Wenn man von Segelschiffen mit Motorantrieb spricht, dann kommt einem auch schnell ein Konzept in den Kopf, das schon vor vielen Jahren die Firma SkySails verfolgt hat. Man nehme ein herkömmliches Frachtschiff und lasse es von einem Drachen im Wind ziehen, wie ein Kitesurfer, nur in groß.

Ich hatte schon lange nichts mehr davon gehört, Grund genug nachzuschauen was passiert ist. Der Ruf des Konzepts verbreitete sich immerhin bis nach Südkorea. Das will einiges heißen, denn Südkorea ist mit einem Marktanteil von über 40% heute das wichtigste Land im Schiffsbau. Wenn man nichts mehr davon gehört hat, heißt das aber auch, dass etwas schief gegangen sein muss.

SkySails versprach mit ihrer Konstruktion große Treibstoffeinsparungen für alle konventionellen Schiffe. In den Medien sprach man von bis zu 20-30% Einsparungen. Wie überall ist der Ausdruck “bis zu” allerdings maßgeblich. Denn er gilt nur für ideale Bedingungen. Was sind ideale Bedingungen?

Ideal ist ein langsam fahrendes Schiff in starkem Wind, der direkt von hinten (von achtern) kommt. Wenn das Schiff zu schnell fährt, dann “fährt es dem Wind davon”. Damit unterscheiden sich Frachter mit einem Skysail schon in zwei Beziehungen von einem Segelfrachter, wie ich sie im letzten Artikel vorgestellt habe. Die Frachter haben keine ernsthafte Möglichkeit ihre Route am Wind auszurichten, weil die Einsparung den Aufwand nicht rechtfertigt. Die Segelfrachter dagegen hatten gar keine andere Chance. Das gleiche gilt auch für die Zeitpunkte der Reise. Ein Frachter kann nicht Wochen oder Monate auf guten Wind warten, nur weil er so 10% mehr Treibstoff einsparen kann.

Wo ein SkySail wirklich gut funktioniert wurde auch untersucht. Letztlich lohnt sich ein Skysail nur bei Fahrt in Ostrichtung in den hohen nördlichen und tiefen südlichen Breiten, wo beständig starke Winde aus dem Westen wehen. Dort errechnet man in dieser Richtung bei langsamer Fahrt Einsparungen von bis zu 30%. Perfekt ist die Route um die Antartiks herum in östlicher Richtung. Auf ihr könnte man immer in Windrichtung fahren! Die Winde sind so beständig, dass einmal im Jahr 1919 der Kapitän der Garthneill den Versuch aufgab, etwa 3000 Kilometer von der Ostküste Australiens an die Westküste zu segeln. Stattdessen machte er kehrt und segelte in Windrichtung in 76 Tagen einmal um die Welt nach Osten hin, zur Westküste Australiens.

Allerdings ist der Frachtbedarf auf der südlichen Route um die Welt sehr beschränkt. Nur wenig muss von Australien nach Neuseeland, nach Chile, nach Südafrika und wieder nach Australien gebracht werden. Es ist so wenig, dass die Route nicht einmal untersucht wurde.

Auf der Nordhalbkugel ist die Atlantik- und Pazifikquerung jeweils von West nach Ost günstig, aber umgekehrt nicht. Das halbiert fast das Einsparpotential. Günstig aus Sicht des Windes ist auch die Route von China zum Kap der Guten Hoffnung. Aber wegen des Suezkanals ist sie auch recht unwichtig. Die Einsparung an Treibstoff würde durch die zusätzliche Strecke um Afrika herum mehr als wettgemacht. Transatlanikroute ist inzwischen übrigens auch gänzlich unwichtig geworden. Vom weltweiten Frachtaufkommen wird kaum noch etwas zwischen Europa und Amerika transportiert.

Viel wichtiger ist da natürlich die Transpazifikroute von China nach Amerika. Aber auch da bliebe es wegen der Notwendigkeit der Rückfahrt bei 15% Einsparung. Im Durchschnitt beträgt die Einsparung nur 5,5% auf den wichtigsten Welthandelsrouten. Und auch das nur, wenn man sich auf eine Geschwindigkeit von 13kt oder 24km/h beschränkt. Um so schneller das Schiff fährt, um so schlechter wird die Bilanz. Schon bei 15kt Geschwindigkeit sind es nur noch 2,5%.

Als man 2009/2010 wegen der Wirtschaftskrise Frachtschiffe auf “slow steaming” umstellte um Treibstoff durch langsamere Fahrt einzusparen, reduzierte man die Geschwindigkeit auf 20kt und sprach bei 14-16kt schon von extremen Maßnahmen. Das Einsparpotential sinkt für solche Schiffe also in der Praxis auf nahe Null. Solche Schiffe waren es aber auch, die die beste Route von China in die USA bedienten. Dort fahren nicht die wirklich langsam fahrenden Rohstofffrachter die von Australien, Südafrika und dem Mittleren Osten aus die Welt beliefern.

Und da sieht man auch das Problem. Das System ist funktioniert nur in Spezialfällen, auf speziellen Routen bei niedriger Geschwindigkeit. Dafür muss man neben den Investitionskosten auch noch in Kauf nehmen, dass sich die ohnehn kleine Besatzung um ein spezielles System kümmern muss. Man kann also auch nicht irgendwelche Seeleute anheuern, wie es auf jedem anderen Frachtschiff passiert. Und um allem noch eines aufzusetzen, muss man bei Problemen eine Spezialfirma auf der anderen Seite der Welt beauftragen.

Nimmt man all diese Faktoren zusammen, ist das System nicht attraktiv, auch wenn es funktioniert. Deswegen hat man nur noch so wenig davon gehört.

Kommentare (3)

  1. #1 Mamie Juliette
    24. August 2015

    Danke für die ausführlichen Informationen, ich hatte mich schon gefragt, warum man von der Sache nichts mehr hört.

  2. #2 Uli
    24. August 2015

    Schweröl ist eben einfach viel zu billig. Erdöl ist ganz generell im Moment zu billig.

    Das ist zwar schön, wenn man zum Tanken fährt, aber globalgalaktisch gesehen ist es eine Katastrophe, weil es die Umstellung auf regenerative Energien blockiert.

    Am Ende sitzen wir ganz ohne Öl da (oder nur noch superteueres) und haben die Umstellung verpennt. Das wird dann nicht so lustig…

  3. #3 Siskin
    Wien
    24. August 2015

    @Uli: “globalgalaktisch” ??? … galaktisch gesehen, ist der Ölpreis auf der Erde wohl mit 100%iger Sicherheit absolut bedeutungslos ;)