Man stelle sich vor, man hat keinen Topf und will trotzdem Wasser kochen. Na klar, man nimmt den Wasserkocher. Aber das ist ein Luxus, den die Menschen die meiste Zeit über nicht hatten. Historisch gesehen war es nur in den seltensten Fällen eine momentane Unpässlichkeit, wenn man keinen Topf hatte. Der wichtigste Grund war immer die Tatsache, dass es noch niemals einen Topf gegeben hat. Aber auch vor dem Aufkommen der ersten Metalltöpfe oder der ersten halbwegs hitzebeständigen Keramik, hat man gekocht. Man musste es nur etwas anders anstellen.

Wenn wir heute an das Kochen denken, dann denken wir an einen Topf mit Wasser, der auf einem Herd oder einem Feuer steht und seine Hitze von außen bekommt. Den allermeisten Materialen bekäme das aber gar nicht gut. Einen geflochtenen Korb kann man mit Lehm auskleiden und damit Wasserdicht machen. Aber man kann ihn so nicht auf das Feuer stellen und das Wasser kochen, ohne dass der Korb verbrennt. Gerade wenn man etwas über Stunden kochen muss, wie zähes Fleisch oder einfaches Getreide, würde lange vorher das Gefäß kaputt gehen.

Aber es gibt noch eine zweite Möglichkeit. Man stellt nicht den Topf in die Hitze, sondern bringt die Hitze in den Topf. Das war über zehntausende Jahre die Methode der Wahl. Man legt Steine in das Feuer, angelt sie mit Stöcken wieder heraus und legt sie in das Wasser. Der Behälter wird vor der Hitze des Steins durch das Wasser selbst geschützt. Wenn das Wasser aufhört zu kochen, kommt der nächste Stein ins Wasser und so weiter. Der Vorteil liegt auf der Hand: Man kann kochen und braucht dafür kein feuerbeständiges Material. Mehr zu dieser Kochmethode findet man zum Beispiel hier. Dort wird auch angedeutet, dass diese Kochmethode wohl der Ursprung der Geschichte von der Steinsuppe war.

Heute wird sie so erzählt, dass ein listiger Mensch andere dazu auffordert, die Zutaten für die Suppe mit zu bringen, während er selbst nur einen Stein beisteuert. Aber tatsächlich dürfte es wohl so gewesen sein, dass der Mensch mit dem Stein auch das Feuer gemacht hat, mit dem der Stein auf Temperatur gebracht wurde. Ohne den Stein hätte man keine Suppe, sondern nur kaltes Wasser mit Fleisch und Gemüse gehabt.

Die gleiche Methode funktioniert auch beim Backen. In dem Fall werden heiße Steine in eine Erdgrube, oder besser gesagt, einen Erdofen gegeben. Das sieht dann so aus:

510px-Maori_earth_oven.svg

Die Steine bilden die Hitzequelle, das Fleisch liegt darüber. Ganze Schafe und Ziegen können so gekocht werden. Das Erhitzen der Steine dürfte wohl auch einer der Wege gewesen sein, auf die entdeckt wurde, wie man Metalle aus Erz gewinnen kann. Früher oder später ein Stein mit Kupfer oder Zinkerzen schon aus reinem Zufall einmal genau an der Stelle im Feuer gelegen haben, an der er heiß genug wurde und in den Verbrennungsgasen genug Kohlenmonoxid war um das Metalloxid zu reduzieren und flüssiges Metall zu bekommen.

In jedem Fall ist die Hitze immer genug gewesen, um die Curie Temperatur der Magnetischen Bestandteile der Steine zu überschreiten. Das ist die Temperatur, an der ein Magnet seine magnetischen Eigenschaften verliert. Wenn die Steine dann langsam abkühlen, werden die magnetisierbaren Bestandteile ihr Magnetfeld entsprechend dem Erdmagnetfeld ausrichten. Und es wird um so stärker magnetisiert sein, um so stärker das Erdmagnetfeld an der jeweiligen Stelle zur damaligen Zeit war.

Das Kochen mit Steinen in Neuseeland wurde deswegen schon von Geologen ausgenutzt, um die Geschichte des Erdmagnetfeldes besser untersuchen zu können. Denn das Magnetfeld ist nicht überall gleich stark und in einigen Gegenden fehlen schlicht die Daten. Dank der Maori, die vor 800 Jahren auf Neuseeland ankamen und anfingen mit Steinen zu kochen und backen, konnte man in dieser Gegend die Daten etwas vervollständigen.

Kommentare (5)

  1. #1 Fliegenschubser
    12. Juni 2015

    Kochen mit heißen Steinen wird teilweise heute auch noch gemacht, zum Beispiel in der Mongolei. Siehe hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Khorkhog

  2. #2 Dr. Webbaer
    12. Juni 2015

    Nur ergänzend:
    Es gibt einen zeitgenössischen Gastronomie-Bereich, der derart anbietet, bspw. war der Schreiber dieser Zeilen vor se-ehr langer Zeit, vielleicht vor 25 Jahren, hier einmal zu Gast; das Konzept scheint beibehalten worden zu sein.
    Historisch könnte es, zumindest für Feinschmecker, hier um die Vermeidung von Rauch (das Fachwort), gegangen sein, der zwar bspw. Whiske(y) manchmal erst besondere Würze gibt, beim allgemeinen Brat aber gerne auch vermieden wird.

    MFG
    Dr. W

  3. #3 Dr. Webbaer
    12. Juni 2015

    PS:
    Konkret wird Bratgut und ein (extrem und sehr zäher) heißer Stein geliefert, der dann vor dem Gast sozusagen vor sich hin brät, der dann auch die Garzeit bestimmt.

  4. #4 Jürgen Kain
    Linz
    15. Juni 2015

    Ps:
    Und in Lehm eingebackene Eier kann man dadurch im Feuer auch schön kochen!

  5. #5 Kathi Keinstein
    17. Juni 2015

    Zitat: “Der Behälter wird vor der Hitze des Steins durch das Wasser selbst geschützt.”

    Da haben unsere frühen Vorfahren sich einen Umstand zu Nutze gemacht, der, als er mir mit 13 erstmals vor Augen geführt wurde, mein Weltbild revolutionierte (und mich von jenem Tag an der Chemie verfallen liess ;) ):

    Neben der “greifbaren” Energieform ‘Wärme’ gibt es eine (nicht nur eine^^) weitere, “unsichtbare” Energieform, die den Stoffen innewohnt bzw. von Stoffen aufgenommen und wieder abgegeben werden kann.

    Im Beispiel mit dem heissen Stein im Wasser nutzt das Wasser die vom Stein abgegebene Wärme, um vom flüssigen in den gasförmigen Zustand überzugehen. Die so “umgenutzte” Energiemenge wird in diesem Fall Verdampfungsenthalpie genannt und verlässt schliesslich dem Wasserdampf innewohnend den “Kochtopf”.

    So kann man sicher sein, dass das flüssige Wasser sich (bei normalem Atmosphärendruck) nicht über 100°C (den Siedepunkt) erwärmt, gleich wie heiss der verwendete Stein ist, und somit auch den Suppenkorb nicht verbrennt (die Lehmauskleidung wird wohl dafür sorgen, dass der heisse Stein nicht direkt auf dem Korbboden zu liegen kommt…).

    Ob sich die Suppenköche (oder Naturphilosophen?) unserer Vorfahren über solche Hintergründe schon Gedanken machten? Oder benutzten sie die Steine bloss, ‘weil es funktionierte’?