Um die eigenschaften von Kernreaktoren zu testen gab es weit mehr als nur die Tests mit dem ersten Siedewasserreaktor BORAX, über den ich schon geschrieben habe. BORAX war wichtig, aber lieferte nur erste Anhaltspunkte für eine genauere Untersuchung. Deswegen gab es in den frühen 60er Jahren das SPERT “Special Power Excursion Reactor Test” Programm. Es bestand aus mehreren Reaktoren. Aber einer der Reaktoren war ganz ähnlich aufgebaut wie der BORAX Reaktor, ein Siedewasserreaktor mit hoch angereichertem Uran und diente auch für destruktive Tests. (Reaktor 3 war zum Beispiel ein Druckwasserreaktor mit niedrig angereichertem Uran.) Die Ergebnisse von SPERT (hier Reaktor 4) werden bis heute noch zur Überprüfung von Computermodellen verwendet.

Aus der Erfahrung vom Borax Reaktor hat man den Aufbau verbessert und vor allem viel besser instrumentiert.

Im Film sieht das so aus:

Das Ziel des Programms war vor allem genauer sagen zu können, wo genau die Grenze zwischen einem noch kontrollierten Verhalten des Reaktors und seiner Zerstörung liegt. Wenn man Sicherheitsanalysen oder Sicherheitsrichtlinien für Kernreaktoren haben will, dann sollte man dieses Verhalten kennen.

Noch bevor es zu solchen Tests wie in dem Film kommen konnte, brauchte man eine Reihe von anderen Tests. Zuerst kommen statische Tests, in denen die genaue Reaktivität bestimmt wird. Danach kommen die ersten dynamischen Tests, in denen mit langsamen (also: normal schnellen) Bewegungen der Steuerstäbe das Ansprechverhalten des Reaktors gemessen wird. Schnellere Bewegungen führen zu stärkeren Anstiegen, bevor die Erwärmung die Blasenbildung die zusätzliche Reaktivität ausgeglichen haben.

Vor der nächsten Phase musste auf dieser Grundlage ein Sicherheitsbericht angefertigt werden, den man hier nachlesen kann. Denn danach sollten die Reaktorperioden immer kürzer werden und somit die Leistung immer stärker gesteigert werden.

Dazu braucht man natürlich spezielle Aufbauten, die man in einem normalen Reaktor nicht verwenden würde. Ein Steuerstab wurde so in den Reaktor eingebaut, dass er nach unten, aus dem Reaktor heraus fallen kann. Wie man auch in dem Video sieht. Dazu kamen noch Federn, mit denen man die Bewegung beschleunigen kann. Nur so kann man sich überhaupt den Reaktorperioden von etwa 10ms nähern, von denen man aus den Borax Tests wusste, dass erst dann erste Schäden an den Brennelementen entstehen. Eine Reaktorperiode von 10ms bedeutet, das sich in jeder hundertstel Sekunde die Leistung des Reaktors verdoppelt – bis die restlichen Faktoren die die Reaktivität bestimmen greifen, die Reaktivität reduzieren und damit auch die Kettenreaktion beenden.

In dieser dritten Testreihe sollte die Reaktorperiode bis auf 4ms gesenkt und das Verhalten untersucht werden, wie man sie auch schon beim BORAX Experiment, vor dem letzten Test, erreicht hatte. Erst danach wollte man absichtlich destruktive Tests mit noch kürzeren Perioden durchführen. Und zwar so lange, bis die wieder Herrichtung des Gebäudes und nötige Säuberung der Umgebung in Folge des Tests, länger als 2 Monate dauern würde.

Da bei jedem diese destruktiven Tests der Reaktorkern zerstört wurde, kamen bei jedem dieser Tests frische Brennelemente zum Einsatz. Anders als bei Reaktorunfällen in Kernkraftwerken wird hier also nur die Menge an Spaltprodukten frei, die während der kurzen Reaktion produziert wurde, nicht die Menge aus den letzten Monaten Dauerbetrieb. Selbst in zerstörerischen Tests mit 130MJ, wie beim BORAX Experiment, reden wir von weniger als einem hundertmillionstel der jährlichen Menge in einem 1GWe Kernkraftwerk. Deswegen stellten die Tests auch keine Bedrohung für die Öffentlichkeit dar.

Solche Experiment waren es, wegen denen man heute so selbstsicher sagt, dass bestimmte Unfälle in Reaktoren nicht stattfinden können. Es geht nur deshalb, weil man die Reaktoren bis weit über alle vernünftigen Grenzen hinweg getestet hat.

Es gab auch noch andere Testanlagen, in denen untersucht wurde, was bei einem Verlust von Kühlmittel passiert. Über die schreibe ich aber ein anderes mal.