Die Portugiesen haben sich nicht nur erfolgreich auf dem Weg nach Indien durchgefragt, sie sind auch noch weiter gekommen. Zunächst einmal nach “Hinterindien”, das wir heute Südostasien nennen. Aber die Arbeit auf den Schiffen war hart und gefährlich. Um so weiter unten man in der Schiffshierarchie steht, um so kleiner wird der Anteil am Lohn. Das führt zu Meutereien und so kam es, dass 1542 die drei Portugiesen Antônio da Mota, Antônio Peixoto und Francisco Zeimoto vor ihren eigenen Kapitän flohen. (Weitere Quellen.)

Auch wenn es in historischen Erzählungen immer wieder so anmutet, waren die Portugiesen nicht ganz allein auf den Meeren und auch nicht die einzigen Händler. Wer nicht auf den Meeren unterwegs war, waren die Chinesen. Zumindest nicht offiziell. Nach dem Ende der Schatzflotte unter Zheng He wurden nicht nur die Schiffe der Flotte verbrannt, sondern auch den Verkehr über die Meere verboten. Solche Verbote haben natürlich noch nie Schmuggler davon abgehalten, trotzdem Handel zu betreiben. An genau solche Schmuggler gerieten unsere drei Abenteurer, die mit deren Schiff nach China wollten.

Aber die Schifffahrt in den Tropen hat ihre eigenen Risiken und Nebenwirkungen. Das Schiff geriet in einen Sturm und wurde weit nach Osten ins Meer abgetrieben. Schließlich landeten sie auf einer recht kleinen Insel südlich von Kyushu, am südlichsten Zipfel Japans. Tanegashima.

Der Fürst der kleinen Insel war Tanegashima Tokitaka. Geboren im Jahr 1528. Man ist sich nun nicht völlig sicher, ob sich diese Geschichte im Jahr 1542 oder 1543 abspielte, aber der Fürst war sehr jung. 14 oder 15 Jahre alt. Ein älterer Fürst hätte nun vielleicht etwas anderes getan, aber Tanegashima Tokitaka sah die Gewehre der Abenteurer und war begeistert. Der Haben-Will-Reflex von Teenagern war zu allen Zeiten und in allen Ländern recht stark.

Er kaufte zwei Gewehre im Tausch gegen Waren, die die Abenteurer in Europa äußerst reich machen würden. Anschließend wies er einen Waffenschmied an, die Gewehre zu kopieren. Denn in ganz Asien gab es nichts vergleichbares. Diese drei Portugiesen waren die ersten Europäer, aber nicht letzten, erst recht nicht nach den äußerst positiven Erfahrungen die unsere drei Abenteurer in Japan gemacht hatten. Die Zeit, in der selbst Schiffbrüchigen in Japan keine Hilfe gewährt wurde um das Land von äußeren Einflüssen zu schützen, kam erst später. Zu dieser Zeit war Japan kein geeintes Land, sondern eine Nation im Bürgerkrieg – Japans “Zeit der streitenden Reiche”.

Die Japaner mögen am anderen Ende der Welt leben, aber auch sie waren nicht völlig von ihr abgeschnitten. Schießpulver und Kanonen waren für sie an sich nichts neues. Neu waren für die Japaner aber handliche Schießpulver Waffen, mit denen man im Chaos des Gefechts gezielt schießen konnte. Bisher kannten sie nur so etwas:

640px-Yuan_chinese_gun

(Quelle)

Handkanonen wie diese wurden schon von den Mongolen benutzt und die Kanone auf dem Bild stammt auch aus der Zeit der Yuan Dynastie, als Kublai Khan und seine Nachfolger über China herrschten. Es waren Kanonen im Minaturformat und wurden auch genauso benutzt. Es gab ein Zündloch mit einer Zündpfanne. In das Zündloch wurde Schwarzpulver gefüllt, bis es die eigentliche Schwarzpulverladung im Lauf hinter dem Geschoss erreichte. Dann nahm man eine glühende Lunte oder ein Stück glimmendes Holz in die Hand und zündete damit das Pulver in der Zündpfanne, das dann das Pulver im Lauf entzündet.

Mit der zweiten Hand hielt man die Kanone, mit der dritten Hand richtete man die Kanone auf den Feind, was man mit den Augen im zweiten Kopf überprüfte, während der erste schaut, was die Hand mit der glühenden Lunte tut. Da zweite Köpfe und dritte Hände bei Menschen eher selten sind, funktionierte das nicht wirklich. Die Kanonen wurden einfach grob in Richtung des Feindes gehalten und abgefeuert.

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Kommentare (18)

  1. #1 meregalli
    18. Mai 2015

    Applaus!
    Uneingeschränkt.

  2. #2 Ludger
    18. Mai 2015

    Drei Spitzbuben veränderten 1543 die Welt mit Auswirkungen bis heute. Da muss man wirklich staunen. Danke!

    • #3 wasgeht
      18. Mai 2015

      Aber bitte nicht vergessen: Es ist eine Erzählung. Die Fakten stimmen zwar (wenn mir kein Fehler unterlaufen ist), aber es brauchte für all das noch sehr viel mehr als nur diese Drei. Aber es ist ja gerade Sinn dieser Erzählform, dass man das bei Seite lässt.

      Ein absoluter Meister dieser Erzählungen ist der Historiker James Burke, der eine Reihe von Fernsehprogrammen gemacht hat. “The day the universe changed” und “connections”. Man findet sie auch auf Youtube, zum Beispiel hier:

      Ein Interview mit James Burke findet sich hier:

      Der Interviewer ist Dan Carlin, der den Podcast “Hardcore History” macht … der im Lauf der Zeit eher zu einem Audiobuch Format wurde. Und das war auch ungefähr zu der Zeit, zu der das Interview entstand. Unbedingt zu empfehlen!

  3. #4 Dampier
    19. Mai 2015

    Toll erzählt, das war wirklich spannend. Vielen Dank :)

    Gruß
    Dampier

  4. #5 bewitchedmind
    19. Mai 2015

    Super spannend. Geschichte, über die man in Europa normalerweise nichts lernt, danke!

  5. #6 CM
    19. Mai 2015

    Super Artikel! (Überhaupt: Super Serie von Artikel in unglaublicher Geschwindigkeit!)
    Zwar kannte ich die “offzielle” Geschichte, d.h. ohne den Beginn mit der Luntenschloßeinführung, doch finde ich, dass solche Erzählungen durchaus ihre Berechtigung haben (nicht zuletzt, weil sie so einprägsam sind, auch was den orthodoxen Teil der Geschichten angeht).

    Gruß,
    Christian

  6. #7 wiener
    19. Mai 2015

    “Mit der zweiten Hand hielt man die Kanone, mit der dritten Hand richtete man die Kanone auf den Feind, was man mit den Augen im zweiten Kopf überprüfte, während der erste schaut, was die Hand mit der glühenden Lunte tut. ” Genial formuliert……

  7. #8 derKris
    19. Mai 2015

    So habe ich ostasiatische Geschichte noch nie gelesen.
    Danke dafür :D

  8. #9 Dirk Moebius
    20. Mai 2015

    JFTR: das DDR-Wappen enthaelt – auch wenn allerorten was anderes steht – keine Sichel.
    Ein Blick sollte genuegen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Staatswappen_der_Deutschen_Demokratischen_Republik

    • #10 wasgeht
      20. Mai 2015

      Du hast natürlich völlig recht. Das Wappen der Sovietunion mit Hammer und Sichel ist einfach tiefer im Kopf verankert, als Hammer, Sichel und Ährenkranz. Ist auch lange her.

  9. #11 oliver
    Bonn
    20. Mai 2015

    Zur Sengoku Jidai ( Zeit der streitenden Reiche ) kann ich die Extra History Reihe empfehlen:
    https://www.youtube.com/watch?v=hDsdkoln59A
    Ähnlicher Erzählstil wie diese Blogpost, allerdings fehlt leider die Anekdote mit dem Luntenschloss.

    Zum Thema Civilisation: Ich finde es wirklich großartig, dass meisten der gewinnt, oder zumindest einen sehr großen Vorteil hat, welcher zuerst den Drall entwickelt und gleichzeitig möglichst agressiv ist. Für ein Videospiel ist das unglaublich schlecht balanciert, aber gleichzeitig so wunderbar realistisch^^

  10. #12 Sven Tetzlaff
    Hong Kong
    22. Mai 2015

    Die Geschichte Asiens und besonders deren Geschichten haeufig ganz persoenlicher Art, sind im Westen leider wenig bekannt. Ich behandle in meinem Podcast (und Blog) gelegentlich geschichtliche Themen bzw. eben genau diese kleinen Geschichten, wenn auch aus einer eher privaten Sicht.
    * 005 Marco Polo war nie in China (https://goo.gl/Osd0PW)
    * 009 Tee und Weltpolitik (https://goo.gl/1Rh0HC)
    * und zuletzt 012 Lady Datuk (https://goo.gl/5OXIqw)
    Der Podcast ist ein Projekt, das mich bei meinem alltaeglichen Leben in Asien als Fotograf & Fachjournalist begleitet und vor allem Wert auf die private, kleine Sicht der Dinge legt.
    Den gesamten Podcast-Thread findet man hier: https://sventetzlaff.com/index.php/home/podcast

  11. […] war das Luntenschluss und ich habe auch schon einmal einen Artikel geschrieben, in dem das eine wichtige Rolle […]

  12. […] 285-Wort Artikel schreibe wie den letzten über den geplanten Wolkenkratzer in Basra oder eine 2630-Wort-Geschichte wie die über die weltgeschichtlichtlichen Verwicklungen in denen 3 portugiesische Halunken eine […]

  13. #15 Dampier
    19. Dezember 2015

    Ich habe mir erlaubt, diesen Artikel mal bei der Wissenschaftsblog-Auslese 2015 zu nominieren. Ist er doch ob seiner Erzählkunst für mich in der Rückschau einer jener gewesen, die mir besonders deutlich im Gedächtnis blieben.

    grz
    Dampier

    • #16 wasgeht
      19. Dezember 2015

      Danke :)

  14. #17 BreitSide
    Beim Deich
    20. Dezember 2015

    Sehr schöne Zusammenfassung! Viele Einzelstücke waren mir bekannt (wie ja wohl fast Jeder hier), aber der stringente Zusammenhang ist einfach klasse. So macht asiatische Geschichte Spaß.

    Irgendwie hab ich aber noch eine Geschichte im Kopf von einem einzelnen Engländer, der ausgesetzt wurde(?) und dann mit seiner Büchsenmacherkunst Einiges in Japan in Bewegung brachte. Oder waren es Kanonen? Ich krieg´s im Kopf nicht mehr zusammen :oops:

    PS: War da nicht ein Zirkel im DDR-Wappen?
    “Hammer, Zirkel, Ährenkranz, mause, was de mausen kanns…”

    • #18 wasgeht
      20. Dezember 2015

      Ohne die kommentare nochmal durchgelesen zu haben: Hat das nicht schon jemand anderes angemerkt? …. Ich kann mich noch schwach dran erinnern, dachte aber, ich hätte es korrigiert.