Es gibt Projekte, die nur halb so wahnsitzig sind, wie sie sich im ersten Moment anhören – und selbst das nicht mehr viel bringt. Wer sich etwas mit Science Fiction auseinandergesetzt hat, der kennt es schon, das Projekt Orion. Einer der beteiligten war Freeman Dyson. (Ein Mensch den ich für alle Zeit für seinen Namen beneiden werde.)

Sein Sohn, George Dyson, ist Wissenschaftshistoriker und gab 2002 eine TED Präsentation zu dem Projekt. Die man hier findet:

Worum geht es?

Eine normale Rakete funktioniert, indem man etwas in einer geschlossen Kammer und dabei ein sehr heißes Gas unter hohem Druck erzeugt. Diesen Druck benutzt man um das Gas in die eine Richtung und den Rest der Rakete in die andere Richtung zu schieben. Dazu benutzt man Düsen um eine möglichst große Effizienz zu erreichen.

Es gibt aber auch sehr viel rustikalere Möglichkeiten, die weitaus weniger effizient sind, um einen Gegenstand mit heißem Gas von der Stelle zu bewegen. Man bringt Sprengstoff neben dem Gegenstand zur Explosion. Es entsteht eine Druckwelle und diese Druckwelle kann den Gegenstand beschleunigen. Oder in Stücke reißen.

Aber das sind nur Details, mit denen man eben umgehen muss. Damit etwas nicht in Stück gerissen wird, muss es vor allem ausreichend Abstand haben. Dann verteilt sich die Energie auf einen größere Fläche und man hat gleich viel bessere Chancen, dass was auch immer man der Explosion in den Weg gestellt hat, nicht zerfetzt wird. Wenn man jetzt das Ding groß genug macht, das die Druckwelle auffangen soll, dann geht auch keine weitere Energie verloren. (Wenn die Explosion im doppelten Abstand stattfinden soll, dann muss die Auffangfläche entsprechend den doppelten Durchmesser und somit die vierfache Fläche haben.)

Dieses Prinizip funktioniert mit absolut allen Explosionen. Egal ob es Schwarzpulver oder Plastiksprengstoff ist. Oder eben Atombomben. Zumal Atombomben in allen möglichen Größenklassen gebaut wurden. Die Hiroshima Bombe war mit 15kt ungefähr in der Mitte. Von den USA wurden sowohl Bomben getestet die tausend mal so stark waren, als auch solche, die ein Tausendstel der Stärke hatten.

Es war nur eine Frage der Stärke der benutzten Atombomben, wie groß und wie schwer das resultierende Raumschiff sein müsste. Die kleinsten Pläne sahen eine Masse von unter 1000 Tonnen vor. (Zum Vergleich: Die Saturn V Rakete wog 3000t beim Start.) Die größten Pläne hatten eine Masse von etwa 3mio Tonnen. Damit wollte man bis zum Jupiter fliegen.

Die Kraftübertragung sollte natürlich nicht als ein plötzlicher, explosiver Impuls passieren. Vielmehr sollte die Druckwelle auf eine Platte übertragen werden, die dann mit großen Stoßdämpfern die Kraft auf den Rest des Raumschiffs übertragen würde. Die Eigenschwingung dieser Dämpferkonstrunktion sollte dann mit der Rate der Explosionen der Atombomben so abgeglichen werden, dass bei jeder Explosion der Dämpfer gerade wieder in der richtigen Position ist um die nächste Explosion abzufangen. (Dazu kamen diverse Pläne zum Umgang mit Fehlzündungen und so weiter.)

Entstanden ist das ganze aus einer Idee der US-Armee, wie man vielleicht die Vorwarnzeit der Sovietunion für einen Angriff der USA mit Atombomben reduzieren konnte. Diese Zeit kann mit normalen Raketen nicht beliebig kurz sein, wie ich schon einmal hier erklärt habe. Aber wenn man ein Raketentriebwerk mit einem sehr effizienten Treibstoff hätte, dann wäre man nicht mehr auf die Gravitation angewiesen, um die Atombomben auf einer Kurve um die Erde herum zu halten. Darin bestand nämlich die Grenze für einen möglichst schnellen Angriff auf die Sovietunion.

Stattdessen benutzt man einfach den eigenen Antrieb um nicht nur zu beschleunigen, sondern auch das Fahrzeug (in dem Fall: die Kernsprengköpfe) auf einer engen Bahn um die Erde herum zu halten. Denn tatsächlich wäre so ein Antrieb mit Atombomben sehr effizient. Die entstehenden Temperaturen sind sehr hoch, weshalb sich das Gas der Explosionswolke auch sehr schnell bewegen wird. Das sollte nicht überraschen, denn ein Kernsprengkopf hat potentiell eine weit über 10 Millionen mal so hohe Energiedichte wie jeder chemische Treibstoff. Tatsächlich hatte man vor, diese zu reduzieren, indem man die Sprengköpfe mit großen Mengen Plastik umgibt. Dann entsteht sehr viel mehr Gas, bei niedrigeren Temperaturen. Das reduziert die Effizienz, aber erhöht auch den Schub.

Das liegt daran, dass Teilchen mit hoher Geschwindigkeit und viel Energie einen im Vergleich sehr niedrigen Impuls haben. Der Impuls steigt bekanntlich linear mit der Geschwindigkeit, die Energie aber mit deren Quadrat. Wenn man die Energie eines Teilchens auf vier Teilchen gleicher Masse verteilt, dann bewegen die sich halb so schnell. Weil es aber vier sind, bringen sie damit den insgesamt doppelten Schub. Weil sie aber bei nur doppeltem Schub vier mal so viel wiegen, hat man dann nur den halben spezifischen Impuls.

Ich glaube es ist unnötig zu erwähnen, dass dieses Projekt 1965 eingestellt wurde. Aber es geistert bis heute durch die Köpfe der Menschen, und jetzt wohl auch neu durch die von einigen, die davon zum ersten mal lesen. Man findet es bis heute noch manchmal in Büchern, wie Neal Stephensons “Anathem”. (Das hervorragend geschrieben und deshalb unbedingt weiter zu empfehlen ist, aber auch furchtbare Fehler in der Himmelsmechanik hat …)

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Kommentare (5)

  1. #1 rolak
    12. Juli 2015

    ein Tausendstel der Stärke

    Erstaunlich, zu welchen Zeiten an welchen Stellen FJS wieder auftaucht…

  2. #2 DasKleineTeilchen
    12. Juli 2015

    “…Und eine wurde sogar so weit ausgearbeitet und getestet, dass sie kurz vor der Einsatzreife stand. Aber dazu schreibe ich ein anderes mal…”

    ich hoffe, du meinst nicht etwa dieses unsägliche weltvernichtungswaffensystem pluto mit nuklearem scramjet?

    die idee des antriebs war ja möglicherweise fürs vakuum noch halbwegs brauchbar, aber als projekt insgesamt hab ich selten etwas dermassen wahnwitziges wie das gesehen. schlichter irrsinn. krank und böse bis zum anschlag.

    orion hingegen wäre rein vom derzeit technisch machbarem wohl die einzige möglichkeit, innerhalb eines vertretbaren zeitraums zum nächsten stern zu fliegen. hätt ich nix gegen.

  3. #3 DasKleineTeilchen
    12. Juli 2015

    shit, link versaut (fehlt das r hinter .org, *grmph*):

    https://en.wikipedia.org/wiki/Project_Pluto

  4. #4 dgbrt
    12. Juli 2015

    Nachdem ich das immer wohlwollend hingenommen habe kann ich es jetzt nicht mehr ertragen:
    Es heißt Sowjetunion und nicht “Sovietunion”!
    Sorry, ich habe keine Probleme mit Anglizismen, aber das geht nicht.

    Über Nerva und Co. wirst du vermutlich noch schreiben; aber gab es da auch vergleichbare Projekte in der UdSSR? Da kenne ich nix!

    • #5 wasgeht
      12. Juli 2015

      Ich werde es versuchen. Aber garantiere für nichts.