1953 wurde in den USA der erste Druckwasserreaktor der Welt gebaut. Er war für den Einsatz im ersten Atom-U-Boot der Welt vorgesehen, der USS Nautilus. Aus der gleichen Technik wurden im Anschluss auch größere Reaktoren für den Einsatz in Flugzeugträger und Kraftwerken.

Das erste echte Kernkraftwerk, der Shippingport-Reaktor, wurde in Pennsylvania gebaut. Eine Gegend die eigentlich für Kohle bekannt ist, was den Einsatz eines Kernreaktors unwirtschaftlich machen würde, zumal eines Prototypen. Aber man setzte sich dafür ein, um in den 1950er Jahren einen ersten Beitrag zur Ablösung der schmutzigen Kohlekraftwerk zu leisten.

Als erster seiner Art hatte der Shippingportreaktor natürlich noch nicht die gleiche Form und das gleiche technische Konzept, wie es heutige Reaktoren hätten. Das fängt schon an, wenn man den Reaktorbehälter anschaut.

shippingport-reactor_vessel

Die Wasserleitungen unten, in die das kältere Wasser von den Dampferzeugern hineingepumpt wird, um dann vom Reaktor erhitzt zu werden, dürfte es in einem modernen Reaktor niemals geben. Sollte eine dieser Leitungen brechen, dann läuft der Reaktor aus und man hat auch mit Notsystemen keine Chance mehr, den Reaktor zu kühlen. Bei allen modernen Reaktoren befinden sich alle Leitungsanschlüsse am oberen Rand des Reaktorbehälters. Das Wasser wird dann im Inneren des Behälters nach unten geleitet.

Die Leitungen, und insbesondere die Anschlüsse der Leitungen, sind immer der schwächste Teil der gesamten Konstruktion. Wenn es ein ernsthaftes Problem gibt, dann zuerst dort und nicht am Rest des Reaktorbehälters. Wenn nun der Reaktorbehälter keine Öffnungen nach unten hat, dann kann man zumindest immer Kühlwasser in den Behälter hinein pumpen, ohne dass es gleich ausläuft. Beim Shippingportreaktor hat man sich so beholfen, dass der Reaktorbehälter im untersten Teil des Containments untergebracht hat. Wäre eine dieser Leitungen gebrochen, hätte man das Containment samt Reaktor mit Kühlwasser geflutet. (Bild: Library of Congress)

shippingport-containment_vessel

Dieses Reaktorcontainment war dann verbunden mit anderen Kammern, in denen unter anderem die Dampferzeuger untergebracht waren. (Das Reaktorcontainment ist gelb markiert. Original hier.)

shippingport-kraftwerk

Da der Reaktor 1982 stillgelegt wurde und der einzige seiner Art war, habe ich mich noch nie mit den genauen Sicherheitsanforderungen beschäftigt, die er erfüllt hat. Ich schätze aber, dass das kleine Containment dem Druck durch heißen Wasserdampf und dem entstehenden Wasserstoff bei einer Kernschmelze nicht gewachsen gewesen wäre. Möglicherweise hätten die anderen Behälter aber ausgereicht.

Als ziviler Reaktor sollte der Shippingportreaktor möglichst wenig gebrauch von hoch angereichertem Uran machen. Aber gleichzeitig hat man ihn von einem militärischen Reaktor abgeleitet, der nur hoch angereichertes Uran verwendete. Das Resultat war ein Kompromiss. Man hatte eine ganze Reihe von hoch angereicherten Brennstäben, die man auswechseln konnte und eine Kettenreaktion ermöglichten. Der Rest der Brennstäbe beinhaltete natürliches Uran. Der U-235 Anteil reichte aus, um dort immernoch Atome zu spalten und Leistung zu erzeugen. Gleichzeitig sorgten die Neutronen aus der Kettenreaktion der hoch angereicherten Brennstäbe dafür, dass in den nicht angereicherten Brennstäben mehr spaltbares Plutonium entstand, als gespalten wurde. Es war also ein Brutmantel. Dieser Brutmantel war aber fest verbaut. Nur die hoch angereicherten Brennstäbe konnten (und mussten) ausgetauscht werden.

Moderne Reaktoren funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, aber bei weitem nicht so extrem. Die Brennstäbe am Rand des Reaktors sind meistens etwas niedriger angereichert als die im Zentrum des Reaktors. Sie verbleiben länger im Reaktor und werden beim Austausch der Brennstäbe etwas weiter nach Innen verlagert. Das macht man heute aber hauptsächlich, um am Rand des Reaktors weniger Neutronen zu haben, die die Stahlwände schwächen könnten.

Jedenfalls war das Konzept auch sehr gut geeignet um an Stelle von natürlichem Uran Thorium zu verwenden, worüber ich auch schon einmal geschrieben habe. Das tat man auch ab 1977, in den letzten Jahren des Reaktors. Anstatt von hoch angereichertem Uran-235 benutzte man U-233, wie es auch aus Thorium entsteht, um die Kettenreaktion in Gang zu bringen.

Im Lauf der nächsten 5 Jahre lieferte das Kraftwerk Strom. Das Uran-233 der zentralen Brennstäbe wurde durch Kernspaltung langsam aufgebraucht. Gleichzeitig entstand aber Uran-233 im Brutmantel.  Nach 5 Jahren wurde die Absorbtion von Neutronen durch die Spaltprodukte schließlich so groß, dass der Reaktor nicht mehr weiter laufen konnte. Der Betrieb wurde beendet und die Brennstäbe des Reaktors untersucht. Dabei stellte man fest, dass in den Brennstäben am Ende des Betriebs 1,3-1,4% mehr spaltbares Uran enthalten war, als am Anfang. (Also eine Brutquote von 101,3%.)

Man sollte allerdings nicht unerwähnt lassen, dass man dafür auf eine ungewöhnliche Methode zurückgegriffen hat, den Reaktor zu steuern. Anstatt Steuerstäbe mit absorbierendem Material in den Kern hinein und heraus zu bewegen,  hat man die Brennstäbe mit dem U-233 bewegt. Natürlich genau umgekehrt. Also aus dem Kern heraus um die Kettenreaktion zu bremsen und in den Kern hinein, um sie stärker in Gang zu bringen. Die herkömmliche Variante hätte einige Neutronen verbraucht, die dann nicht mehr für die Erzeugung von U-233 zur Verfügung gestanden hätten.

Für die heutige Zeit wäre es allerdings egal, ob ein Reaktor etwas mehr U-233 aus Thorium erzeugt, als er an spaltbarem Material verbraucht. Fest steht, es wäre sogar mit einfachem Wasser möglich. Mit schwerem Wasser wäre es noch leichter und graphit-moderierte Reaktoren könnten es ebenfalls tun.

Aber es gibt mehr als genug spaltbares Material  in Form von Plutonium aus den Aufbereitungsanlagen. Man braucht für lange Zeit gar nicht mehr spaltbares Material zu erzeugen, als man verbraucht. Eine Brutquoten von 90% oder 95% reichen schon aus. Denn Brutquoten unter 100% geben an, wieviel von dem Material das ein Reaktor verbraucht hat, langfristig aus der Erbrütung von neuem spaltbaren Material stammt. (Bei 100% ist es alles, bei mehr als 100% entsteht zusätzlich etwas.)

Mit einer Brutquote von 90% würden 100kg Plutonium ausreichen, um ein Jahr lang etwa 1GW Strom zu erzeugen. Die restlichen 900kg Material, das dafür gespalten werden muss, würden aus dem Thorium gebrütet werden. Dieses Vorgehen hat vor allem den großen Vorteil, dass man immer nur kleine Mengen Plutonium in den Brennstäben hat. Denn ein zu großer Anteil an Plutonium in einem Brennstab würde den Reaktor unsicher machen, und kann deswegen nicht verwendet werden. Mit Hilfe von Thorium kann man Plutonium sehr viel effektiver in herkömmlichen wassermoderierten Reaktoren verwenden, als in den MOX-Brennstäben aus Uran- und Plutoniumoxid.

Warum gibt es das noch nicht, obwohl es besser ist? Weil es lange Zeit wenig Interesse an der Entwicklung von Thorium als Reaktorbrennstoff gab und noch immer keine entsprechenden Brennstäbe für die Verwendung in kommerziellen Reaktoren lizensiert wurden. Es gibt aber eine Gruppe in Norwegen, die genau das gerade tun. Das Verfahren dauert aber einige Zeit. Allein der Test in einem Forschungreaktor unter realistischen Bedingungen dauert 4 Jahre. Er begann vor 2 Jahren.

Kommentare (8)

  1. #1 Michel
    2. Juli 2015

    Mach mal was über Klimaanlagen.

    • #2 wasgeht
      2. Juli 2015

      Wäre zumindest dem Wetter angemessen.

    • #3 wasgeht
      2. Juli 2015

      Ich gebe zu, es ist nicht gerade das handlichste Modell. Aber der neue Artikel hat etwas mit Klimaanlagen zu tun. :)

  2. #4 Ludger
    2. Juli 2015

    Frank Wunderlich”
    “Denn ein zu großer Anteil an Plutonium in einem Brennstab würde den Reaktor unsicher machen, und kann deswegen nicht verwendet werden.”

    Könntest Du das etwas genauer ausführen?

    • #5 wasgeht
      2. Juli 2015

      Hatte ich schonmal irgendwo erklärt. Wenn man Plutonium mehrfach verwendet, steigt der Pu-240 Anteil, weil das Pu-240 mit langsamen Neutronen nicht spaltbar ist. Mit schnellen hingegen schon. Man braucht also immer mehr Plutonium (von allen Isotopen Pu-239, Pu-240, Pu-241) um noch eine Kettenreaktion zu bekommen.

      Wenn man jetzt einen Moderator hat, der nicht weg geht (Graphit), ist das kein Problem. Wenn man Wasser als Moderator verwendet, kann das verdampfen und man hat es mit schnellen Neutronen zu tun.

      Hat man jetzt zu viel Pu-240 im Reaktor und es bilden sich Blasen im Wassermoderator des Reaktors, dann sinkt nicht die Reaktivität wie üblich. (Weil die Neutronen nicht mehr so gut abgebremst werden) Sondern sie steigt, weil plötzlich auch der Pu-240 Anteil zur Kettenreaktion beiträgt.

      Von diesem Punkt sollte man sich verständlicherweise fern halten. Er kommt (je nach dem), wenn man das Plutonium zum dritten oder vierten mal wiederverwendet.

  3. #6 Ludger
    3. Juli 2015

    Es gibt dann ein erhöhtes Risiko der Kernschmelze bei Kühlmittelproblemen?

    • #7 wasgeht
      3. Juli 2015

      Nein, das ist nicht viel anders. Es gibt ein paar Unterschiede im Detail, aber auch die halten sich die Waage.

  4. #8 Peter
    3. Juli 2015

    Die Norweger wollen WWW. vor ihrer Adresse