat, oder wer das war..
Und dem schönen Stuck.
Hier ist das ganze Bild.
Wer genau hinschaut sieht auch wo es aufgenommen worden ist.
Hier hier nocheinmal ein Detail von der traurigen zahnlosen Robbe.
Woher das Bild stammt verrate ich erst am Montag. Vielleicht kommt aber schon jemand vorher darauf.
Die Bilder hab ich im vorletzten Jahr im Upstate New York aufgenommen und zeigen oberkambrische Stromatolithen und meinen Kollegen Ed Landing vom New York State Museum in Albany.
Zwei Sachen sind bemerkenswert auf den Bildern:
1. Ed, der ist nämlich State Paleontologist of New York. Ja, so etwas gibt es. Staatspaläontologe, klingt gut oder? Ed hat an einigen Stellen im Upstate so etwas ähnliches wie hierzulande die Geotope eingerichtet. Und man kann da jetzt Parken, seinen Burger auspacken, ne Cola schlürfen und sich nebenbei die Stromatolithen angucken.
2. Die Stromatolithen: Den Stromatolithen wird nachgesagt, die grösste, auf der Erde je stattgefundene Klimakatastrophe ausgelöst zu haben. Sie haben nämlich die archaische Methanwelt umkippen lassen durch den Sauerstoff, den sie wie wild produziert haben. Seit zweieinhalb Milliarden Jahren gibt es eine Sauerstoffatmosphäre. Es wird vermutet, das die Ausscheidungen der Stromatoliten wesentlich zu den grossen archaischen Vereisungen (Snowball Earth) beigetragen haben….
Auch in Deutschland kann man Stromatolithen finden. Zum Beispiel am Heeseberg bei Jerxheim in der Nähe von Braunschweig (übrigens ein Geotop), dort sind sie 240 Millionen Jahre (Buntsandstein, Trias) und am Thüster Berg bei Salzhemmendorf in Niedersachsen. Die sind aber wesentlich jünger, nur 125 000 000 Jahre alt (aus den Münder Mergeln, Malm, Oberjura) .
Seltsam, wie sich die Dinge manchmal fügen. Auf das Skulason Buch habe
ich seit Wochen gewartet, bis ich es vor ein in paar Tagen im
Briefkasten fand. Von Sean Penns Film habe ich erst am Donnerstag in der
Zeit gelesen und gedacht, dass ich ihn unbedingt sehen muss. Gestern
nun Beides an einem Tag im Jänner.
Vielleicht erinnert sich der/die ein
oder Andere noch an mein Posting vom Rascheln im Walde. Da habe ich ein
wenig meine heimatliche Naturerfahrung reflektiert und meine
Verstörungen die mir zum Jahreswechsel auffielen beschrieben. Die
Unberührtheit, Reinheit, Kraft und auch Geborgenheit die mir meine
heimatliche Landschaft bei langen Spaziergängen zu schenken pflegt
stellte sich beim letzten Besuch nicht recht ein.
Ich liebe es
im Winter in den See zu hopsen, mir den kalten Wind um die Nase wehen
zu lassen und mich so einem Lenz’schen Gefühl von “ins All
hineinwühlen” zu ergeben. Wer mag das nicht.
Per Skulason hat
dazu ein wunderbares Essay geschrieben. Er steht am Lake Askja, nachdem
er gerade aus Paris zurückgekommen ist, und lässt sich von der Stärke
seiner isländischen Natur überwältigen.
“I found myself in a
unique and independent world, the Askja-world, a clearly-delimited
whole that embraced everything and completely filled the mind, so that
one had the sense of having encountered all of reality, past, present
and future. Beyond the horizon lay an unknown eternity..”
Das
ist es, was Chris in der Wildnis von Alaska in seinem Bus fand am Ende
seines Wegs into the Wild, Wirklichkeit. Die hat er ganz offensichtlich
gesucht und gebraucht, um sich selbst zu erkennen. An ihrer
Unbarmherzigkeit ist er letztlich zu Grunde gegangen.Skulasons Essay
und Penns Film könnten nicht besser zusammenpassen.
In unserer
alltäglichen Welt, der chaotischen, schnellen Welt der Einkaufstraße
der Rue de Bethune hier in Lille zum Beispiel, in unserem beinah
flüssigen Alltag zwischen commuting, shopping, jogging, jobbing sehen
wir kaum mehr den Himmel, die Natur verschwindet. Wir lassen die Natur
täglich verschwinden, indem wir die Grenzen zwischen dem von uns
Geschaffenem und der von uns unabhängigen, unbarmherzigen Welt mehr und
mehr diffundieren. Es scheint beinahe kein “da draussen”, keine Natur
mehr zu geben.
Skulason schreibt “Perhaps human life has
become vacuous, because the relation of confidence between man and
nature has broken down.”
Das ist alles andere als trivial,
schliesslich denken wir, weil wir uns darauf verlassen, dass es “da
draussen” Dinge gibt, denen es lohnt einen Namen zu geben, weil sie
morgen noch da sein werden. Und wir sprechen, indem wir die Dinge die
wir (wieder) erkennen mitteilen.
Nichts anderes hat Chris erlebt,
als er am Ende versucht sich seiner Lebendigkeit zu vergewissern indem
er manisch durch den Wald kriecht, jedem Ding einen Namen gebend. Die
Verwechslung eines Namens führt schließlich zu seinem Tod. Nach
Skulason kann man Into the Wild als große Parabel sehen.
Into
the Wild ist aber auch ein Film über die Liebe. Das Lenz’sche “sich ins
All wühlen” ist ja etwas worin man sich absolut allein fühlt.
Vielleicht das Urgefühl von Allein-sein überhaupt. Nur die Rückkehr zu
Freunden und Geliebten denen wir das Erlebte mitteilen können macht
unsere Erfahrungen am Edge of Askja, in den Bergen von Alaska, oder auf
einem Mecklenburgischen Feld überhaupt erträglich
Man nennt diese falschen Plattwürmer, die Acoela und Nemertodermatida und sie werfen auf unser Verständnis von der Evolution der Tiere ein ziemlich neues Licht. Wie Baguñà et al und Hejnol & Martindale jetzt zeigen ergibt sich durch diese neuen Erkenntnisse ein neues Bild von dem, was man als das erste Tier bezeichnen kann, dem Urbilateralia.
Es gibt schon lange zwei Hypothesen, wie das erste Tier ausgehen haben könnte. Die einen haben gesagt die primitivsten Tiere entwickelten sich aus sexuell reproduzierenden, einfach organisierten, pelagischen Organismen, die ähnlich aussahen wie die Planula-Larven der Cnidaria (Nesseltiere, u. A. Korallen, Quallen). Die ersten Tiere wären demnach einfache, wurmähnliche unsegmentierte Tiere [zB. 2].Die anderen meinten, die primitivsten Tiere waren segmentiert, wurmähnlich, bereits komplex organisiert und entwickelten sich aus radial organisierten Cnidarien [3] Die erste Theorie nennt man Archicoelomaten oder Komplexe Urbilateralia Theorie, die zweite Planulid-Acoelid, oder Einfache Urbilaterialia Theorie.
Man kann sich leicht vorstellen, dass die scheinbaren Plattwürmer, die nun an die Basis des Tierstammbaumes gerutscht sind einige Bewegung in diese Theorien gebracht hat und das derzeit die Einfache Urbilateralia Theorie von vielen favorisiert wird, die annimmt, dass die ersten Tiere als kleine wurmähnliche Kreaturen auf dem Meeresboden herumkrochen.
Warum ist das nun alles so furchtbar wichtig? Weil es die Kambrische Explosion gab. Weil die Tiere plötzlich in den Sedimenten auftauchen und sich die Welt mit dem erscheinen der Tiere radikal verändert hat. Man möchte wissen ob die Tiere in einem kurzem Zeitraum erschienen, was die Ursache war, dass sie auftauchten, und woher sie kamen. Das ist eine große Frage. Warum wurde die Erde, so wie wir sie heute kennen mit all den Insekten, Schnecken und uns Menschen..?
War es das Klima, das den Tieren die Türen geöffnet hatte, oder der Sauerstoff in der Atmosphäre? Waren es einzigartige, kontingente Kaskaden auf molekularbiologischer Ebene, die die Phantasie der Evolution beflügelten? Waren es die morphologische Innovationen der Urbilateralia? Waren es vielleicht ölokogische Veränderungen in der Zusammensetzung des Planktons?
Hier kommen die Paläontologen ins Spiel.Es gibt zwei prinzipielle Möglichkeiten, die zeitliche Abfolge der Ereignisse die zum Erscheinen der Tiere führten zu rekonstruieren. Die Eine ist die Berechnung der molekularen Veränderungen in der Zeit, die Andere das horizontierte gezielte neue Sammeln von Fossilien. Zu beidem benötigt man Paläontologen, weil auch die molekularen Uhren anhand von Fossilien geeicht werden müssen
Es gibt daher in dem Sonderband der Philosophical Transactions zwei Aufsätze, die sich explizit mit der fossilen Überlieferung des Ursprungs der Tiere befassen.
Peterson et al. liefern einen up-to-date Vergleich molekularbiologischer und paläontologischer Daten zum zeitlichen Ablauf des Erscheinens der Tiere. Der Vergleich macht wahrscheinlich, dass die Urbilateralia und die ersten Protostomier und Deuterostomier in dem Zeitraum vor 700-620 Mill. Jahren enstanden, also im Ediacarium.Die Kambrische Explosion, das auftreten des Großteils aller heutigen Tierstämme fand etwa hundert Millionen Jahre später statt.
Diese Daten werdem im wesentlichen von Budd bestätigt, der den aktuellen Fossilbericht bespricht. Demnach gibt es erste Hinweise auf planktonische metazoen-artige Lebewesen seit etwa 635 Mill Jahren.Erste Spurenfossilien, die auf mobile kriechende Tiere hinweisen und erste fossile Tiere mit mögliche Organen (triploblastische Tiere) seit 555 Mill. Jahren. Das Kambrium beginnt vor 542 Mill Jahren und erst im Kambrium begann die große Radiation der Tiere.
Nichtsdestotrotz ist ein Zeitraum von Hundert Millionen Jahren für die Enstehung all der großen Tiergruppen Atemberaubend schnell wenn man sich vorstellt das in den 3.5 Milliarden Jahren vorher und den 500 Millionen Jahren nachher nichts, bzw. sehr wenig passiert ist was die Entstehung neuer Organismenstämme betrifft.
Im Vergleich mit vor zehn jahren sind wir also ein ganzes Stück weiter, wir wissen nun, dass die Entstehung der Tiere tatsächlich sehr rasch vonstatten ging. Diese Entstehung verlief kaskadenartig wie gerade von Bing Shen et al gezeigt wurde. Die Welt des Ediakarium war eine zwei dimensionale Welt mit kleinen platten Organismen die auf dem Meeresboden umher krochen (eine Plattwurm Welt?) die im krassen Kontrast mit der Welt des Kambrium steht in dem es aktive Tiere gab die schwammen, gruben und krochen.
Die Entwicklung der Vielfalt der Arten scheint dabei oftmals nicht einfach an die Entwicklung der morphologischen Vielfalt gekoppelt. Das wird als Hinweis darauf gesehen, dass die Entwicklungen die zum Erfolg der Tiere führten nicht eine einfache Konsequenz verbesserter physischer Umgebungsparameter (Stichwort Sauerstoff, biochemischer Kaskaden auf molekularbiologischer Ebene, oder eine simple Konsequenz morphologische Innovationen der Urbilateralia waren. Vielmehr muss angenommen werden, dass das komplexe Zusammenwirken physischer Veränderungen auf der Erde, molekulabiologischer Prozesse und ökologische Veränderungen einmalige Voraussetzungen boten damit ie Geschichte der Tiere ins Rollen kam.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir eines Tages verstehen können, welches diese Wechselwirkungen im Konkreten waren. Ein bisschen haben wir schon damit angefangen. Zumindest wissen wir nun beinah schon sicher, wie das erste Tier ausgesehen haben mag und wann es gelebt hat, so jedenfalls stellen es sich Hejnol & Martindale vor:
]]>Fangen wir also an: Es ist nun mittlerweile schon zehn Jahre her, als durch molekularbiologische Arbeiten und die neue Kunst der evo-devo eine radikale Veränderung in dem Blick auf die Evolution der Tiere einsetzte und mit der ‘new animal phylogeny’ begonnen wurde neu zu schreiben. Damals tauchten bis dahin unbekannte Tiergroßgruppen mit solch unausprechlichen Namen wie Ecdysozoa und Lophotrochozoa auf (zB. Adoutte et al. 1999, Aguinaldo et al. 1997).
Telford et al. geben nun eine up-to-date review der Ecdysozoa, der sich häutenden Tiere (Insekten, Spinnen, Krebse, Nematoden und Priapuliden gehören u. A. dazu) und tragen eine überwältigende Zahl von Argumenten zusammen, die zeigen, dass die Ecdysozoa von einer gemeinsamen Urform abstammen, einem vermutlich segmentierten wurmartigen Tier.Die Ecdysozoa sind mit Abstand die artenreichste Gruppe der Tiere, trotzdem ist die morphologische Vielfalt recht begrenzt. Warum das so ist bleibt ein spannendes Forschungsfeld.
Giribet liefert den Überblick über den Stand der Forschung bei den Lophotrochozoa zu denen die Anneliden, die Brachiopoden, Bryozoen und Mollusken gehören. Auch wenn die Mollusken zu den artenreichsten Tierstämmen gehören ist doch das Besondere an ihnen, wie an vielen anderen Lophotrochozoa, ihre enorme morphologische Vielfalt. Trotz dieser morphologische Vielfalt ist eine Stammbaumrekonstruktion nicht einfach und die Dinge liegen komplizierter als bei den Ecdysozoa
Ecdysozoa und Lophotrochozoa sind Protostomier (zur Schwestergruppe, der Deuterostomier siehe unten) und man könnte sagen, es gibt bei den Protostomiern die Ecdysozoa und alle anderen sind Lophotrochozoa.Es gibt bei den Lophotrochozoa zwei große Gruppen, die Trochozoa zu denen alle Tiere mit einer Trochophora-Larve gehören (also zB. die Anneliden und Mollusken) und wiederum alle anderen. Letzteren gibt man den Namen Platyzoa, die Plattwürmer gehören dazu. Ob nun die Gruppen in denen sich die hier mit “alle anderen” bezeichneten Tiere befinden tatsächlich jeweils von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, ob sie also monophyletisch sind, ist umstritten. Interessant ist, dass beinah alle wichtigen Vertreter der Trochozoa fossil bis hinein ins Kambrium gefunden wurden, Vertreter aus der Gruppe mit den Plattwürmern jedoch bisher fehlen.
Schade eigentlich, weil gerade diese Tiergruppe gerade ins Flutlicht der jüngsten Untersuchungen gerückt ist da sie zur Klärung der Verwandschaftsverältnisse innnerhalb der Lophotrochozoa beitragen könnte. In der statistisch-molekularbiologischen Untersuchung von Lartillot und Philippe zeigt sich das auf eindrucksvolle Weise. Dort sind Giribets Trochozoa und Platyzoa nur schwach gestützt und die Plattwürmer clustern in einem Fall zusammen mit den Annelida. Man kann also nur sagen: Paläontologen, sammelt Plattwürmer!
Swalla & Smith nehmen sich den Deuterostomen an. Wir sind Deuterostomer, zusammen mit den Seegurken und Seeigeln, Hemichordaten und Tunikaten. Es sieht so aus, dass die Deuterostomen als eine monophyletische Gruppe akzeptiert sind. Zwei große Deuterostomen-Gruppen werden von Swalla & Smith anhand der Larvalmorphologie unterschieden: die Xenambulacraria (mit u. A. den Echinodermen und Hemichordaten) und die Chordata (mit u. A. den Tunikaten und Vertebraten). Smith ist Paläontologe und Daten aus der fossilen Überlieferung haben daher in dieser Arbeit ein schweres Gewicht, zumal viele Deuterostomier recht gut überliefert sind. Die kambrischen Deuterosotmier tragen allerdings eher dazu bei die basalen Verästelungen und phylogenetischen Erklärungsmöglichkeiten zu verwirren. Trotzdem, oder gerade deshalb favorisieren die Autoren vorsichtig einen filtrierenden, bodenbewohnenden Wurmartigen mit Kiemenschlitzen, ähnlich einem modernen Eichelwurm als letzten gemeinsamen Vorfahren der Deuterostomen. Diese Interpretation schein durch die Daten von Lartillot und Philippe gestützt.
Die Arbeiten in ihrer Gesamtheit zeigen ein eindruckvoll detailliertes, wenngleich in Details noch widersprüchliches, Panorama der Evolution der Tiere. Unser Ort in diesem wildverzweigten Baum kann zunehmend genauer bestimmt werden.
]]>Denn Parapuzosia seppenradensis mit einem erhaltenem Durchmesser von 2.03 m (und geschätztem Gesamtdurchmesser von mehr als 3 m) aus dem Naturkundemuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist der größte Ammonit.
Ich dachte ja immer mit dem größten Ammonit verhält es sich so wie mit dem Mittelpunkt Deutschlands, alle wollen ihn haben, aber irgendwie ist er doch nirgends zu finden. Aber ich habe jetzt an verschiedenen verlässlichen Quellen gelesen, dass er es tatsächlich auch ist.
Vor ein paar Jahren ging die Meldung um, der größte fossile Nautiloide der Welt mit einer Länge von 3 m sei im Karbon des schönen Arkansas gefunden worden. Doch dieses Bildchen hier belehrt einem Besseres:
Schon im Ordovizium gab es Nautiloideen mit einer Länge von weit über drei Metern. Aber vielleicht ist die Bezeichnung “groß” für den Arkansas-Nautiloid auch nur ein Euphemismus für “dick”.
So etwas wirft natürlich die Frage auf, warum diese Tiere so groß und dick geworden sind. Krankhafte, hormongesteuerter Riesenwuchs wurde voreilig bei der Arkansas Riesenpommestüte angenommen (hier darf frei assoziiert werden) und auch schon bei der Seppenrader Nebenpuzosie vermutet.
Die Sache liegt aber anders, wie hier bei Helmut Keupp nachzulesen ist. Große Ammonitenarten gab es hin und wieder, und zwar immer dann, wenn das Meer weit über die Schelfe reichte und zwar kamen sie dann bevorzugt im flacheren Wasser vor. Auch die gigantischen Ordovizischen und Karbonischen Nautiloideen kommen in eher flacheren Gewässern vor. Das ist also ganz anders als bei den modernen Riesentintenfischen, die es ja eher in der Tiefsee gibt.
Wir groß Tiere werden ist ein faszinierendes Forschungsfeld. Man muss sich vorstellen, dass die Größe eine Funktion von Lebensalter und Wachstumsgeschwindigkeit ist. Beide Parameter sind ökologisch extrem komplex verwoben.
Man weiß seit einiger Zeit, dass je länger eine Tiergruppe existiert desto größere Arten hervorbringt. Dieser als Copes Rule bezeichnete Trend ist ziemlich klar ein Ergebnis der Selektion. Größere Tiere sind nämlich meistens den kleineren Überlegen wenn es um den mittelfristigen Fortpflanzugserfolg geht [1, hier frei]. Keupp vemutet folglich, dass der Riesenwuchs bei den Ammoniten direkte Konsequenz einer räuberischen Eskalation in den dicht besiedelten Flachwassern war.
Eigentlich müßte man sich daher nun Fragen warum so viele Ammoniten überhaupt so klein sind. Aber das ist vielleicht eine Frage, die dann mit dem nächsten Fossil des Jahres aufgeworfen werden könnte z. B. mit dem süßen kleinen Urpferdchen von Messel.
]]>Ich nahm diese Gegend mit ihren Wäldern, Seen und hügeligen Feldern immer als meinen persönlichen Rückzugsort war, als einen Ort der blieb wie er war wenn sich alles in meinem Leben änderte, als einen sicheren Ort. Das hat sich in diesem Jahr geändert. Vielleicht begann meine veränderte Wahrnehmung schon einige Jahre zuvor. Seit ein paar Jahren fliege ich auf dem Erdball herum. In den letzten beiden Jahren war ich zweimal in Ostasien, arbeitete in den USA, durchkreuzte Europa bis in die letzten Winkel. Dabei blicke ich natürlich aus dem Fenster und sehe die Landschaften unter mir dahingleiten, sechs Stunden einmal quer über Sibirien, fünf Stunden Atlantikwellen, anderthalb Stunden die Ostsee entlang, fünf Minuten schon im Landeanflug die Brandenburger Seen…
Die Landschaft beginnt zu schrumpfen, fragil und verletzlich zu werden. Wenn ich jetzt durch die Wälder streife, dann muss ich an die Jets über mir denken. Im letzten Sommer bin ich zum ersten Mal die neue A20 Autobahn von Prenzlau bis nach Stralsund entlang gefahren und war erschrocken und begeistert zugleich wie Gegenden, die als fest gefügte, entfernte, stabile Orte in meiner inneren Geographie existierten plötzlich in Google-Earth-Perspektive an mir vorbeihuschten: das Uckertal, die Brohmer Berge, die Helpter Berge, die Tollense, die Peene…Die Seen liegen nun nicht mehr unveränderlich in Brandenburg und Vorpommern, sondern in der Welt, irgendwo auf der Durchreise zwischen Berlin und Stockholm, oder zwischen Hamburg und Warschau. Dadurch verlieren sie in meinen Augen an symbolischer Stärke. Aus dem Ort der Heimkehr wird mein persönlicher recreational park.
Ein anderer Aspekt: Der Schnee, das Eis. Es gehört für mich in mein Heimatuniversum, dass ich in den Seen im Sommer baden gehe und im Winter darauf Schlittschuh laufe. Im letzten Frühjahr wurde diese Grafik veröffentlicht (für mich die wichtigste Veröffentlichung des letzten Jahres, hier ist der link )
Sie zeigt den Trend globalen atmosphärischen Ce-O-zwei über die letzten hunderttausend Jahre. Das ist meine A20 durch die Zeit. Durch meine Arbeit als Paläontologe sehe ich sozusagen täglich wie veränderlich scheinbar statische Landschaften und Ökosysteme sind wenn wir den Zeitrahmen erhöhen in denen wir sie betrachten und wie tatsächlich schnell es gehen kann dass sich die Welt radikal verändert (in menschlichen Maßstäben von Zehnern von Jahren). Wenn ich fossile Ökosysteme im Ordovizium vergleiche, ist es ständig so als flöge ich von Kapstadt nach Moskau. Meine heimatlichen Seen sehe ich aus dieser Perspektive als interimistische Pfützen – und der Schnee, wer weiß was mit dem in ein paar Jahren ist, wenn das nicht allzu unwahrscheinliche Szenario einer globalen Temperaturerhöhung um drei bis sechs Grad eintritt.
Bei meinen Spaziergängen vor ein paar Tagen versuchte ich immer mein altes Gefühl von Geborgenheit in dieser Landschaft zu reaktivieren, aber es es stellte sich schwerlich ein. Die Veränderungen in der großen Welt und in mir legten sich wie ein Hintergrundrauschen unter das Rascheln im Walde.
(PS. Das schöne Bildchen vom Stechlinsee am 24.12.2007 wurde von Anja Küchler geknipst, Danke)
]]>An der Metro Station Lille Beaux-Arts hat man Urgon-Kalke (Unterkreide, ca. 140-145 Mio Jahre alt) verabeitet in denen es von Schnecken und Muscheln wimmelt.
Die Kalke stammen vermutlich aus dem Süden von Frankreich, dort lag damals die flache warme Küste des Tethys-Meeres.
der Bahnhof Lille-Flandres gibt sich etwas heller. Hier wurden weiße mikrobialitische Kalke verbaut in denen stellenweise Austern und Schnecken sehr häufig sind.
Das Gestein stammt aus einer tropischen Lagune, ich weiß nicht aus welcher Gegend vermute aber das es auch Unterkreide-Alter hat und irgendwo aus dem Süden Frankreichs angefahren wurde.
Es ist vielleicht doch gar nicht so unwichtig. Wenn wir uns bewußt sind wie sehr die Welt um uns herum schon seit Millionen von Jahren vom Leben geprägt ist, dass das Leben dieser anderen Zeiten über all seine Spuren hinterlassen hat, überall tote Tiere herumliegen die davon Zeugen, dass wir Menschen erst seit kurzem hier auf der Welt sind, dann merken wir, wie vergänglich unsere als so statisch erlebte Umwelt tatsächlich ist. Was, wenn das Grönlandeis schmilzt? Im Karbon gab es noch kein Grönland, und in der Unterkreide war es dort gemütlich warm. Den Austern hat es gefallen.
]]>Ich weiß nicht ob dieser Blick auf die Natur etwas spezifisch Deutsches ist. Es gibt auf jedenfall in Deutschland einen ganz eigenen Diskurs um unsere “Blühenden Landschaften”, den “Sauren Regen”, und den Wald, und es gibt eine lange konservative Tradition der Öko-Bewegung in Deutschland – vielleicht liegt dort sogar ihr Ursprung – die sich auf das Naturschöne beruft.
Ich habe das Buch auf diesen Problemkreis hin gelesen und sicherlich kreist das Buch auch immer wieder um dieses Thema. Eindeutige Antworten auf die Frage, was das spezifisch Deutsche sei, oder woher der romantisierende Blick kommt, liefert Blackbourn jedoch nicht, das will er ganz offenbar aber auch nicht. Er erzählt mäandrierend die komplexe Geschichte der Urbarmachung der Moore in Preußen und der Begradigung des Rheins in Baden und später in Deutschland. Er erzählt von dem Hunger nach Urbarmachung und Einverleibung von Land in Staat und Ökonomie und der stets auf die Einverleibung folgenden Sehnsucht nach den vergangenen, “unberührten” Welten.
Die drastischen Veränderungen der Landschaft durch die Industrialisierung erzeugen Sehnsucht nach dem Vergangenem und laden dazu ein das Alte als das Urtümliche zu sehen. Auch wenn es hierzuland keinen Fleck Landschaft gibt, der unberührt ist. Blackbourn zeigt das manchmal mit Humor. Wenn er zum Beispiel den Maler Otto Modersohn zu Wort kommen lässt, der bei dem schönen Anblick einer Brücke über einen Kanal im Moor im Oldenburgischen, verzückt in sein Tagebuch schreibt, dass die Natur doch unserer Lehrerin sei. Diese Sehnsuchtsgefühle sind vielleicht je stärker, je drastischer die Veränderungen sind die wir erfahren. Die ganze Widersprüchlichkeit dieses Mischmaschs an Gefühlen gegenüber einer unberührten Landschaft, wird besonders deutlich in der NS-Zeit, wo einerseits die wilden naturverbunden Germanen romantisiert werden, die an Karl May’s Indianer erinnern, und andererseits das Bild des passiven in den Mooren lebenden Wilden bemüht wird um Ausrottung und Vertreibung zu rechtfertigen.
Das gut 600 Seiten starke Buch liesst sich wie ein Krimi der einen Bogen spannt von der Kolonisation des Oderbruchs vo 250 Jahren bis zur Oderflut vom Sommer 1997. Es gibt auch ein paar Abbildungen und Karten. Leider wurde jedoch oft versäumt jene Orte und Landschaften in die Karten einzuzeichnen, um die es im Text geht. Es ist also ratsam einen Atlas zur Hand zu haben wenn man beispielsweise wissen möchte wo genau die Pripjetsümpfe liegen. Leider gibt es auch eine ganze Reihe unnötiger Schreibfehler, die ganz offensichtlich auf ein laxes Lektorat zurückgehen. Aber das ist natürlich kein Grund, der davon abhalten sollte das Buch zu lesen.
]]>Da ist also eine neue Welt entstanden. Und wir fragen uns natürlich, warum ist das passiert, warum im Ordovizium und nicht schon im Kambrium oder erst im Karbon? Es gab und gibt große internationale Forschungsprogramme zum Thema [1, 2] und eine Menge Texte [meine vier Favoriten sind die blaue Webby-Bibel, der Sonderband in Paleo3, der frei zugängliche Text von Droser & Finnegan und der wenig bekannte Text von A. V. Kanygin].
Und es liegt mal wieder die Suche nach dem Trigger in der Luft. Der Blaue Webby Band von 2004 steht ganz im Zeichen dieser Frage, gibt jedoch nirgends eine Antwort darauf. Ganz hinten im Buch schreibt Arnie Miller, dass das Ereignis nur zu verstehen ist, wenn wir vom Globalen Blick hinabsteigen in die regionalen Untersuchungen und das es zu früh ist einen Auslöser zu bestimmen. Der Paleo3-Band vom März dieses Jahres ist nun das erste Ergebnis genau dieses Ansatzes. Auch hier keine Antwort auf die Frage des “Warum?”. Trotzdem, alle möglichen Trigger werden durchexerziert besonders das Klima, die zerklüftete Paleogeographie und auch der Superplume taucht auf, wenn ich mich recht erinnere. Neulich habe ich die barocke Theorie gehört, dass die erhöhte Zahl niedergehender Meteroide auf die Erde im Ordovizium zur Erhöhung der Biodiversität beigetragen haben könnte (3).
In all diesen Publikationen wird deutlich, dass so ein Trigger sich vielleicht ganz gut als Aufhänger macht, vielleicht sogar ein Science paper triggert aber keine wirklichen Erklärungen liefert. Der Auslöser, oder die Auslöser erklären möglicherweise die Dynamik und des Ereignisses überhaupt nicht. Und dabei sind wir bei meiner hermeneutischen Fragestellung: Was wollen wir eigentlich von diesem Ereignis verstehen? Ich habe das Gefühl immer dann wenn die Trigger auftauchen, dann geht es mehr oder weniger Vordergründig um Hintergrundinteressen, die mit der Ordovizischen Radiation wenig zu tun haben.
Nehmen wir das Klima. Das Klima ist ein wunderbarer Aufhänger weil alle Ohren spitz werden, wenn wir das Wort in den Mund nehmen und es reichhaltige Fundingmöglichkeiten gibt. Es eignet sich ferner als Hypothese um verschiedenste Wissenschaftler an einen Tisch zu bringen. Es ist ein Thema mit dem man die Forschungsgeräte der Institutionen richtig in Schwung bringt, weil alle möglichen geochemischen Analysen benötigt werden. Ja, es ist daher auch interdisziplinär. Am Ende kommen bei den Analysen Kurven heraus, die man wunderbar miteinander korrelieren kann oder auch nicht.
Wenn unsere Fragen, dagegen vom Trigger weggehen, dann wird es kompliziert. Dann dauert es möglicherweise Jahre bis genügend Daten zusammen sind um eine Faunenanalyse anzustellen, oder wir müssen ganz unspektakulär und ohne viel Hightech auf regionaler Ebene die Veränderungen in den Ökosystemen untersuchen. Und was dabei herauskommt lässt sich schwer verkaufen, weil es widersprüchlich, kompliziert und schwer verständlich ist. Wollen wir so etwas wissen?
]]>Verständlich, dass dieses Ereigniss eine ganz eigene Faszination auf uns ausübt. Es wird auch intensiv darüber geforscht. – Meine spontane Google Scholar Suchanfrage nach P/T boundary extinction liefert knappe 12 700 wissenschaftliche Artikel zum Thema – In der Zeitschrift “Geology” kamen gerade die Artikel 12 701 und 12 702 heraus und die haben in ihrer Gleichzeitigkeit mein Interesse geweckt, weil sie an einem Thema rühren, das mich gerade beschäftigt.
Wenn wir in die Zukunft schauen, dann möchten wir manchmal gerne wissen, was da kommen mag und wir möchten gleichzeitig wenn wir das erfahren ein Patentrezept, um das Kommende zu verändern. Was passiert, wenn der Ceozwei Gehalt unserer Atmosphäre weiterhin exponentiell ansteigt? Was, wenn die Armut und die Megaslums der Welt weiter so wachsen wie bisher? Wir wünschen uns dann gerne ein Patentrezept herbei mit dem wir die Welt verändern können so wie wir es wollen.
Das Pedant zum Patentrezept in der Vergangenheit ist der Trigger, der Auslöser. Was löste das P/T Ereignis aus? Ich weiß nicht wieviele wissenschaftliche Artikel sich mit diesem Thema beschäftigten und beschäftigen: Flutbasalte, Meteore, Meerespiegelregressionen, kosmische Strahlung. Der Trigger scheint es keine Grenzen zu geben. Das ist beinah so, wie mit den Patentrezepten.
Beim P/T Massenaussterben zeigt sich nun immer deutlicher, dass es ein Massensiechen über Millionen von Jahren war. Es wurde einfach über einen Zeitraum von Millionen von Jahren immer dramatischer mit dem Aussterben der Arten. Der erste Artikel in Geology zeigt das (wenn auch nicht zum ersten Mal) in aller Deutlichkeit. Den Auslöser dieser Ereignisse zu finden gleicht einem Blick in sich zwei gegenüberstehenden Spiegel.
Der zweite Artikel in Geology zeigt das: Dort sagen die Autoren platt ausgedrückt, der Grund für das erhöhte Aussterben ist das schlechte Wetter, die erhöhte Verwitterung und die dadurch verschlechterte Wasserqualität im Meer. Ja, und woher das schlechte Wetter? Möglicherweise von den Meeresorganismen selbst ausgelöst, oder durch die zufällige Konstellation der Meere und Kontinente, oder beides.
Wenn so ein Auslöser benannt wird ist das wie mit einem Patenrezept, es ist Politik und wir sollten skeptisch werden.
]]>Der fängt damit an James Lovelock und seine “Rache Gaias” zu zitieren und bringt einen interessanten Gedanken: Seit Jahrhunderten verstehen wir (wir als Menschheit) uns im Kampf mit der Natur (dem komplexen System da draussen). Wir verorten uns an einer Front gegen deren Unbill. [2]
Latour bringt dieses Kriegsdenken mit dem War on Terror in Zusammenhang. Beide Kriege sind nicht zu gewinnen, entweder wir “gewinnen” und verschwinden gleichsam mit dem “Sieg” oder wir verlieren und verschwinden ebenfalls. The War on Terror und Gaias Revenge stellen uns vor ein Paradoxon das weh tut weil es uns zeigt, das leider alles so einfach nicht ist. Wenn wir jemals so etwas wie ein Patentrezept hatten, dann war es immer zu spät dafür in dem Moment, wenn wir es entdeckten.
Das ist nun alles Andere als trivial und die PNAS hat im September daher eine Sondernummer zum Thema: “Jenseits des Patentrezepts” herausgegeben.
Die Antwort, die uns darin Anderies et al. auf die Frage nach dem Allheilmittel geben ist folgende: Es gibt immer viele Perspektiven auf ein Problem, viele unterschiedliche Fragen und Antworten, ebensoviele Perspektiven wie Kontrollparameter die die Lösung des Problems kontrollieren. Die Fragen, Antworten und Parameter sind ein bisschen komplex miteinander hin- und vor- und rückgekoppelt.
Wohin das komplexe rückgekoppelte System von dem da draussen und dem hier drinnen steuert, lässt sich global nicht voraussagen und steuern. Aber es ist alles nicht so schlimm wie wir es auf den ersten Blick vermuten. Das System ist ja beweglich und wenn wir (!) uns in dem System mitbewegen, dann wandeln sich auch unsere Vorstellungen (plural) vom Allheilmittel. Es gibt viele lokale Patentrezepte und wir landen mit denen vielleicht irgendwo ganz anderes als wir uns das am Anfang vorgestellt haben, und das ist nicht so dramatisch solang sich unsere Vorstellung vom Ziel auch verändert. Wenn wir aber stur bleiben und nur eine globale Lösung zulassen, dann ist es so wie mit dem War on Terror es wird alles verückter und verückter. Denn es gibt immer nur kleine lokale Lösungen und heterogene Antworten in diesen komplexen Systemen. Das wichtige, und das ist das Patentrezept von Anderies et al., ist, dass die
“society needs to choose to which uncertainties it wishes to be robust, to which uncertainties it may choose to be vulnerable, and how to focus its learning resources.”
Dazu braucht es also eine Vielfalt an Akteuren die ihre Patentrezepte miteinander aushandeln und die auch in der Lage dazu sind Patentrezepte zu entwickeln; das weiter zu illustrieren spare ich mir hier. [3]
Solch einem Prozess kann man vielleicht “adaptives Lernen” nennen, wie es PNAS tut. Der Begriff “Adaptation” muss damit aber durchaus auf eine neue Art gedacht werden, weil er ja impliziert, dass die Adaptation das System an das es sich anpasst mit seiner Anpassung selbst verändert.
Ja, so ist das. Und jetzt bitte den Beitrag nochmal Lesen und das “wir”, “Gesellschaft” durch “ich” und das “da Draussen” als das “Schicksal” ersetzen, dann wird das alles etwas persönlicher…
[1] Bruno Latour, 2007: « A Plea for Earthly Sciences », Keynote adress at the British Sociological Association, East London, april 2007.
[2] Vor ein paar Monaten ist David Blackburns “ Die Eroberung der Natur. Eine Geschichte der Deutschen Landschaft.” auf Deutsch erschienen. In diesem Buch wird der komplexe Zusammenhang von Machtpolitik und Kontrolle über die Unwägsamkeiten der Landschaft in Deutschland illustriert. Ich bespreche das Buch vielleicht einmal, wenn ich es ausgelesen habe.[Rezensionen hier und hier]
[3] Das ist durchaus trivial, wenn wir es aus einer persönlichen und gesellschaftlichen Perspektive betrachten, wird aber ein schwieriges Problem wenn wir es modellieren wollen. Und das ist vielleicht das Besondere an dem Artikel.
Jetz lese ich hier von einer lustigen kleinen Untersuchung à la Jugend forscht. Da wurde dem Octopus verschiedenes Spielzeug angeboten; eine Plastikkneifzange, eine Plastikkuh und ein Plastikwollknäuel. Überraschendes Ergebnis war, dass weder der Ball, noch die Zange, sondern die Kuh das Lieblingsspielzeug unseres kleinen Octopus ist. Ich würde ja jetzt mit Playmo weitermachen…
Hier ist die Kuh:
Wenn ich zusammen mit drei Autoren ein paper schreibe, dann ist das schon kompliziert, aber wenn 20 Leute als Autoren auftreten stelle ich mir ein babylonisches Gewirr vor wenn es darum geht den Text zu schreiben und die Korrekturen zu lesen. Autorenschaft hat bei einem wissenschaftliche Artikel offensichtlich seine Bedeutung verändert.
Marc Scheloske hat gerade einen lesenswerten Artikel zum Thema auf der Wissenswerkstatt geschrieben. Einige kleine Anmerkungen fallen mir dazu noch ein:
Früher im Osten gab es ja manchmal so etwas wie Autorenkollektive. Auch bei russischen und chinesischen Arbeiten kennt man das. Ich weiß dann immer nicht, wie ich die zitieren soll. Es gibt ja oft auch keinen Editor. Das ist dann der berühmte Et al. (kennt den vielleicht jemand?).
Autorenkollektive von damals und die Multiautorenpaper von heute sind jedoch nicht miteinander vergleichbar. Denn, wenn heute 20 Autoren über dem paper stehen, wird einerseits zwar damit noch eine Arbeitsgruppe bezeichnet, es geht aber auch ganz klar darum: Wenn 20+ Autoren auf einem paper stehen, kann es 20+ mal bei den Institutionen abgerechnet werden und wenn jeder der Autoren sich nur einmal selbst zitiert, dann wurde schon 20x zitiert. Das sind in der derzeitigen Wissenschaftpraxis harte Argumente sich Mitautoren zu suchen und Autorenschaftskartelle zu bilden. Mit den Autorenkollektiven aus den VEB’s hat das nichts mehr zu tun.
Ich erinnere mich noch an die zweifelhafte Praxis einiger amerikanischer Kollegen den berühmten Paläontologen Jack Sepkoski, der 1999 an einem Schlaganfall starb, des öfteren posthum auf ihre Autorenliste zu setzen. So kam meines Wissens der letzte Artikel mit Sepkoski als Ko-Autor 2005 heraus.
Gerade kam nun auf dem PLOS ONE Blog der interessante Vorschlag die Autorenschaft von papern zukünftig ähnlich dem credit roll eines Films aufzuschüsseln. Das würde dann sicher gleich alle Fragen beantworten, die sich mir bei Sepkoskis posthumen Veröffentlichungen stellen. Und die 20+ Autoren würden dann eben aufgeschlüsselt, von der Regie bis hinunter zur Maske und alle können glücklich sein. Wie bringt man das allerdings Thomson Scientific bei? Ich sehe schon wilde Diskussionen, und wie wirkt sich das auf den Hirsch-Index auf?
]]>