Heute startet der Weltkongress der Medizintechnik in München. Bis Samstag diskutieren Experten über neue Entwicklungen in diesem weiten Feld. Das Programm ist so vollgepackt und vielfältig, dass es nicht leicht fällt, sich einen Überblick zu verschaffen.

i-24073f57877a49c932aae4316996eb92-Wolfgang_Schlegel.jpg

Kongresspräsident Prof. Dr. Wolfgang Schlegel (DKFZ Heidelberg) hat uns netterweise einige besonders spannende Themen und Vorträge aus dem Programm gepickt:

ScienceBlogs: Sehr geehrter Herr Professor Schlegel, auf dem Weltkongress der Medizintechnik werden in dutzenden Vorträgen neue Entwicklungen im Bereich der Medizintechnik präsentiert. Gibt es bestimmte Highlights des diesjährigen Programms, die in ihren Augen besonders beachtenswert sind?

Wolfgang Schlegel: Aus medizin-physikalischer Sicht sehe ich die Highlights auf den Gebieten der modernen medizinischen Bildgebung (Weiterentwicklung von diagnostischen Verfahren mit Röntgenstrahlen und MR) und der Therapie (hier vor allem der Krebstherapie mit neuen Strahlenarten), aber ganz besonders auch im Überlappungsbereich Bildgebung/Therapie: Die Therapie der Zukunft liegt in der Verknüpfung von Bildgebung und Therapie und damit in einer wesentlich schonenderen und effizienteren Behandlung.

Es ist natürlich sehr schwierig, aus der Fülle der eingereichten Beiträge (fast 1400 aus dem Bereich der Medizinischen Physik) die echten Highlights nur aufgrund der Titel und Abstracts herauszusuchen, ich versuche es aber trotzdem mal:

Die Therapie der Zukunft liegt in der Verknüpfung von Bildgebung und Therapie und damit in einer wesentlich schonenderen und effizienteren Behandlung.

Diagnostische Bildgebung: Eine Entwicklung, die noch am Anfang steht, von der man aber einiges erwarten kann, ist die Weiterentwicklung des altbekannten Röntgens in das “Phasen-Kontrast-Röntgen”. Die Entwicklung kann man sich analog zur Lichtmikroskopie oder Elektronenmikroskopie vorstellen, wo durch “Phasenkontrast-Technik” auch eine neue Dimension erschlossen wurde. Das Problem, die Phasenkontrasttechnik auf Röntgenstrahlen zu übertragen, scheiterte bisher an der Verfügbarkeit leistungsstarker, monoenergetischer Röntgenquellen (man musste auf Synchrotronstrahlung zurückgreifen, die nur an den großen Beschleunigerzentrum wie z.B. Hamburg oder Grenoble verfügbar war), und an der Nichtexistenz einer “Röntgenoptik”. Für beide Probleme scheinen sich jetzt Lösungen anzubahnen, und auf dem Kongress werden hierzu von 2 Münchner Gruppen Vorträge gehalten (Phase-Contrast and Dark-Field Imaging: Advanced Contrast Modalities in X-Ray Radiology. Von: F. Pfeiffer, M. Bech, T. Jensen, O. Bunk, T. Donath, C. David, sowie Phase contrast imaging for medical diagnostics: towards clinical application with compact laser-based X-ray sources von P. Coan, P.C. Diemoz, A. Bravin, T. Schlossbauer, M. Reiser, D. Habs, T. Schneider and C. Glaser)

Wenn diese Entwicklungen erfolgreich vorangetrieben werden, kann man von einer weiteren deutlichen Verbesserung der bildgebenden Diagnostik im Sinne einer gesteigerten Kontrastauflösung im Weichteilgewebe (z.B. bei der Diagnostik von Brustkrebs) ausgehen.

Therapie: Weit über die Hälfte der deutschen Medizinphysiker (und das gilt auch international) arbeiten in der Strahlentherapie bei der Behandlung von Krebs mit. Entsprechend ist auch das Gebiet der Weiterentwicklung der Strahlentherapie und die Rolle der Medizinphysiker hierbei ein wichtiges Schwerpunktsthema des Kongresses.

In der Strahlentherapie vollzieht sich zur Zeit ein Wandel durch die Integration bildgebender Verfahren in den Behandlungsablauf. Es gibt eine ganze Reihe von Innovationen, die darauf abzielen, die Zielgenauigkeit der Strahlentherapie zu verbessern. Die Idee ist es, den Tumor während der Bestrahlung durch bildgebende Verfahren sichtbar zu machen und Tumorbewegungen und Verschiebungen zu verfolgen. Wenn der Tumor aus dem Bestrahlungsfeld wandert, wird die Bestrahlung (kurzzeitig) unterbrochen („gating”), oder der Strahl wird kontinuierlich nachjustiert („tracking”). Über aufsehenerregende Entwicklungen auf diesem wird auf dem Kongress z.B. durch die folgenden Beiträge berichtet:

  • FIRST ASSESSMENT OF A NOVEL IGRT DEVICE FOR STEREOTACTIC BODY RADIATION THERAPY, von: M. Speiser, P. Medin, W. Mao, L. Papiez, F. Gum, and T. Solberg (University of Texas Southwestern Medical Center/Department of Radiation Oncology, Dallas, U.S.A.)
  • STATIONARY-GANTRY TOMOSYNTHESIS SYSTEM FOR ON-LINE IMAGE GUIDANCE IN RADIATION THERAPY BASED ON A 52-SOURCE COLD CATHODE X-RAY TUBE, von: Jonathan S. Maltz, Jens Fuerst, Ajay Paidi, Franz Fadler and Ali R. Bani-Hashemi

Die von Speiser et al. beschriebene Entwicklung (Siemens in Zusammenarbeit mit der Firma XinRay-Systems) beschreibt eine Anordnung von 52 Nano-Röntgenröhren, die an einem Strahlentherapie-Linearbeschleuniger angebracht sind und zur „On-Line-Bildgebung” während der Strahlentherapie eingesetzt werden sollen. Auf diese Weise könnte man einen sich während der Therapie bewegenden Lungen- oder Prostata-Tumor sichtbar machen und die Bewegungen korrigieren.

Die von Maltz et al. beschriebene Entwicklung (Zusammenarbeit der Firmen Brainlab/München und Mitsubishi Japan) beinhaltet einen Beschleuniger der auf einer Ring-Gantry geführt wird (ähnlich wie ein CT) und mit 2 Röntgenröhren und Flächendetektoren ausgerüstet ist.

Beide Lösungen haben das Potential, die Strahlentherapie wesentlich genauer zu machen, vor allem bei beweglichen und deformierbaren Tumoren.

Ein weiteres Highlight der Tagung ist sicher die Hadronen- oder Ionentherapie.

Ein weiteres Highlight der Tagung ist sicher die Hadronen- oder Ionentherapie. Hier geht es darum, zur Behandlung von Krebs statt der bisher eingesetzten Röntgenstrahlung Teilchenstrahlung in Form von beschleunigten Protonen oder schwereren Ionen-Kernen (z.B. C-12 oder O-16-Atomkernen) einzusetzen. Da man mit diesen Strahlenarten die Strahlendosis besser auf das Tumorgewebe konzentrieren und das notwendigerweise durchstrahlte gesunde Gewebe besser schonen kann, gilt die „Hadronentherapie” als sehr zukunftsträchtig, aber wegen der notwendigen grossen Beschleuniger (Zyklotrons oder Synchrotrons) auch als sehr teuer. Das Gebiet wird auf dem Kongress in 3 Sitzungen behandelt, und es wird neben Erfahrungsberichten mit der Protonen- und Ionentherapie vor allem die Entwicklung neuer Beschleunigungsarten durch hochenergetische Laser gesprochen:

  • Laser-accelerated ion beams for future medical applications (S. D. Kraft, K. Zeil, S. Bock, M. Bussmann, T. Kluge, J. Metzkes, T. Richter, T. E. Cowan, R. Sauerbrey, and U. Schramm / Forschungszentrum Dresden-Rossendorf, Dresden, Germany)
  • Development of Laser Accelerated Proton Beams for Radiation Therapy (C.-M. Ma, E. Fourkal, I. Veltchev, J.S. Li, J. Fan, T. Lin and A. Tafo / Department of Radiation Oncology, Fox Chase Cancer Center, Philadelphia, USA)

Solche Beschleuniger sind allerdings noch Zukunftsmusik. Wenn sie sich realisieren lassen, und alle Vorversuche und Prototypen deuten darauf hin, wird das einen Paradigmenwechsel in der Strahlentherapie verursachen, und mit Sicherheit zu einem weiteren Qualitätssprung in der Tumortherapie führen. Und hier schließt sich der Kreis zur bildgebenden Diagnostik wieder: Die Laser-Beschleuniger können auch für Elektronen eingesetzt werden und damit neue Möglichkeiten der Röntgen-Bildgebung eröffnen. Das wird auch in dem eingangs erwähnten Beitrag der Gruppe „Munich Centre for Advanced Photoncs” skizziert: (siehe Coan et al. auf der ersten Seite).

Ich hoffe, ich habe Ihnen mit dieser kleinen Skizze einen kleinen Einblick in die Gebiete geben können, die aus meiner Sicht besonders spannend sind. Eine solche Sichtweise ist natürlich immer unvollständig und persönlich gefärbt.

Spannend sind weiterhin die verschiedenen medizinischen Anwendungen der „Nanopartikel” in Diagnostik und Therapie, dazu gibt es ganze Serien von Vorträgen.

Kommentare (1)

  1. #1 CAS
    September 10, 2009

    Bewegungsdetektion und Organtracking in der RT funktionieren auch mit US-Systemen online. Mit relativ kleinen (tragbaren) Geräten lassen sich herkömmliche Linearbeschleuniger kostengünstig aufrüsten und eine genauere und für umliegendes Gewebe schonendere Behandlung erreichen.