Was man bräuchte, wäre eine begleitende Wissenschaftsredaktion. Eine Redaktion die zwar auch eigene Formate produziert, aber auch allen anderen Redaktionen zur Konsultation und Mitarbeit zur Verfügung steht und andere Formate zur Qualitätssicherung überwacht. Denn genau hier ist das eigentliche Problem. Es existiert keine Integration der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Medien. Feste wissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten und Fakten und Ingenieurskunst durchziehen unsere Gesellschaft, aber beim Blick in die Medien fallen sie durch ihre vollständige Abwesenheit auf.

Ersetzt wurden echte Erkenntnisse und Gesetzmäßigkeiten durch ein “Experte A sagt X, aber Experte B sagt Y”. Es ist exakt so, als gäbe es keinerlei feste wissenschaftliche Erkenntnisse. Wissenschaft erscheint als ein Spiel mystischer Orakelsprüche, wobei nun jeder von sich behauptet, das bessere Orakel zu kennen. Genau davon muss abgekommen werden. Es muss von den Redaktionen selbst Verständnisarbeit geleistet werden, bevor die Berichterstattung überhaupt anfangen darf.

Denn die Expertokratie der Medien ist nichts anderes als ein Abschieben von Verantwortung. Nein, nicht etwa die Redaktion von Sendung X hat die Verantwortung, wenn etwas falsches in der Sendung gesagt wird. Der Experte ist schuld!

Die Verständnisarbeit wird niemanden von Fehlern befreien. Das kann es nicht und das soll es auch nicht. Aber sie ist Grundlage einer selbstverantwortlichen Berichterstattung. Wer selbstverantwortlich berichtet, kann auch zu seinen Fehlern stehen. Man kann glaubhaft machen, dass es in den eigenen Fähigkeiten liegt, diese Fehler einzusehen und zu beheben. Oder wenigstens einzusehen, dass man da wohl die Grenzen des eigenen Verständnisses erreicht und vielleicht überschritten hat.

Wenn man alle fachlichen Erklärungen an die Expertokratie abgibt, dann geht das nicht. Man kann sich so nur in der trügerischen Sicherheit glauben, die besten Experten zu haben. Wenn diese Experten falsch liegen, kann man nicht sagen: Der Experte hat falsch gelegen. Aus dem einfachen Grund, dass man selbst im Glauben sein muss, dass sich der Experte nicht geirrt haben kann. Denn eigenes Verständnis hatte man von dem Sacherverhalt ja nie.

Und so könnte der Wissenschaftsjournalismus einen ernsthaften Beitrag für eine glaubwürdige Berichterstattung liefern, weit über jedes Wissenschaftsformat hinaus. Und es wäre dringend nötig.

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Kommentare (9)

  1. #1 ulfi
    18. Juli 2015

    Ich habs schon laenger nicht mehr angeschaut, aber wo siehst du Quarks & Co in deiner Liste?

    Das Hauptproblem beim Wissenschaftsjournalismus ist, dass sich die Wissenschaft sich immer mehr in Grenzbereiche begibt, die mit dem Altag der Menschen nichts mehr zu tun haben.

    Was in Physik oder Chemie gerade abgeht (bzw das gesicherte Wissen von vor 5-10 Jahren) laesst sich also nur schwer wirklich gut naeher bringen. In der Summe beschraenkt man sich dann auf irgendwelche komischen Bilder oder die Wissenschaft wird beschraenk auf Astronomie, Raumfahrt und Medizin. Das aergert mich ungemein, da ungefaehr 90-99% der Wissenschaft damit ungesehen bleiben.

    Und wenn man sich dann noch auf kurzzusammenfassungen der Woche beschraenkt, dann kommt man zu solchen Katastrophen wie “This week in Science/Tech”

    https://i.imgur.com/bI4Z69K.png
    https://i.imgur.com/uydqpUE.jpg

    • #2 wasgeht
      18. Juli 2015

      Geht mir nicht anders. Hab’s auch länger nicht mehr geguckt.

  2. #3 dgbrt
    18. Juli 2015

    Ich habe noch niemals Wissenschaftsjournalismus als solchen so gesehen, wäre schön wenn es das geben würde.

    Und wenn die DPA irgend einen Schwachsinn veröffentlicht; das wird von allen Gazetten ungesehen übernommen.

  3. #4 ina müller
    18. Juli 2015

    Richtiger und wichtiger Beitrag. Nur, dann passiert so etwas und welcher Kollege ist schon Kritik fähig?https://ludgerwess.com/silvias-welt-oder-die-sueddeutsche-im-kampf-gegen-gifte-geld-und/

  4. #5 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/07/15/die-schiefe-bahn/
    19. Juli 2015

    Formate, die Deine Sammlung ergänzen könnten:
    a) Schicksalsjahre eines Wissenschaftlers/Ingenieurs. Ein Genre, bei dem der Wissenschaftler/Erfinder gegen Widerstände unter Verlust seiner Frau (Kindbettfieber) und mancher Kinder (Pocken) seine Erfindung (Eisenbahn, Telefon, Glühbirne) letztlich die Welt verändert und dabei meist selbst auf der Strecke bleibt – als biographische Story auf den Durchbruch hin dramatisiert. Hat man 3 gesehen, hat man alle gesehen. Haussender: Phoenix, halbwegs informativ und unterhaltsam.

    b) Teleakadamie, früh um ca. 7 Uhr Sonntags auf 3sat und 7:30 auf SWR. Geschichte, Politikwissenschaft, Philosophie, Dieses und Jenes, auch vor Theologie ist man nicht sicher, 30-45 Minuten eines Vortrages, manchmal 5-10 Jahre alt aber teils auch jünger. Sehr ruhig, weil nur ein Sprecher. Auf populärem Niveau aber keine Kirmes.

    c) Scobel. Oft Diskussionen mit einem Film zum Thema vorweg, den ich wg. eines Termins aber regelmäßig verpasse, auch Donnerstag, aber abends, 21:00 Uhr. Konstruktiv-ruhiges Gesprächsklima und meist zu aktuellen Themen wie Gentechnik, Nanotechnik, erneuerbare Energie. M.E. das beste Format, was m.E. zur Zeit gemacht wird. Aber ich gebe zu, dass Quarks & Casper meistens an mir vorbeiläuft.

    Manchmal verirren sich auch Wissenschaftler in die Sendungen von Illner, Will oder Plasberg – mir ist da ein Ernährungswissenschaftler in positiver Erinnerung, der die ganzen Diäten auseinandernimmt – sehr schön. :)

    • #6 wasgeht
      19. Juli 2015

      Ja, aber es sind eben reine Randerscheinungen.

      Frech ausgedrückt: Es müsste wirklich Redaktionsübergreifend in den Sendern Leute geben, die schauen ob jemand Unsinn von sich geben will und ihn davon abhalten.

  5. #7 ina müller
    19. Juli 2015

    Schlagzeilen entstehen aber selten, wenn derartige wissenschaftliche “Selbst Justierung” erfolgte. Keine Schlagzeile, kein Umsatz! Was investigativen Wissenschaftsjournalisten bleibt? “Kritik” über derartigen Formate https://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_dossiers/freiheit_autonomie/ oder http://www.unstatistik.de oder http://www.krautreporter.de oder, oder

  6. #8 Hans
    20. Juli 2015

    Also meine These ist ja, dass die derzeit herrschende Oberschicht gar nicht soo viel Wissenschaft in der Bevölkerung verankert sehen will, weil sie dadurch die Kontrolle darüber verliert, was in weiten Teilen der Bevölkerung gedacht wird, und vor allem dann keinen Müll mehr verkaufen kann, also all diese praktischen kleinen und grossen Dinge, die im Grunde niemand braucht. Und im politischen Bereich lässt sich eine Informierte Bevölkerung auch nicht mehr so leicht für Blöd verkaufen, weil sie hohle Phrasen als solche viel schneller erkennt, als es den Phrasendreschern lieb sein kann. – Das klingt jetzt vielleicht etwas verschwörungstheoretisch, aber wenn ich mir etwa die Ergebnisse der Bildungspolitik der letzten 20, 30 Jahre so ansehe, fällt mir keine bessere Schlussfolgerung ein.

  7. #9 Realistischer
    23. Juli 2015

    Ist es Absicht, dass hier keine Papiermedien angesprochen wurden?
    In der Tageszeitung meines Vertrauens kommen regelmässig gut recherchierte Artikel, die einen Einblick in aktuelle Forschungen geben, incl. der aktuellen Kontroversen. Es wäre ein Fehler, diese auszublenden, man verstünde dann erst wieder nichts von der Wissenschaft.
    Ausserdem gibt’s diverse Zeitschriften zur Auswahl…