Ein Artikel über die Ankündigung des Unternehmens TriAlpha, dass sie ein Experiment für einen besseren Plasmaeinschluss für Fusionsreaktoren erfolgreich abgeschlossen hatten, brachte mich ins Nachdenken.

Denn ob die Behauptungen stimmen oder nicht, kann niemand nachvollziehen. Es gibt eine ganze Reihe legitimer Gründe, weshalb ein Unternehmen das so tun sollte. Mich hat es sehr an einen Artikel über die Gebrüder Wright erinnert. Über 100 Jahre später braucht niemand mehr zu spekulieren, ob sie etwas sinnvolles taten oder nicht. Aber aus der Perspektive von 1902 sah das ganz anders aus. Fliegen mit Flugzeugen galt vielen als Spinnerei. Hätten die Gebrüder Wright damals um Finanzierung von außen gebeten, dann wäre ihnen ähnlich viel Misstrauen entgegen gekommen, wie heute den Unternehmen die Fusionsreaktoren bauen wollen. Dieses Misstrauen gibt es auch mit einigem Recht.

Denn genauso wie die Gebrüder Wright wollen solche Unternehmen nicht sagen, wie genau ihre Technik funktioniert. Genau das würde man tun, wenn man ein Scharlatan ist und nur Geld haben möchte. Aber die Gebrüder Wright waren keine Scharlatane. Warum haben sie nicht allen gesagt, wie ihr Flugzeug funktioniert?

Weil sie damit Geld verdienen wollten. Aber gibt es dafür nicht Patente? Man meldet ein Patent an und schon darf es niemand mehr nachbauen, der keine Lizenz kauft. Problem gelöst? Nein. Es gibt zwei Probleme. Erstens die Zeit bevor man das Patent angemeldet hat, weil die Erfindung noch nicht so funktioniert wie man will und optimiert werden muss. Der Ansatz mag richtig und revolutionär sein, aber man muss ihn eben noch umsetzen.

Falls TriAlpha ein seriöses Unternehmen mit einer revolutionären, richtigen Idee ist, dann wären sie jetzt ungefähr dort. Man will ein Flugzeug bauen, weiß wie es aussehen muss, man hat die Aerodynamik ausgearbeitet und Einzelteile getestet. Aber man muss noch an Einzelheiten arbeiten und irgendwann ein richtiges Flugzeug bauen. So kann man noch kein Patent anmelden und die Konkurrenten können einem immernoch zuvor kommen. Außerdem kann man kein Patent mehr anmelden, wenn man schon allen veröffentlicht hat. Denn “prior art” also vorher bekanntes und veröffentlichtes Wissen kann nicht patentiert werden. (Dass die Praxis heute nicht mehr der Gesetzeslage entspricht und viele Patente diesem Anspruch nicht genügen, ist mir sehr bewusst, soll hier aber nicht Sinn der Sache sein.)

Ein guter Grund für Geheimniskrämerei.

Aber selbst wenn man ein Patent hat, muss man damit noch Geld machen. Die Gebrüder Wright haben das nie. Sie haben nur jeden verklagt, der ihre Patente benutzen wollte. Nach 1908 haben sie ganz aufgehört neue Flugzeugtechnik zu entwickeln und wurden zu vollzeit Patenttrollen, immer in der Angst nicht genug Geld für ihre Erfindung des Flugzeugs zu bekommen. Ein guter Grund übrigens, die Wrights nicht in Ehren zu halten. Denn was nützt die Erfindung eines Flugzeugs, wenn jeder der ein Flugzeug bauen will verklagt wird? Selbst dann wenn es ein viel besseres Flugzeug ist, als die Wright jemals gebaut haben?

1917 stand das Land in dem das Flugzeug erfunden wurde an dem Punkt, an dem sie nur euroäpische Flugzeuge im Militär verwenden konnten, weil im eigenen Land der Patenttrolle wegen keine besseren mehr gebaut werden konnten. Letztlich wurde dem übrigens per Gesetz ein Ende gesetzt. Alle Flugzeugpatente kamen noch bis 1975 in einen Pool und jeder der ein Flugzeug bauen wollte, durfte sich daraus bedienen.

Aber auch das war keine Lösung. Denn damit war das Patent zum Schutz der Erfindungen egal geworden und es gab auch keinen anderen Mechanismus aus eigenen veröffentlichten Erfindungen mit einiger Sicherheit Geld machen zu können. Also hörte man auf Dinge zu patentieren und erklärte sie zu Geschäftsgeheimnissen, wie eh und je. Anstatt Erfindungen gut dokumentiert zu veröffentlichen, werden sie verschleiert und versteckt.

Dabei gäbe es durchaus einen dritten Weg.

Man müsste Erfinder die wichtige Erfindungen machen und veröffentlicht haben(!) schlicht für ihre Verdienste öffentlich ehren, ihre Aufwendungen ersetzen und sie darüber hinaus gut bezahlen. Dann gäbe es sicherlich auch nicht mehr solch unwürdige Schauspiele wie um Shuji Nakamura, dem Erfinder der blauen LED, der damals für seine Erfindung mit einem Bonus von $180 bezahlt wurde. Erst nach einem Gerichtsverfahren einigte man sich auf die Zahlung von $9mio. (Es war schon vorher bekannt, dass blaue LEDs auch LEDs mit weißem Licht durch verschiedene fluorezierende Beschichtungen ermöglichen würden. Heute sind sie in jedem Handydisplay.)

Im Rahmen der heutigen gesetzlichen Regelwerke kann man nicht sicher sein, jemals den Aufwand für eine Erfindung ersetzt zu bekommen oder an ihrem Wert beteiligt zu werden, wenn sie einmal öffentlich gemacht wurde. Die Durchsetzung von Patenten kann praktisch nur noch von spezialisierten Anwälten geleistet werden und selbst dann gibt es Kollateralschäden die bis zur gegenseitigen Blockade ganzer Industriebranchen reichen können.

Schon deswegen sollte der Staat ein Interesse haben, solche Erfindungen zu bezahlen. Selbst Kosten im zweistelligen Millionenbereich für wichtige Erfindungen wie die blaue LED sind trivial im Vergleich zum Staatshaushalt und können durch den Umsatz (und die Steuereinnahmen) in der wirtschaftlichen Nutzung mehr als wieder aufgewogen werden.

Ideal wäre natürlich ein internationaler Rahmen, der sich um die Vergütung von Erfindungen kümmert, deren Anwendung in großen Bereichen der Wirtschaft und Technik wichtig geworden ist. Oder Erfindungen die offensichtlich wichtig sind, wie es zum Beispiel ein funktionierendes, kompaktes Verfahren zur Kernfusion wäre. Anders als im Patentsystem ginge es danach auch nicht mehr darum, andere von der Nutzung der eigenen Erfindung abzuhalten. Vielmehr würde man versuchen möglichst viele von der Nutzung des eigenen Verfahren zu überzeugen. Wer Geld mit einer neuen Erfindung machen will, würde nicht mehr nach Patenten streben, sondern nach einer besseren Umsetzung.

Natürlich hätte das System auch einige der gleichen Probleme wie das Patentsystem. Was ist eine Erfindung? Wer genau war der Erfinder? Sollte man das Geld einer Person oder einem Unternehmen zukommen lassen? Was wird zu den Kosten für die Entwicklung gezählt, wenn sie ersetzt werden sollen? Wie verhindert man, dass die Entscheidung über die Auszahlung korrumpiert wird?

Es wäre also kein Allheilmittel. Aber letztlich wäre es eine Lösung, die moralisch viel befriedigender ist als der Status Quo. Wenn eine für alle nützliche Erfindung gemacht wird, dann sollte sie jeder auch benutzen dürfen. Wer auch immer die Erfindung gemacht oder einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hat, der sollte dafür geehrt und bezahlt werden.

Es würde auch die Unsitte beenden, dass von allen Bürgern staatlich finanzierte Forschung durch Patente nur einzelnen Unternehmen zu gute kommt.

Kommentare (6)

  1. #1 DasKleineTeilchen
    27. August 2015

    bin gespannt, ob nach diesem klugen artikel von dir, jemand die kommunismus-keule in den kommentaren aufmacht.

    btw; bereits mal in “das ende der megamaschine” reingesehen? *duck&weg*

  2. #2 dgbrt
    27. August 2015

    Der Hinweis zum Kommunismus ist gar nicht so schlecht. Da gehört allen alles, und wenn jemand etwas tolles erfindet, dann wird er von der Allgemeinheit belohnt. Das wäre die Lösung aber einen solchen Staat wird es niemals geben können.

    Ganz anders sieht das in der freien Marktwirtschaft aus. Da muss jeder, der mit seiner Erfindung Geld verdienen möchte höllisch aufpassen, dass diese Idee nicht geklaut wird. Airbus oder Boeing verraten ja auch nicht alles. Ein Scharlatan verschwindet dagegen in der Regel wieder sehr schnell. Und die Geldgeber, die er vielleicht gefunden hat, tun mir nicht im Geringsten leid.

    Anders sieht das natürlich bei öffentlich finanzierter Forschung aus. Da muss jeder die Ergebnisse einsehen können.

  3. #3 Hobbes
    28. August 2015

    “und wenn jemand etwas tolles erfindet, dann wird er von der Allgemeinheit belohnt”
    Das ist Falsch. Ein Belohnungssystem für Leistung würde dem Kommunismus komplett widersprechen. Wie sollte diese Belohnung denn aussehen? Ein Schöneres Haus? Und wenn jemand 20 tolle Dinge erfindet? Jedes mal ein noch schöneres? Und Derjenige der keine Lust zu Arbeiten hat bekommt dann ein kleineres Haus? Das ist dann Marktwirtschaft nur das man Geld durch einen Leistungskatalog ersetzt hat. Also Marktwirtschaft ohne den größten Vorteil, den der Freiheit.

  4. #4 Oberschwabe
    28. August 2015

    >Problem gelöst? Nein. Es gibt zwei Probleme. Erstens die Zeit bevor man das Patent angemeldet hat, weil die Erfindung noch nicht so funktioniert wie man will und optimiert werden muss.

    Das ist falsch. Wenn man anmelden möchte, dann so schnell wie möglich. Ein Funktionsnachweis ist für ein Patent nicht erforderlich. Für Verbesserungen kann man Folgepatente bekommen.

  5. #5 Sulu
    28. August 2015

    Wie sollte diese Belohnung denn aussehen? Ein Schöneres Haus?

    Kommunismus – kapitalistisch gedacht?

    Es ist das Wesen des Kapitalismus (eine freie “Marktwirtschaft” kann ich nicht erkennen, btw.), dass Fortschritt (Entwicklung) nur so lange verfügbar ist, wie sie gewinnbringend vermarktbar ist. Es geht schlicht nicht um einen Nutzen für die Allgemeinheit, sondern um die Vermehrung von Kapital (mit wenigen Nutznießern desselben freilich). Deshalb ist auch nicht jede Entwicklung, die sich durchsetzt, sinnvoll.

    Im Kommunismus (als Utopie) verliert privates Kapital an Wert und Bedeutung, es wäre Fortschritt (Entwicklung) eher an den Nutzen der Allgemeinheit gekoppelt – nicht ans Kapital. Dann wären Patente auch vollkommen überflüssig…

    Marktwirtschaft ohne den größten Vorteil, den der Freiheit

    Freiheit vom wem? Und welche Freiheit denn?

  6. #6 Sulu
    28. August 2015

    * natürlich nur theoretisch gedacht…